Da standen sie nun also. Die Kanzlerin, ihr Herausforderer und vier Moderatoren. Beim einzigen TV-Duell vor der Bundestagswahl durften Angela Merkel und Peer Steinbrück 90 Minuten lang einen der begehrtesten Sendeplätze bespielen, die das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Und eigentlich lief alles so ab, wie man das erwarten konnte. Steinbrück sprach von der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich und Merkel gab sich sichtlich mühe, die Nähe zum Volk herzustellen. "Sie kennen mich", sagte die Kanzlerin in ihrem Schluss-Statement und fügte hinzu: "Wir können es nur gemeinsam schaffen." Zum Ende hin wurde Merkel, so schien es jedenfalls, ein wenig entspannter.
Dabei hatte es nur eine gute Viertelstunde gedauert, um sie zu ärgern. Genau genommen war es Duell-Neuling Stefan Raab, der mit teils bissigen Nachfragen gerade in der Anfangsphase dafür sorgte, dass die Regierungschefin zumindest kurzzeitig Gefahr ließ, aus dem Takt zu geraten. Dass er das Duell als Selbstdarstellungsfläche genutzt hat, kann man Raab allerdings nicht vorwerfen. Viel mehr sorgte er zumindest für den einen oder anderen Überraschungsmoment - wie etwa gleich zu Beginn, als er Merkel fragte, ob sie denn sicher sei, dass ihr nach Ausfüllen des Wahl-O-Mats nicht womöglich die SPD vorgeschlagen werde. Eine schöne Spitze, auf die Merkel dann auch eher ausweichend antwortete.
Mit Blick auf Horst Seehofers PKW-Maut-Forderungen fragte Raab kurz darauf: "Meint er das ernst oder spinnt er mal wieder rum?" Merkel - nun zunehmend genervt - wollte auch hier zunächst keine klare Antwort geben und legte sich erst später darauf fest, dass es mit ihr eine solche PKW-Maut nicht geben werde. "Endlich! Das hätten Sie auch kürzer haben können", entfuhr es Raab, dem seine Kollegin Anne Will nach erstem überstandenem Themenblock wohlwollend zunickte. Ohnehin machte auch Will, die ebenfalls ihre Duell-Premiere feierte, einen guten Eindruck. Sie merkte schon nach wenigen Minuten an, dass die beiden Kontrahenten oft gar nicht auf die gestellten Fragen antworteten und gab Merkel später die Chance, der FDP 90 Sekunden lang ihr Vertrauen auszusprechen - was erfahrungsgemäß ja kein allzu gutes Zeichen ist.
Unterm Strich gaben die Neuzugänge im Vergleich zu Maybrit Illner und Peter Kloeppel beim diesjährigen Bundesvision Wahl Contest die bessere Figur ab - der RTL-Chefredakteur schien zwischenzeitlich sogar komplett abgetaucht zu sein. Doch auch Stefan Raab machte sich in der Mitte der Sendung eher rar und taute erst gegen Ende wieder auf, als er Peer Steinbrück unverblümt riet, vielleicht doch besser wieder Finanzminister zu werden. Man könne doch nicht sagen, man wolle nur antreten, wenn man "King of Kotlett" sei. "Überlegen Sie sich das nochmal, dann kriegen Sie mich vielleicht auch noch", sagte Raab, dem vor allem eines hoch anzurechnen ist: Er hat Merkel und Steinbrück mit seiner direkten Art zumindest teilweise aus der Reserve gelockt. Das ist mehr als man es für gemeinhin von einem derart steifen Prozedere erwarten kann.
Und doch hatte das TV-Duell mal wieder seine Schwächen. So gab es zu viele Fachbegriffe und zu wenig Raum für echte Diskussionen. Weil die Moderatoren immer wieder neue Fragen hinterherschoben, war eine spannende Auseinandersetzung zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer nahezu unmöglich - obwohl beide immer wieder mit Verspätung auf die Argumente des jeweils anderen einzugehen versuchten. Und noch eine Erkenntnis bleibt: Während das Duell für Sat.1 in den vergangenen Jahren in erster Linie zur Pflichtübung verkam, gab sich ProSieben diesmal durchaus Mühe und ließ auch nach dem Duell noch eine Stunde lang zum Teil sehr ernsthaft diskutieren, während etwa RTL nichts mehr einfiel, als seinen "Wählerrat" noch einmal für zehn Minuten an einen Tisch zu setzen.
Ganz nebenbei darf sich Peer Steinbrück nun übrigens auch noch über ein Preisgeld von 300.000 Euro freuen, das er sich nach gewonnenem ProSieben-Voting nun bei "TV total" abholen kann. Wenn er gut beraten ist, sollte er Stefan Raab tatsächlich nochmal einen Besuch abstatten. Steinbrücks anfänglich geäußerte Skepsis, ob Raab der richtige Mann für eine politische Sendung ist, haben sich jedenfalls als unbegründet herausgestellt. Und wer weiß: Vielleicht sieht man Stefan Raab beim nächsten TV-Duell ja schon wieder - dann womöglich auf der anderen Seite. Zuzutrauen wär's ihm allemal.