Deutschland steht vor einer entscheidenden Richtungswahl, und die Bürgerinnen und Bürger haben es mit ihrer Stimme in der Hand zu entscheiden, wohin das Land steuert. Wie gut, dass an diesem Sonntagabend zur besten Sendezeit noch einmal unter der strengen Aufsicht zweier Moderatoren alle Argumente ausgetauscht werden und es sich nur nicht nur zeigen wird, wer mit Mut und Entschlossenheit vorangeht, sondern auch, wer die Herzen der Menschen erobert.

Falls Sie noch immer denken, dass an dieser Stelle eine Einstimmung auf das bevorstehende TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz folgt, müssen wir Sie enttäuschen. Nein, es steht viel mehr auf dem Spiel: Während es bei ARD und ZDF um den Kanzler geht, geht’s bei RTL sogar um die Krone!

Schon jetzt ist einigermaßen klar, dass die Finalshow von "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" einen guten Schlusspunkt hinter eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten 18. Staffel setzen wird. Sehenswert war die Show in den zurückliegenden beiden Wochen schon alleine deshalb, weil sie an vielen Stellen nicht den üblichen Realityshow-Mustern folgte, in denen sich frühere "Bacheloretten" und einstige "Topmodels" in die Haare kriegen oder vergessene "DSDS"-Kandidaten mit verlassenen "Temptation Island"-Gestrandeten zoffen.

Pierre Sanoussi-Bliss und Lilly Becker © RTL Pierre Sanoussi-Bliss und Lilly Becker am Lagerfeuer.

Natürlich ließ RTL auch in diesem Jahr wieder erfahrenes Reality-Personal nach Australien einfliegen, doch dass mit Lilly Becker und Pierre Sanoussi-Bliss nun zwei Camper im Endspiel um die Dschungelkrone stehen, denen derartiges Fernseh-Terrain bislang fremd war, ist durchaus besonders, zeigt es doch, dass das Publikum keineswegs immer nur von den üblichen Verdächtigen unterhalten werden will. Zusammen mit Alessia Herren, die sich ein halbes Jahr nach ihrer "Sommerhaus"-Teilnahme durchaus gereift präsentierte, stehen nun drei im Finale, die es aus ganz unterschiedlichen Gründen verdient haben, nachdem die Zuschauerinnen und Zuschauer augenscheinlich genug hatten von übereifrigen Lautsprechern und kurz vor Schluss sowohl Soap-Star Timur Ülker als auch Musikerin Edith Stehfest aus dem Camp wählten.

Insbesondere der Finaleinzug von Pierre Sanoussi-Bliss, der 18 Jahre lang in der ZDF-Krimiserie "Der Alte" mitspielte, ist die große Überraschung dieser Staffel, passt der 62-Jährige doch so gar nicht in das Muster typischer Dschungelstars. Mit fast schon stoischer Ruhe beobachtete er das bunte Treiben seiner Mitstreiter und kommentierte ein ums andere Mal gleichermaßen verwundert wie süffisant, wie die vermeintlichen Profis die nächste Eskalationsstufe zündeten. Dabei schaffte er es regelmäßig, die Mechanismen des Reality-Genres und damit auch dessen Personal zu entlarven. Dass er gleichzeitig nicht langweilte und man ihm im Gegenteil sogar gerne zuhörte, wenn er etwas zu sagen hatte, brachte ihm offenkundig viele Sympathien ein.

"Ich hab' ein paar Pigmente mehr. Mehr is' nicht."

Vor allem aber schaffte es Pierre Sanoussi-Bliss, die große Samstagabend-Bühne zu nutzen, um ein gleichermaßen persönliches wie wichtiges Statement zu platzieren. Nach mehr als 60 Jahren habe er keine Lust mehr über seine Herkunft zu reden, sagte er. "Ich hab' ein paar Pigmente mehr. Mehr is' nicht." Ihm würden bei den immergleichen Fragen "die Worte zu Asche im Mund", erklärte Sanoussi-Bliss und fragte: "Worüber reden wir?" Es habe einen schwarzen US-Präsidenten und eine Frau als Kanzlerin gegeben. "Es gibt alles! Und dann wundert es mich, dass so ein paar Fuzzies sich zusammenschließen und von Remigration sprechen."

Dass RTL diesen ernsthaften Moment nicht mit dem in solchen Situation obligatorischen Klavierspiel unterlegte, sondern die Worte des Schauspielers durch den sehr zurückhaltenden Einsatz von Musik einfach wirken ließ, machte die Botschaft nur noch stärker.

Aber auch abseits dieser Szene legte das Team von RTL und der Produktionsfirma ITV Studios Germany in den zurückliegenden Tagen ein beeindruckendes Gespür für Timing an den Tag. Das gilt insbesondere für die vor Kreativität, Biss und Humor sprühenden Moderationen von Sonja Zietlow und Jan Köppen, bei denen das Autoren-Quartett um Jens Oliver Haas, Micky Beisenherz, David Flasch und Jörg Uebber im Vergleich zu den Vorjahren gefühlt noch eine ordentliche Schippe drauflegten. So abwechslungsreich und auf den Punkt waren die Dschungel-Kommentare im Baumhaus lange nicht. Die Chancen stehen also gut, dass das Dschungel-Triell zwischen Lilly, Alessia und Pierre überraschender zu werden verspricht als das zeitgleiche Politiker-Duell zwischen Scholz und Merz.