4.) Und ihr wundert Euch noch, dass Euch keiner glaubt?
Primetime-Fernsehen ist die Kür. Die Daytime hingegen die Pflicht. Hier müssen weite Sendestrecken gefüllt werden und das weitaus kostengünstiger als zur besten Sendezeit am Abend. Beste Voraussetzungen für ein Genre wie Scripted Reality, also billigst produzierte fiktionale Serien und Dokusoaps, die den Anschein erwecken sollen, echt zu sein. Die Formate sind planbar und hängen nicht wie die Dailytalks früher an einem einzigen Protagonisten. Wirtschaftlich also zunächst sehr vernünftig. Doch unkontrolliertes Scripted Reality verspielt etwas, was dem Privatfernsehen noch nie in großer Fülle zugestanden wurde: Glaubwürdigkeit. Mit dieser Fülle an Scripted Reality, das inzwischen sogar in die Primetime schwappt, gräbt sich das deutsche Fernsehen selbst sein Grab. Die Freude über Quotenerfolg und die niedrigen Kosten bleibt inzwischen bereits manchem im Halse stecken, weil es sich rächt: Selbst wenn mal nicht gescriptet wurde, unterstellt das Publikum dies inzwischen. Eine tragische Entwicklung, die besonders die Redakteurinnen und Redakteuren schmerzt, die noch echte Beiträge recherchieren. Sie mussten immer schon höhere Kosten und nicht ins Detail optimierbare Storys rechtfertigen und jetzt heißt es auch noch: Es mache ja eh keinen Unterschied mehr.
5.) Kommerz ist nötig, aber wo bitte bleibt die Kunst?
Ein weniger wirtschaftliches als emotionales Problem der Branche ist die seit Jahren voranschreitende Professionalisierung. Zuschauererfolg und wirtschaftlicher Druck sorgen dafür, dass man Bestehendes so lange optimiert bis das ursprüngliche Format im Zweifelsfall gar nicht mehr zu erkennen ist. Das ist effektiv, kostengünstig und relativ sicher. Das sichert uns „more of the same“, weil Erfolgreiches gerne kopiert wird. Doch viel zu selten wird noch experimentiert. Kreativität fordert jeder, aber niemand will sie bezahlen. So vergeht Leichtigkeit und Lust. Und weil es so selten geworden ist, wird inzwischen jeder kritisch beäugt, der doch etwas Neues versuchen will. Das war mal anders, doch in den vergangenen Jahren ist in einem schleichenden Prozess die Begeisterung der 90er Jahre über das, was alles möglich ist mit diesem Medium, das immerhin auch eine Kunstform ist, verschwunden. Selten noch leisten sich Fernsehsender etwas aus Überzeugung. Und bezahlt Jeder, der hier entgegnet, dass sich Fernsehen eben auch rechnen müsse, dem sei entgegnet: Die TV-Konzerne fahren Rekordgewinne ein. Es ist eben einfach die Frage, wie man das Medium versteht: Nur als Kommerz oder auch als Kunst?
6.) Fernseh-Deutschland braucht mehr als Joko & Klaas
Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, ihr seid toll. Aber nehmt es uns nicht übel: Im Alleingang könnt auch ihr nicht das deutsche Fernsehen verjüngen. Diesen Eindruck bekommt man zwar, wenn auf Branchengipfeln seit zwei Jahren alle Diskussionen über Nachwuchssorgen im deutschen Fernsehen spätestens dann zum Erliegen kommen, wenn der Erfolg von Joko & Klaas als angeblich ultimatives Gegenbeispiel eingebracht wird. Doch wir haben ein Problem, ein sehr akutes. Dem deutschen Fernsehen fehlt die Fläche für den Nachwuchs. Eine ganze Generation heutiger TV-Moderatoren fing mal mit DailyTalks oder Musikfernsehen an. Beides jedoch gibt es nicht mehr. Der Beruf des Moderator scheint in weiten Teilen des TV-Programms ausgestorben zu sein. Zwischenzeitlich glaubte man zwar die Lösung gefunden zu haben und gab jedem Comedian, bei dem auch nur drei Zuschauer lachten, eine eigene Show. Doch auf Dauer lassen sich so auch nicht viele Moderationstalente finden. Der Mangel an Nachwuchs sorgt für die heavy rotation der bekannten Gesichter. Um aber neue Gesichter zu finden, muss es auch die Flächen dafür geben.