Es war vor 9 Uhr morgens als bekannt wurde, dass Bundespräsident Christian Wulff um 11 Uhr eine Erklärung abgeben will. Um 9.40 Uhr folgte dann die Ankündigung einer Erklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel für 11.30 Uhr, die den Verdacht erhärtete, dass Christian Wulff seinen Rücktritt bekanntgeben würde. Doch als er dann um kurz nach 11 Uhr vor die Kameras trat, waren fast alle deutschen Fernsehsender live drauf - nur ein Medienkonzern aus Unterföhring blieb gänzlich außen vor. Dort scheint noch immer nicht die Erkenntnis durchgedrungen zu sein, dass der Nachrichtensender N24 nicht mehr zum Konzern gehört.
Während ARD, ZDF, Phoenix, RTL und die Nachrichtensender die Erklärung aus Schloss Bellevue lief übertrugen, informierte Sat.1 die Zuschauer von "Richterin Barbara Salesch" per Einblendung über den Rücktritt - und kündigte fatalerweise für 11.32 Uhr ein "Sat.1 News Spezial" an. Genau zu dieser Uhrzeit sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel - wieder waren alle Sender live drauf nur Sat.1 nicht. Denn dort präsentierte Peter Limbourg nur Minimal-Journalismus: Anmoderation, Einspieler der Rücktrittserklärung von Wulff und eine Verabschiedung mit dem kurzen Hinweis, dass sich gerade auch die Kanzlerin erklärt habe. Mehr gebe es dann in einer Stunde.
Für den deutschen Fernsehzuschauer mag es nicht sonderlich schmerzhaft sein, dass Sat.1 sich aus der aktuellen Nachrichtenberichterstattung immer weiter zurückzieht. Doch für den eigenen Anspruch des Medienkonzern in Unterföhring ist das bitter. Sonst redet man sich bei mangelnder Berichterstattung mit nächtlichen Uhrzeiten oder unklarer Nachrichtenlage heraus. Doch beides traf diesmal nicht zu. Selten wäre eine aktuelle Sondersendung so verhältnismäßig gut planbar gewesen wie heute bei gleich zwei hintereinander angekündigten Erklärungen.
Noch bitterer wird es, wenn man sich manche Forderung und Erklärung der vergangenen Wochen anschaut. Da gehörte ProSiebenSat.1 beispielsweise zum Kreise derer, die das Exklusiv-Interview von Christian Wulff mit ARD und ZDF Anfang Januar kritisierten. Auch die Privatsender hätten berücksichtigt werden sollen, beschwerte sich ProSiebenSat.1. Und der neue Beirat hat unter der Führung von Edmund Stoiber die Entwicklung junger Informations- und Politikformate angestoßen. Diese medienpolitisch wirksam platzierten Ankündigungen und Vorhaben passen nur leider so gar nicht zu den Prioritäten im Tagesgeschäft, wie sich heute wieder einmal zeigte.