Schon seit einiger Zeit hat sich das ZDF vorgenommen, gesellschaftsrelevante Themen aus einer unterhaltenden Perspektive zu erzählen. Das gelang in der Vergangenheit mit den sogenannten Social Factuals, darunter Annette Friers Demenz-Chor, "Don't stop the Music" mit Bülent Ceylan oder jüngst "Buchstäblich leben" mit Sabine Heinrich, stets recht gut und kam bei Publikum und Kritikern gleichermaßen an. All diese Formate alleine einte jedoch, dass es sich dabei um Adaptionen international erprobter Formate handelte.
In diesem Jahr geht der öffentlich-rechtliche Sender nun noch einen Schritt weiter und startet ein Format, das – basierend auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre – im eigenen Haus entwickelt und vom Contentladen, einer Tochterfirma von ZDF Studios, produziert wurde. Die Zutaten erinnern dabei an bisherige Reihen, wird doch auch diesmal wieder eine Art Heldenreise erzählt, an deren Ende ein großer Auftritt steht.
Doch auch wenn der Ablauf inzwischen gelernt und dadurch wohl auch ein Stück weit vorhersehbar ist, so erweist sich "Magic Moves", so der Titel des jüngsten ZDF-Neustarts, alleine schon deshalb als besonders sehenswert, weil man die zehn Kinder, um die es darin geht, einfach nur ins Herz schließen möchte. Sie alle haben zwar ganz unterschiedliche Lebensgeschichten, aber eines gemeinsam: Sie leben mit Hemiparese, einer halbseitigen körperlichen Lähmung, verursacht durch angeborene oder erworbene Schädigungen des Gehirns. Josep etwa, einer der Protagonisten, erlitt im Alter von nur sechs Jahren einen Schlaganfall während er gerade auf dem Trampolin sprang. Nun sitzt er zusammen mit Andreas und Chris Ehrlich, besser bekannt als die Ehrlich Brothers, auf einer Bank und überwindet seine Angst vor einem kleinen Vogel, der schließlich auf seinem Arm sitzt, nachdem dieser es sich wenig zuvor noch auf dem Kopf des jüngeren der beiden Zauberer-Brüder gemütlich gemacht hatte. Es ist nur ein kleiner Moment auf dem Weg hin zum großen magischen Auftritt, der am Ende des Weges steht, der in vier, auch musikalisch gelungenen Folgen im ZDF sowie in acht, für Kinder aufbereitete Kika-Episoden steht, doch er wird so erzählt, dass den kleinen Protagonisten jederzeit Respekt entgegengebracht wird.
Das ist auch ein Verdienst der Ehrlich Brothers, die sich mit ihren großen Bühnenshows inzwischen weltweit einen Namen gemacht haben, es nun aber schaffen, sich fernab vom Glanz ihrer sonstigen Auftritte, im richtigen Augenblick zurückzunehmen, damit die Kinder glänzen können. Auf diese Weise bewegt "Magic Moves", ganz im Sinne des doppeldeutigen Titels, gleich doppelt: Das Publikum, aber auch die Kids vor der Kamera. Denn weil wissenschaftliche Studien nahelegen, dass sich das Gehirn durch bestimmte Therapien austricksen lässt, um neue Areale zu aktivieren und so die Beweglichkeit und Motorik zu verbessern, soll in der Sendung herausgefunden werden, ob das auch durch das Erlernen magischer Tricks möglich ist. Im besten Falle bewegen die Kinder also ihre bis dato in der Beweglichkeit eingeschränkten Hände, ohne es zu merken.
"Den Spieß haben wir jetzt umgedreht"
Bis es soweit ist, verbringen die großen Magier mit den kleinen Zauberlehrlingen fast zwei Wochen auf einer Burg, um ihnen ihre Tricks mit Karten, Knoten und ungleich größeren Gegenständen beizubringen – immer in der Hoffnung, fast schon beiläufig die motorischen Fähigkeiten zu verbessern. Klingt nach Hokuspokus? Ist es aber, glücklicherweise, nicht.
Ohnehin zeigt gleich die erste Folge, dass "Magic Moves" den Fokus keineswegs alleine aufs Zaubern legt. Vielmehr sind es ganz besonders die oft leisen Zwischentöne, die diese Produktion so sehenswert, und ja, auch berührend machen. Wenn die Kinder vermeintlich alltägliche Dinge als ihre größten Wünsche äußern, etwa alleine mit Messer und Gabel eine Pizza zu schneiden oder sich selbstständig die Socken anzuziehen, dann wird mit einem Schlag klar, wie viel großes Glück auch im ganz Kleinen steckt.
Doch nicht nur die Kinder erweisen sich als wunderbare Besetzung; gleiches gilt für die Ehrlich Brothers, die sich maximal empathisch und authentisch auf das Projekt einlassen und auch eigene Bedenken äußern. Seine große Sorge sei, dass die Erwartungen der Kinder möglicherweise "nicht in vollem Umfang oder vielleicht gar nicht in Erfüllung gehen", sagt Andreas Ehrlich zu Beginn. Und als Maxim, einer der jungen Teilnehmer, später in einer gemeinsamen Runde am Kamin erzählt, wie schwer es ihm fällt, Freunde zu finden, zieht der große Magier plötzlich, mal nicht mit Unmengen Haarwachs gestylt, eine Parallele zu dem kleinen Jungen. "Ich bin eigentlich Zauberer geworden, weil ich damals viel geärgert worden bin", erinnert er sich und spricht davon, wie sein Bruder und er einst als Dorftrottel bezeichnet wurden. Doch anstelle sich unterkriegen zu lassen, fanden beide ihr Glück in der Zauberei, bauten mithilfe ihres Vaters, einem gelernten Maschinenbauer, monatelang, teils bis tief in die Nacht hinein, all die großen Utensilien, die sie sich für ihre magischen Auftritte wünschten. Dass ihr Vater den großen Durchbruch seiner Söhne nie mitbekommen hat, schmerzt die beiden erkennbar bis heute.
In diesem Moment wird klar, woher die Ehrlich Brothers ihre Motivation ziehen. Und ganz zum Schluss, wenn der erwartbare magische Auftritt der Kinder vor Publikum stattfindet, ist davon auszugehen, dass diese Motivation auch auf sie übergegangen ist. "Die können jetzt was, was die anderen nicht können", sagt Chris Ehrlich, erkennbar stolz und zufrieden. "Den Spieß haben wir jetzt umgedreht." Das ist, um im Bild zu bleiben, wirklich zauberhaftes Fernsehen.
"Magic Moves", ab sofort in der ZDF-Mediathek sowie samstags um 19:25 Uhr im ZDF. Im Kika ist eine achtteilige Version jeweils sonntags um 14:40 Uhr zu sehen.