Ausgerechnet Markus Söder war es, der nach einer halben Stunde in der "Berliner Runde" den entscheidenden Satz aussprach. "Der heutige Abend", stellte der bayerische Ministerpräsident fest, "krankt natürlich daran, dass wir das Ergebnis nicht kennen und deswegen auch nicht vernünftig reden können." Und müsste das Fernsehen nicht seinen sich selbst auferlegten Regeln folgen, dann hätten ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten und ihr ARD-Kollege Oliver Köhr dem CSU-Chef eigentlich zustimmen und die Sendung mit sofortiger Wirkung für beendet erklären müssen.

Tatsächlich war das Publikum auch fast drei Stunden nach den ersten Prognosen der beiden öffentlich-rechtlichen Sender so schlau wie zuvor. Sicher, die groben Gewinner und Verlierer dieser Bundestagswahl ließen sich bereits unmittelbar nach der Schließung der Wahllokale benennen. Doch wie sich das Land künftig regieren lassen wird, blieb den kompletten Abend über offen, weil sämtliche Hochrechnungen nicht mit Sicherheit vorherzusagen vermochten, welche Koalitionen ab morgen überhaupt möglich sein werden.

Und so blieb das meiste von dem, was an diesem Sonntagabend bei ARD, ZDF und den Nachrichtenkanälen gesendet wurde, aus nachvollziehbaren Gründen wenig konkret. Doch weil Wahlsendungen im Fernsehen seit Jahrzehnten gleichermaßen ritualisiert wie redundant ablaufen und sich selbst in der obligatorischen Elefantenrunde nur in äußerst unregelmäßigen Abständen ein Skandalmoment auftut, in dem der Kanzler aus der Rolle fällt, verstrich Stunde um Stunde – nur um dem Publikum regelmäßig mit Sicherheit sagen zu können, dass so gut wie gar nichts sicher ist.

Ein für Politiker, Journalisten und Zuschauer gleichermaßen ziemlich unbefriedigender Zustand, der es eigentlich erfordert hätte, dass irgendwo zwischen Berlin und Mainz ein Senderedakteur Erbarmen zeigt und anstelle der sich ständig wiederholenden Spekulationen einen vorhersehbaren Münster-"Tatort" oder eine kitschige Pilcher-Schmonzette einspielt – in der Hoffnung, dass alle Beteiligten für ein paar Stunden innehalten und sich gedulden, bis das vorläufige Endergebnis vorliegt oder zumindest einigermaßen Gewissheit darüber herrscht, wie die Menschen tatsächlich abgestimmt haben.

Der hehre Wunsch blieb freilich unerfüllt, weil die Zamperonis, Miosgas und Illners bereits auf ihre Auftritte warteten, um zusammen mit ihren Gästen über so vieles zu philosophieren, das schon am nächsten Morgen wieder getrost als veraltet abgehakt werden kann. Vielleicht sollte sich die Wahlberichterstattung in solchen Fällen in Zukunft einfach ein Beispiel am Dschungelcamp nehmen: Erst die Krönung und am Tag danach das "große Wiedersehen". Und für alle, die nicht genug bekommen können, folgt zwei Wochen später noch ein "Nachspiel". Dann ließe sich auch, um mit Markus Söder zu sprechen, vernünftig diskutieren.