Gerade erst haben die großen Medienunternehmen ihre Geschäftszahlen präsentiert. Demnach läuft es blendend. Die Fernsehmesse MIPTV steht vor der Tür, wo man im internationalen Vergleich wieder feststellen kann, wie gut unser Fernsehen ist. Demnach läuft es hervorragend. Immer wieder sorgen TV-Produktionen für Entzücken bei Publikum wie Kritikern und werden als Beispiel für zeitgemäßes gutes deutsches Fernsehen präsentiert. Demnach sind wir doch gar nicht so schlecht. Doch der Schein trügt. Längst arbeitet die Fernsehbranche am Limit. Der Zuschauer mag das nicht erkennen, doch das ist nur ein Symptom der gefährlichen Krankheit einer weitgehend erschöpften Branche, die keine Schwäche zeigen will und doch längst auf dem Zahnfleisch geht.
Natürlich betrifft das nicht alle, aber in den vielen intensiven Gesprächen, die wir seit über zehn Jahren mit Produzenten, Senderverantwortlichen, Kreativen und vielen fleißigen Helfern hinter den Kulissen führen, spürt man schleichende Ernüchterung, manchmal schon Erschöpfung. Eben eine Branche vor dem Burnout. An dieser Stelle wird es wichtig zwischen den beiden Perspektiven zu unterscheiden, aus denen man das deutsche Fernsehen betrachten kann. Es gibt die Sicht des Zuschauers und die derer, die in der Branche arbeiten. Die Folgen des Burnouts zeigen sich in so mancher furchtbaren Sendung - auch wenn das nicht bei allen schlechten Formaten die Rechtfertigung sein kann. Man kann sich erschöpfend über diese schlechten Sendungen auslassen. Das ist als Korrektiv auch wichtig. Doch damit kratzt man nur an der Oberfläche. Wir wollen vordringen zur Ursache und nicht nur die Auswirkungen betrachten.
Der Burnout selbst trifft die Branche und all die, die darin arbeiten. Sie spüren hinter den Kulissen veränderte Bedingungen in jeglicher Hinsicht. Das war schon oft Thema in unseren Interviews. Noch häufiger aber in vertrauten Gesprächen. Das nimmt man anfangs zur Kenntnis, doch irgendwann wird es für einen Branchenbeobachter unumgänglich, sich damit zu beschäftigen. Über die letzten vier Monaten haben wir gezielt Eindrücke gesammelt, analysiert und aufbereitet. Wir haben geprüft, welche Sorgen und Klagen individuell waren und welche symptomatisch sind, um zum Kern dessen vorzudringen, was den Burnout ausmacht. Am Ende waren es, nicht der runden Zahl wegen, genau zehn Punkte, an denen das deutsche Fernsehen krankt. Punkte, die mancher sich nicht traut auszusprechen. Punkte, die einzeln betrachtet vielleicht nichtig erscheinen mögen.
Doch im Zusammenspiel erklären sie sehr gut, warum das deutsche Fernsehen in vielen Punkten kränkelt. Ganz wichtig ist dabei, dass nicht der Eindruck entstehen soll, es gäbe keine herausragenden Leistungen oder außergewöhnliche gute Sendungen. Auch verdienen ja offenbar manche Beteiligten in der Branche sehr gut. Viel mehr soll es ein Bewusstsein dafür schaffen, unter welchen Bedingungen unser Fernsehen entsteht. Ob man das dann als schockierend oder angesichts mancher tollen Ergebnisse gerade besonders bemerkenswert empfindet, bleibt jedem selbst überlassen. Es ist der Versuch - und wirklich nicht mehr - einmal tiefer in das Thema einzusteigen als die ewig gleichen Plattitüden a la „Wir brauchen mehr Mut“ aufzuwärmen. Und wir sind gespannt auf die Rückmeldungen aus der Branche. Gemeinsam könnte man 2012 dringende Probleme offen thematisieren.