Wer nach Ursachen der Krise pluralistischer Gesellschaften sucht, findet überall Gräben, Krater, Abgründe. Die USA zum Beispiel sind nicht mehr nur uneins, sondern entzweit, und zwar an keiner Grenze deutlicher als zwischen Kernland und Küsten. Während die Mitte felsenfest zu Donald Trump steht, sieht er in Kalifornien kein Land. Der Pazifik macht Menschen offenbar liberaler. Heutzutage. Vor 200 Jahren nämlich hätte ein Typ à la Trump dort ebenso spielend gewonnen wie ein gewisser Don Alejandro.

Nahezu 50 Jahre, nachdem ihn sein staubiges Provinznest erstmals zum Bürgermeister gewählt hatte, soll ihm jetzt eigentlich sein Sohn ins Amt folgen – enthielte dessen Programm doch bloß weniger sozialistisches Teufelszeug. In New York mögen Wasserleitungen, Schulbau, gar Gewaltenteilung gut ankommen. Die paar Hundert Bewohner von Los Angeles aber mögen keine Veränderungen. Schlechte Startbedingungen für Don Diego de la Vega, der seinen Vater ohnehin nur beerbt, weil er einem Herzinfarkt erliegt.

Als der niederträchtige Geschäftsmann Don Emmanuel obendrein die desaströse Haushaltslage ausnutzt und auf den Ruinen abgerissener Elendsbehausungen ein Spielkasino eröffnet, droht Los Angeles vom Weg zur zweitgrößten Stadt Nordamerikas frühzeitig in Richtung Las Vegas abzubiegen – bis Don Diego sein falsches, also wahres Gesicht zeigt. Zum Widerstandskämpfer "Zorro" maskiert, hatte sich der Großgrundbesitzer einst gegen die spanischen Besatzer erhoben. 20 Jahre später spannt das schwarze Gewand zwar gehörig am wohlstandsrunden Bauch. Und auch das flott geritzte "Z" geht ihm zunächst nur krakelig vom Säbel. Als Don Emmanuel jedoch die eine Hälfte der Stadt versklavt und die andere gentrifiziert, wird der charmante Rächer mehr denn je gebraucht.

Klingt nach branchenüblicher Heldenreise mit reichlich Action und Spuren von Erotik – würde die Titelfigur wie Anfang 2024 in der gleichnamigen Prime-Serie vom feurig-virilen Miguel Bernardeau verkörpert. Doch hinterm neuesten Zorro steckt kein Geringerer als Jean Dujardin, hierzulande als cineastischer Fortschrittsverlierer "The Artist" bekannt, international auch sonst ein Superstar – wenngleich mittlerweile 52 Jahre alt. Ob Dujardin darunter leidet, ist nicht überliefert; in den acht Folgen à 40 Minuten aber sorgen sie für selbstironische Fallhöhen, die kaum jemand so raumgreifend spielt wie der Oscar-Preisträger aus Paris.

Serie ist oft schwer erträglich

Dabei ist die handgezählt 65. Film- oder Serienversion eines der meistverfilmten Literaturstoffe seit seiner ersten Stummfilmfassung von 1919 zuweilen schwer erträglich. Dramaturgische Flüchtigkeitsfehler wechseln sich pausenlos ab mit grimassierender Albernheit. Zorros stummer Diener Bernardo (Salvatore Ficarra) bettelt beinahe so billig um die Zuschauergunst wie der Waisenjunge Nakaï (Baltasar Espinach). Um Don Diegos Eifersucht auf das eigene, aber feschere Alter Ego plausibel zu machen, darf seine Frau Gabriella (Audrey Dana) ihren leidlich maskierten Mann weder an Statur oder Stimme noch Mundpartie und Kusstechnik erkennen.

Mehr noch: Dass ein mexikanischer Aristokrat im frühdemokratischen Jahr 1821 den Begriff des "Indianers" als kulturelle Aneignung brandmarkt, ist eine noch dusseligere Drehbuchidee als Diegos Vater (André Dussollier), dessen Geist andauernd die erfolglosen Fortpflanzungsversuche seines kinderlosen Sohnes sabotiert. Und warum der geldgeile Fiesling Don Emmanuel (Eric Elmosnino) an eine "Stürmer"-Karikatur jüdischer Finanzkapitalisten erinnert, bleibt das schmutzige kleine Geheimnis des Regie-Duos Emile Noblet/Jean-Baptiste Saurel.

Was andernorts Abschaltimpulse erzeugen würde, wirkt hier jedoch seltsam hinnehmbar. Als alternde Windhund-Variante des Robin-Hood-Nachfahren entschädigt der Hauptdarsteller schließlich für vieles, was die drei Autoren um den Seriencreator Benjamin Charbit im Drehbuch verbocken. Denn Jean Dujardins selbstironische Überwältigungsoptik hätte gewiss auch ein paar anderen Zorros der Film- und Fernsehgeschichte gut zu Gesicht gestanden. Nur: seit Vincent Price – und vielleicht noch Jon Hamms "Mad Man" Don Draper – hatte halt niemand eines wie der Franzose mit dem Haifisch-Grinsen.

Potenzial zum Welthit

Seinem "Zorro" ist es daher praktisch im Alleingang zu verdanken, dass die redselige Mantel-und-Degen-Komödie am Ende öfter umwerfend amüsant nach Stummfilm klingt, der ein paar Alleinstellungsmerkmale von "The Actor" in die Tonfilm-Ära rettet. Wo immer sich Dujardins maskierter Fechtvirtuose unzeitgemäß antirassistisch auf die Seite der unterdrückten Ureinwohner schlägt, ist es womöglich ein sauberer kleiner Kommentar von Paramount+ und France Télévisions auf alles, was unterm alten, neuen US-Präsident Donald Trump wohl auch dem angeschwollenen Wüstennest Los Angeles demnächst blüht.

Don Emmanuels perfide Taktik jedenfalls, marginalisierte Gruppen erst aus ihren Häusern, dann der (geregelten) Arbeit in die (illegale) Leibeigenschaft zu jagen, führt zum Personalmangel in den Herrschaftshäusern der Oberschicht. Ein linksgrünversifft demokratisch woker Sozialist, wer darin eine Analogie auf die Migrationspolitik der MAGA-Bewegung sieht. Und ein "Fuchs", was "Zorro" auf Spanisch heißt, wer daraus ein derart drolliges Kostümfest macht, das durch seinem Hauptdarsteller und dessen Ausstrahlung zum spanischen Welthit taugt.

"Zorro" steht ab sofort bei Paramount+ zum Abruf bereit.