Es gibt wohl fast niemanden, der nicht schon mal eine Jeans getragen hätte. Auch heute noch werden jährlich 250 Millionen Stuck der meistgetragenen Hose der Welt produziert – und das, obwohl deren Patentanmeldung bereits 150 Jahre zurückliegt. Dass die berühmte "Levi's" auf den Namen eines ursprünglich oberfränkischen Kurzwarenhändlers zurückgeht, dürften viele heute nicht mehr wissen. Umso schöner, dass die Geschichte von Levi Strauss jetzt in Serien-Form erzählt wird, auch wenn es Neele Leana Vollmar, die auch Regie führte, und Robert Krause mit den historischen Details der Bücher des Vierteilers erkennbar nicht an jeder Stelle ganz genau nahmen.
Dass Strauss dem lettischen Handwerker Jacob Davis, mit dem er später besagtes Patent auf die Nieten-verstärkte Denim-Hose anmeldete, bereits bei der Atlantik-Überqueren über den Weg lief, muss wohl dem Reich der Märchen zugerechnet zu werden. Dass allerdings nicht nur der titelgebende Levi Strauss im Zentrum der Handlung steht, sondern eben auch Jacob Davis' Geschichte ebenso viel Raum einnimmt, spricht gleichwohl umso mehr für die Serie.
Es ist eine typische Geschichte vom berühmten American Dream; eine, die vom Aufstieg zweier Männer erzählt, auf die das Attribut Außenseiter zutrifft. Auf der einen Seite Strauss, Sohn einer jüdischen Familie, der zunächst zusammen mit seiner Schwester Fanny vor dem im Königreich Bayern vorherrschenden Antisemitismus in die USA flüchtet, wo seine beiden Brüder bereits ein Geschäft in New York eröffnet haben, und schließlich in das von Korruption, aber auch von Goldgräberstimmung geprägte San Francisco weiterzieht. Auf der anderen Seite Jacob Davis, der wegen des drohenden Militärdiensts für den russischen Zaren die Flucht in den Westen antritt und sich dort anfangs mehr schlecht als recht über Wasser hält, wenngleich er in einem Goldgräber-Camp immerhin auf seine große Liebe trifft.
Doch auch wenn hier und dort mal ein Schuss fällt und im Kutschwagen durch den Wald gefahren wird – die Western-Karte wollten Vollmar und Krause ganz offensichtlich nicht spielen, sondern sich auf den Wirtschaftskrimi konzentrieren. Womöglich war es aber auch schlicht eine Frage des Budgets: Zwar überzeugt "Levis Strauss und der Stoff der Träume" mit ansehnlichen Kostümen und überwiegend gelungenen Kulissen. Gleichzeitig ist jedoch augenscheinlich, dass ARD-Serie viele Details ausspart, sich auf nur wenige Schauplätze konzentriert und es daher aller Bemühungen zum Trotz nur selten schafft, eine glaubhafte Atmosphäre vom Leben an der amerikanischen Westküste in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu vermitteln. Dass Turin und Südtriol nicht San Francisco und die Sierra Nevada sind, wird leider an etwas zu vielen Stellen deutlich.
Leider wirken auch viele Dialoge und Figuren zu schablonenhaft, sodass der versprochene Anspruch eines TV-Events dem Abgleich mit der Realität nicht standhält. Gute Momente liefert die Serie mit dem Versuch, Auswanderer- und Wirtschafts-Geschichte zu erzählen, aber trotzdem, weil man Vicent Redetzki zunehmend die Figur des Levi Strauss abnimmt, Anton von Lucke als Jacob Davis glänzt und daneben auch Amy Benkenstein und Lea van Acken in ihren Rollen als Levis Schwester beziehungsweise Davis' spätere Ehefrau sehenswerte Momente schaffen. Ein, um im Bild zu bleiben, ordentlicher Stoff. Mehr aber auch nicht.
"Levi Strauss und der Stoff der Träume", am Freitag um 20:15 Uhr im Ersten und schon jetzt in der ARD-Mediathek