“Jetzt drucken die schon das Internet aus..?” Das ist mein erster Gedanke, der mir unweigerlich durch den Kopf geht, als ich die beiden neuen Kochzeitschriften entdecke, die seit vergangener Woche am Kiosk liegen. Beides sind Print-Ableger von Online-Portalen, gedruckt nicht ganz so umsonst: “Chefkoch” gibt es für 1,50 Euro und gleich daneben “Das Kochrezept” für 1,30 Euro. Deutsche Kochzeitschriften gibt es viele, aber brauchbar waren für mich bisher nur wenige. Oft sind die Rezepte aufwändig, brauchen viel Zeit und allein die Zutaten-Suche ist eine Reise durch die Supermärkte weit über die eigene Nachbarschaft hinaus. Aber wer kann bei den Kampfpreisen schon Nein sagen? Ich habe zugegriffen.
„Chefkoch“ ist - mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren - das gedruckte Magazin zum gleichnamigen Online-Portal von Gruner + Jahr mit online mehr als 230.000 Rezepten. Die Redaktion von „Chefkoch“ wählt für jede Ausgabe Rezepte aus der hauseigenen Datenbank, lässt sie von Profis nachkochen, verfeinern und fotografieren. Voraussetzungen für die Rezepte: Sie müssen online von den Usern mit mindestens 3,5 Sternen bewertet worden sein. Im Heft sind die 52 Rezepte in vier Kategorien (Saisonal, Regional, Für jeden Tag, Süßes) unterteilt, zusätzlich gibt es noch die Rubrik “Küchenpraxis” - hier werden grundlegende Dinge erklärt (in der ersten Ausgabe “Welche Fette und Öle benutze ich für…”).
Doch kommen wir zum Kern einer Kochzeitschrift: Der Praktikabilität der Rezepte. Neben den Kalorien-Angaben geben der Preis für die Zutaten, die Zubereitungszeit, die Anzahl der Aufrufe im Netz und die durchschnittliche Bewertung in Angabe von Sternen zusätzliche Anhaltspunkte. Darüber hinaus gibt es bei vielen Rezepten neben der Short-URL zur Webversion und einen QR-Code, um die Einkaufsliste schnell aufs Handy zu laden, sowie Abwandlungs-Ideen und hilfreiche Kommentare der Online-Community. Das gefällt und gerade die Kommentare zum Rezept sind in der Nutzung praktisch. Doch schauen wir uns den Wettbewerber an, den Burda in letzter Minute auf den Markt gebracht hat, um Gruner + Jahr und sein länger angekündigtes „Chefkoch“-Magazin zu ärgern.
Auch “Das Kochrezept” (Auflage 250.000) basiert auf einem gleichnamigen Online-Portal, das über 80.000 Rezepte beheimatet. Die 60 Rezepte im Heft sind auch hier in verschiedene Kategorien (Saison, Vital, Quiche, Easy, Party, Veggie, Braten und Sweets) unterteilt. Doch es gibt deutliche Unterschiede: Anders als bei „Chefkoch“ kommen die Rezepte nicht immer von den Online-Usern, sondern stammen oft aus der Feder der “Meine Familie & Ich”-Redaktion. Ist das der Sinn der Sache? Die Rezepte sucht man auf dem Online-Portal vergeblich, die wenigen User-Kommentare tauchen völlig aus dem Zusammenhang gerissen im Heft auf. Beim Rezept zum Puszta-Braten beispielsweise berichtet eine Userin, sie hätte statt Soßenbinder geriebene Kartoffeln verwendet. Sucht man nach dem Kommentar, findet man den im Forum von “dasKochrezept.de” in einem Thema, bei dem es um Fix-Tüten-Produkte im Allgemeinen geht.
Dass es schnell gehen musste beim „Das Kochrezept”-Magazin von Burda merkt man auch an den Werbeseiten: Gerade einmal drei finden sich in dem 68 Seiten starken Magazin. Stattdessen wird der kommende Relauch von „daskochrezept.de“ auf mehreren Seiten groß angekündigt. Da hatte Gruner + Jahr bei „Chefkoch“ mehr Zeit, auch wenn immer noch viele der dort 17 Werbeseiten Eigenwerbung sind. Für den Leser mag wenig Werbung bei „Das Kochrezept“ zunächst nett erscheinen. Doch leider ähnelt das Magazin zu sehr anderen Kochzeitschriften aus dem Hause Burda, hat keine ernsthafte Verbindung zum Online-Portal und lässt so jede Besonderheit vermissen, die einen neuen Kochtitel lohnenswert gemacht hätte. Hier merkt man: Das schnell zusammengeschusterte Magazin ist eine Abwehrmaßnahme ohne viel Sinn und Verstand.
Mein klarer Sieger: “Chefkoch”! Viele tolle Rezepte, die einladen, schnell mal etwas Neues auszuprobieren. Einfach, durchdacht und fast alle etwas "für jeden Tag”. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, auf dem Online-Portal nach “Kuschel-Pasta mit Kräuterseitlingen” zu suchen. Hier zeigt sich der Vorteil von Print, wo die gezielte Suche entfällt und anschaulich beim Blättern neue Ideen entgegenspringen. Dazu gibt es Tipps und Tricks zu Abwandlungen und die Verbindung zur Online-Community ist sinnvoll umgesetzt. Die User-Kommentare zu den jeweiligen Rezepten sind pragmatisch und helfen manche Rezepte besser zu verstehen oder noch raffinierter umzusetzen. Und der QR-Code, der mir das leidige Abschreiben der Zutaten erspart und mir die Einkaufsliste gleich auf mein Handy-Display holt, ist auch praktisch.
Anders dagegen “Das Kochrezept”, das einfach nicht ausgereift wirkt und keinen Mehrwert bietet, der die Nutzer von „daskochrezept.de” auch zu Lesern des Magazins machen könnte. Ich bin auch hier auf die nächste Ausgabe gespannt, die aber erstmal am Kiosk durchgeblättert wird, bevor ich kaufe. Das neue gedruckte "Chefkoch" hingegen schafft schon beim ersten Durchblättern eine Vertrautheit. Das ist dann tatsächlich ein Mehrwert im nun wirklich nicht gerade schwach besetzten Markt der Kochzeitschriften. Hier kann man sich auf die nächste Ausgabe freuen, die auch schon angekündigt ist. Anders als „Das Kochrezept“ - was noch einmal offenbart, dass es Burda wohl mehr darum gegangen sein wird, Gruner + Jahr ein Bein zu stellen, als ein ausgereiftes Magazin auf den Markt zu bringen.