von Schirachs "Verbrechen" als Serie
Auch ein Axtmörder kann sympathisch sein

Ein Anwalt wurde Autor: Ferdinand von Schirachs Kurzgeschichten waren ein Überraschungserfolg. Seine beiden ersten Bücher "Verbrechen" im Herbst 2009 und "Schuld" im Jahr 2010 erzählen Kriminalgeschichten aus einer ganz anderen Perspektive - und waren vermutlich deshalb so erfolgreich. Weil es Strafverteidiger von Schirach nicht so sehr um das Verbrechen und seine Aufklärung geht, sondern um die Verbrecher und die Frage, ob Strafe, Gerechtigkeit und damit letztlich auch Schuld manchmal anders zu bewerten sind als es unsere Vorstellung von Rechtsstaat und Anständigkeit erlaubt.

Constantin Film hat die Filmrechte für beide Bücher erworben und Produzent Oliver Berben aus einigen der Kurzgeschichten die sechsteilige Serie "Verbrechen" erschaffen, die so anders geworden ist als alle anderen Krimiserien. Und so anders als alle deutschen Serien, die man zuletzt gesehen hat. Aus der ohnehin schon großartigen Vorlage hat Berben dank einer in der deutschen Serienwelt ungewohnt ästhetischen Inszenierung etwas geschaffen, was inzwischen schon als "Edel-Krimi" betitelt wurde.

Edel sieht es zweifelsohne aus, ein Edelstein ist die Serie hingegen nicht: Es gibt einen guten Grund, warum sie beim ZDF erst zu später Stunde läuft. Sie ist immer wieder roh, derbe, heftig. Oder wie die Amerikaner es nennen würden: sehr explizit. Und eine Krimiserie ist "Verbrechen" im strengeren Sinne auch nicht. Jede Folge ist ein Einzelstück, es gibt kein Muster nach dem die Serie funktioniert. Nur einer ist immer mit dabei: Josef Bierbichler in der Hauptrolle als Anwalt. Sozusagen die Fernsehversion von Ferdinand von Schirach.

Wer also klassische Krimikost erwartet, der soll sich bitte mit dem Überangebot bei ARD und ZDF zufrieden geben und besser nicht einschalten. Für Fans ungewöhnlicher, aber packender Fernsehunterhaltung ist "Verbrechen" hingegen ein Muss. Dass das ZDF die Serie in Doppelfolgen zeigt, hat einen positiven Nebeneffekt: Schon am ersten Abend wird mit den ersten beiden Folgen deutlich, wie unterschiedlich die Folgen und Erzählungen ausfallen. Längst nicht jede Folge wird so spalten wie die erste: Wo Edgar Selge als geplagter Ehemanns einer Frau den Schädel spaltet - und doch die Sympathien des Publikums ganz auf seiner Seite hat.

"Verbrechen" ist wie schon "KDD" der Beweis, dass das Krimigenre immer noch für Überraschungen gut ist. Gleichzeitig ist Oliver Berbens Meisterwek dank von Schirachs Vorlage jedoch weitaus gewagter als das traditionellere "KDD". Man darf gespannt sein, ob das deutsche Fernsehpublikum bereit ist, sich darauf einzulassen. Auf eine Serie, die von Verbrechen, Schuld und Gerechtigkeit erzählt - weitestgehend abseits der Perspektive von Polizei, Anwälten oder Gerichten. Wie schon bei den Büchern ist hier der Zuschauer eingeladen, sein Urteil zu fällen.

Das ZDF zeigt die ersten beiden Folgen von "Verbrechen" am Sonntag um 22:00 Uhr, die weiteren Doppelfolgen gibt's in den kommenden Wochen auf demselben Sendeplatz.