Fernsehfilm, Mehrteiler oder Mini-Serie? Ich grübele gerade wieder. "Ice Cream Girls" - das wäre mit 135 Minuten dann wohl irgendetwas dazwischen. Aber mit dem deutschen Schubladen-Denken beschäftigen sich die Briten nicht. Es ist ganz einfach eine Serie mit drei Folgen. Das gerade beim ZDF gelaufene Kriegsepos "Unsere Mütter, unsere Väter" - es hätte so gesehen auch eine sechsteilige Serie sein können. Als Mehrteiler hingegen wird es keinen Einzug finden in die Debatten darüber, wie gut denn jetzt deutsche Serien sind. Auch die Verfilmung von Ferdinand von Schirachs "Verbrechen" war eigentlich als Serie geplant und läuft jetzt aber in Doppelfolgen als "Mehrteiler". Dem ZDF-Publikum ist das vertrauter. Aber eben auch nur dem. Gerade die jüngeren Zuschauer denken, wenn sie von ARD- und ZDF-Mehrteilern nur hören, leider zu oft an Eltern- oder Großeltern-Fernsehen. Egal ob es nun berechtigt ist oder nicht. Da verläuft eine Trennlinie durch das deutsche Fernsehen.
Warum? Weil sich die Öffentlich-Rechtlichen mit professionellem Marketing und guter PR oft schwer tun, werden tolle Projekte erst verzögert entdeckt. Wenn überhaupt. Das Team der tollen Serie "Tatortreiniger" kann ein Lied davon singen ebenso wie das Team von "Weissensee". Oder auch das Team von "Zeit der Helden". Ach, kennen Sie nicht? Die spannende Echtzeit-Serie rund um Familienleben in der Midlife-Crisis läuft nächste Woche bei SWR und Arte. Auch sie droht unterzugehen. Hip ist eben nur der, der eine neue Serie aus den USA zuerst zum Kult erklärt und nicht der, der im deutschen Fernsehen etwas Gutes entdeckt. Wenn man dann auch noch behauptet, dass es sich in den Dritten versteckt, würde man noch misstrauischer beäugt als ohnehin schon. Zu sehr sind wir davon überzeugt, dass deutsche Fiction einfach nicht mithalten könne, weil in zu vielen Betrachtungen die weltweit einmalige Qualität im Bereich Fernsehfilm und Mehrteiler außen vor gelassen wird.
Wir sind aber nun einmal durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen als Nation der Fernsehfilme sozialisiert worden. Anders als in den USA, wo die großen privaten TV-Networks seit den 50er Jahren die Fernsehlandschaft prägten und nach Programmen suchten, die den Zuschauer über Wochen ans Programm binden, war das für ARD und ZDF in den Zeiten ohne Privatfernseh-Konkurrenz nicht von größter Bedeutung. So entstand bei uns keine Serienkultur - sondern vom bekannten Kino ausgehend stattdessen eine Fernsehfilm-Kultur. Der Form halber kann die natürlich nicht so in die Tiefe gehen wie eine klassischerweise 22-teilige US-Networkserie, aber eine packende, bewegende Geschichte kann trotzdem erzählt werden. Es ist schon schade, dass der Fernsehfilm oder Mehrteiler dann oftmals belächelt wird - als wäre er im Vergleich zur Serie nicht viel wert.
Interessanterweise werden die Staffeln in den USA seit Jahren im Durchschnitt immer kürzer. Da spielt der Boom der Kabelsender eine Rolle, die eher kürzere Staffeln produzieren lassen. Das ist nicht nur Kostengründen und Risikominimierung geschuldet - oftmals wird es von den Kreativen gewünscht. Weil 22 Folgen lang mit möglichst fortlaufender Handlung anspruchsvoll zu unterhalten beinahe unmöglich ist. Die großen US-Networks haben das zuletzt zu oft zu spüren bekommen. Die US-Serie wird britischer und deswegen britische Serien international salonfähiger. Diese Formel konnte man auch Ende Februar in Liverpool beim BBC Showcase mehrfach hören. Gute Voraussetzungen also auch für "Ice Cream Girls". Eine hervorragende Produktion, die es auch verdient hätte, den Weg nach Deutschland zu finden. Aber so lange wir auf neue gute Serienware aus UK oder USA warten, gibt es auch bei uns gut fiktionale Unterhaltung - abseits von dem, was wir Serie nennen.