Man kann seit über zehn Jahren Tag für Tag die Medien in Deutschland beobachten und wird doch noch immer aufs Neue überrascht. Am Sonntag und Montag war es sehr verblüffend zu sehen, wie wenige Journalisten eigentlich überprüfen, was sie schreiben und wie wenige Medien darauf achten, was sie veröffentlichen. Alles fing am Sonntag mit via Nachrichtenagenturen verbreiteten Interview-Aussagen von Tom Hanks an. Diese sollen am Morgen nach der "Wetten, dass..?"-Sendung gegenüber dem RBB-Sender Radio Berlin 88.8 gefallen sein.
Das Unheil nahm seinen Lauf, weil das Agentur-Material nicht hinterfragt. Niemand hielt es offenbar für zumindest fragwürdig, dass sich ein US-Schauspieler, brav dauerlächelnd und -winkend auf Promo-Tour in Deutschland, so derart kritisch äußert, wie es durch Zusammenfassungen seiner Aussagen suggeriert wurde. Nein, Tom Hanks und Halle Berry ging es nicht um Fundamentalkritik an "Wetten, dass..?". Sie machen das, was US-Promis schnell lernen: "Bring Anekdoten!" Und die beteten sie in allen Interviews fast wortgleich runter. Das warf ein Bild auf ihren chaotischen "Wetten, dass..?"-Abend - ist jedoch nur halb so wertend, wie es manche Journalisten danach verdreht haben.
Hanks sagte dem RBB-Sender (und später eben auch diversen anderen Medien fast wortgleich): "I wanna tell you: In the United States if you are on a tv show that goes for four hours everybody responsible for the show is fired the next day." Das ist in erster Linie die Verwunderung eines Amerikaners über eine Art von Fernsehen, die in den USA völlig unbekannt ist: So große Unterhaltungsshows zur besten Sendezeit - noch dazu ganz ohne Werbung - gibt es dort nicht. Casting: Ja. Gameshow: Ja. Ganz viel Reality-TV zur besten Sendezeit: Ja. Und natürlich all die Serien und Sitcoms. Doch Unterhaltungsshows, wie wir sie seit Jahrzehnten haben, kennt man in den USA nicht.
Mancher Trittbrettfahrer der vermeintlichen Kritik von Hanks und Berry sieht jetzt in "Wetten, dass..?" einen peinlichen Vertreter deutscher TV-Unterhaltung, die im weltweiten Wettbewerb ohnehin einfach unfassbar schlecht sei. "Beschämend" oder "peinlich" sind Worte, die da fallen. Dabei beweist "Wetten, dass..?" gerade genau das Gegenteil: Die Show wurde modernisiert und zeigt wie auch "Schlag den Raab" erfreulicherweise, dass die Samstagabend-Unterhaltung, wie sie in Deutschland über Jahrzehnte von großen Entertainern und charmanten Shows geprägt wurde, noch funktionieren kann. Trotz Casting-Wahn und Reality-TV.
Doch zurück zu Tom Hanks und seinem Hinweis auf das US-Fernsehen. Der wurde von Journalisten gleich mehrfach in einen Kontext gestellt, der suggeriert, er beziehe die Aussage konkret auf "Wetten, dass..?" am Samstagabend. So zum Beispiel von Spiegel Online: "Nach einem anstrengenden Abend bei 'Wetten, dass..?' zog Hollywood-Star Tom Hanks eine schonungslose Bilanz: In den USA wäre der Verantwortliche dieser Sendung gefeuert worden." Dieser Sendung? Nun, das dichtete sich Spiegel Online dazu.
Die "BZ" aus Berlin schrieb: "Der amerikanische Schauspieler wunderte sich über das dreistündige 'Wetten, dass..?' und bemerkte nach den Strapazen, in den USA würde der Moderator für diese Zumutung gefeuert." Auch das hat Hanks nicht gesagt. Die "taz", der "Tagesspiegel" und andere die einfach einen Agenturtext kopierten, veröffentlichten: "In den USA wäre jeder Verantwortliche einer solchen vierstündigen Fernsehshow 'am nächsten Tag gefeuert' worden, zeigte sich Hanks überzeugt." So als wäre das eine Aussage über die banale Tatsache hinaus, dass den Amerikanern solche Sendungen generell unbekannt sind.
All die weiteren und in jedem Interview wiederholten Anekdoten von Hanks und Berry schildern ihre Erlebnisse an diesem Abend. Wenn der Ton nicht funktioniert oder der Dolmetscher nicht alles übersetzt - ja dann mag wohl kaum jemand so lange auf dem Sofa sitzen und jeder würde sich wünschen, dass die Show bald rum ist. Doch zwischen einer amüsierten Erlebnisschilderung und Fundamentalkritik gibt es dann doch noch einen Unterschied. Hanks und Berry sind einfach PR-Profis. Sie wissen, wie man im Gespräch bleibt und machen nicht den Fehler, nur über ihr Werk sprechen zu wollen. Mit den Kommentaren zum "Wetten, dass..?"-Abend haben Hanks und Berry es geschafft, noch einmal in nun wirklich fast alle Medien aufzutauchen, die nebenbei dann auch wieder ihren neuen Film erwähnen.