Die Öffentlich-Rechtlichen stolpern weiter durch die Wahlberichterstattung. Nachdem die Sender nie wirklich sinnvoll erklären konnten, weshalb sie nun eigentlich ein TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz planen statt einer größeren Runde (oder statt mehrerer gleichberechtigter Duelle), sieht sich nun das ZDF scharfer Kritik ausgesetzt. Grund dafür ist die Sendung "Schlagabtausch" bzw. das Publikum in eben diesem Format, in dem am Donnerstagabend Vertreterinnen und Vertreter von CSU, FDP, Linken, BSW, Grünen und AfD miteinander diskutierten.
Stein des Anstoßes: Das Publikum war augenscheinlich politisch ziemlich einseitig, wie sich schon in den ersten Minuten der Sendung zeigte. Bei der Vorstellungsrunde der Politiker brandete lediglich bei den Vertretern von Grünen und Linken Applaus auf - bei allen anderen blieb das Publikum demonstrativ still. Und auch während der Diskussion waren die Sympathiebekundungen der Menschen im Studio klar verteilt.
Das sorgte schnell für Kritik und war Wasser auf die Mühlen derjenigen, die ARD und ZDF seit jeher vorwerfen, voreingenommen zu sein und vor allem "linksgrüne" Sichtweisen zu bedienen. Zu allem Übel erklärte später im "heute journal update" ein ZDF-Hauptstadtkorrespondent, dass die Gäste nicht repräsentativ ausgewählt worden seien. Stattdessen sprach er davon, dass viele Zuschauerinnen und Zuschauer im Studio von der HU und FU Berlin gewesen seien, "zwei eher linken Universitäten".
Bei der "Bild" nahm man diesen Ball dankend auf und titelte groß: "ZDF-Journalist gibt zu: Zuschauer gezielt an Unis gesucht", die Rede ist von einem "echten TV-Skandal". Am frühen Freitagnachmittag hat sich das ZDF auch öffentlich in der Sache zu Wort gemeldet und erklärt, im Vorfeld unter anderem verschiedene Berliner Institutionen kontaktiert zu haben, um interessierten Menschen einen Besuch in der Sendung zu ermöglichen. Das sei ein übliches Verfahren, erfolgt sei das auch "mit Blick auf die Möglichkeit einer kurzen Anreise des Publikums". Demnach hatte das ZDF neben FU und HU Berlin auch das J.F.K.-Institut für Nordamerikastudien, die Hertie School of Governance, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, das Demographie Netzwerk e.V., der Tönissteiner Kreis und die Familienunternehmen e. V. kontaktiert.
Zuvor äußerte sich das ZDF gegenüber der "Bild" noch so: "Bei solchen Sendungen ohne direkte Publikumsbeteiligung ergibt sich daraus in der Regel eine ausgewogene Verteilung. Die politische Einstellung wird nicht abgefragt. Dass es im Verlauf der Sendung dennoch zu einseitigen Reaktionen gekommen ist, bedauern wir. Während der Sendung konnte die Redaktion aber keinen Einfluss darauf nehmen." Das gleiche Statement ließ das ZDF auch DWDL.de zukommen. In der am Freitag versendeten Pressemitteilung wollte man die Passage, in der das Bedauern zum Ausdruck gebracht wurde, offenbar nicht noch einmal wiederholen.
Eine unnötige Debatte
Die Debatte hätte sich das ZDF rückblickend wohl gerne erspart - und sie ist auch deshalb so unnötig, weil das ZDF sie ganz einfach hätte verhindern können. Nämlich indem man erst gar kein Publikum in der Sendung zugelassen hätte. Der "Schlagabtausch" wäre dann nicht einmal schlechter gewesen, spielten die Gäste vor Ort doch überhaupt keine Rolle. Für einen Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern mit den Politikern vor der Wahl hat das ZDF die Sendung "Klartext" am kommenden Donnerstag, den 13. Februar, im Programm.
So aber haben die Verantwortlichen nun eine Diskussion an der Backe, in der es nicht nur um die offensichtliche Einseitigkeit des Publikums geht, sondern auch um eine vermeintliche Schlagseite des gesamten Senders. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ein TV-Sender solchen Ärger hat. Wieso hat das ZDF also in diesem Fall überhaupt am Studiopublikum festgehalten? Man müsste es längst besser wissen: Die Polit-Talks von Maybrit Illner und Markus Lanz kommen seit einigen Jahren ganz wunderbar ohne Publikum im Studio aus. Die Sendungen sind dadurch besser geworden, weil vermeintlich einfache, aber populistische Aussagen nicht mehr für Applaus sorgen.
Es wäre also durchaus begrüßenswert, wenn man sich in Mainz (und anderswo) künftig entscheiden könnte: Entweder gut durchdachte Publikumsbeteiligung mit sorgfältig ausgewählten Gästen - oder aber ein Verzicht auf das Studiopublikum.