der FreitagOb das beim Titelthema der Relaunch-Ausgabe gelingt, ist allerdings eher fraglich. Hier hat das Team um Chefredakteur Grassmann das Wagnis einer spitzeren Geschichte gescheut. Stattdessen "Klick den Kanzler" - ein attraktives, aber nicht gerade meinungsstarkes oder unerwartetes Thema über die Rolle des Internets für die Politik im Wahljahr 2009.
 
Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Online-Kampagne von Barack Obama im vergangenen Jahr und dem eigenen Anspruch des "Freitag" die Medien Online und Print zu vereinen, war das Thema offenbar einfach unwiderstehlich naheliegend. Es ist wohl der bekannte Titelthemen-Fluch vieler Erstausgabe: Vorbereitet, nicht brandaktuell und möglichst allgemein, um nicht gleich unnötig Leser zu verstoßen.

Bei einer Zeitung, die sich selbst als "Meinungsmedium" bezeichnet und als solche unterschiedlichen Meinungen und Schreibstilen eine Bühne bietet, ist es beinahe unmöglich, eine generelle Aussage über die inhaltliche Qualität der Texte zu liefern. Einen gemeinsamen Nenner haben sie aber: Zusammen mit dem aufgeräumten, höchst angenehm lesbaren Layout, welches sowohl an den britischen Partner "The Guardian" wie auch an die ehemalige "Woche" erinnert, gelingt der Einstieg in eine Vielzahl von Artikel durch einen nicht zu selbstverliebten oder überambitionierten Schreibstil.
 

 
"Der Freitag" ist, ohne dies mit Leichtigkeit verwechselt wissen zu wollen, leicht zugänglich. Sicher auch eine wichtige Voraussetzung, wenn man in den Dialog mit seinen Lesern treten will. Dazu bietet "derFreitag" auf seiner ebenfalls gelungenen, weil erfrischend nüchtern und im positiven Sinne textlastigen Website allerlei Gelegenheit. Und das geht über eine Kommentarfunktion hinaus. "Nehmen Sie Platz in Deutschlands größter Redaktion", heißt es über den Web-Auftritt, der auch den Start eigener Blogs erlaubt.
 
Und der Schritt vom Blogger zum Publizisten ist auch nicht weit: Ausgewählte Beiträge sollen in die Zeitung übernommen werde, die damit noch stärker verdeutlicht, dass fundierte Meinungen und diskussionswürdige Thesen im Gedruckten attraktiver sind als nachrichtliche Nachbearbeitung von Themen, die alle anderen Medien schon umfassend abgehandelt haben. Eingekesselt vom Internet, in dem alles schneller steht und Hochglanzzeitschriften, in denen alles besser aussieht, zeigt "der Freitag" den Weg der Zeitungen auf: Meinung statt Meldung.

der FreitagBei so einer gelungenen Premiere fallen da kleinere Fehler nun wirklich nicht ins Gewicht. Wenn etwa auf der Titelseite des Buches "Alltag" für das Portrait von Schauspielerin Tilda Swinton eine falsche Seitenzahl genannt wird. Und frei von jeglichem Nutzen ist derzeit noch die eigentlich sehr gut gedachte Kennzeichnung von Redaktionstexten, Beiträge aus der Webcommunity und z.B. aus dem Guardian übernommenen Artikeln mit jeweils unterschiedlichen Farben. Schön gedacht, doch mangelhaft umgesetzt.
 
Das bleibt aber auch der einzige Kritikpunkt am ansonsten sehr klaren, tadellosen Layout. Und inhaltlich? Da könnte die Trennschärfe zwischen den Büchern "Kultur" und "Alltag" größer sein. Daran lässt sich aber ja arbeiten. Bleibt nur zu hoffen, dass ein ausreichend großer Zuspruch der zahlenden Leser Jakob Augstein, Chefredakteur Philip Grassmann und die Redaktion auch daran arbeiten lässt.