Anders als von der KEF empfohlen, wird der Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2025 nicht um 58 Cent auf dann 18,94 Euro steigen. Das ist eigentlich schon seit vielen Wochen und Monaten klar. Am Dienstag kündigten ARD und ZDF daher nun auch an, eine Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Das ist ihr gutes Recht und das zeichnete sich zuletzt auch bereits ab. Schuld an dieser ganzen Situation sind die Medienpolitikerinnen und Medienpolitiker, die es einmal mehr versäumt haben, frühzeitig die Weichen für Reformen zu stellen.
"Das stellt alle Bemühungen um ein neues geordnetes Verfahren zur Ermittlung des Rundfunkbeitrags infrage", sagt nun Bayerns Medienminister und Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) und ergänzt: "So hat es keinen Sinn, etwa ein Modell mit Indexierung und Kopplung an die Inflationsrate weiter zu beraten." Herrmann ist damit so etwas wie die Speerspitze der gescheiterten deutschen Medienpolitik. Entweder der CSU-Politiker weiß es nicht besser, oder er streut bewusst Desinformationen.
Um das ganz klar zu sagen: ARD und ZDF torpedieren durch ihre Verfassungsbeschwerde gar nichts. Keine Reformen und keine Gespräche zu einem neuen Finanzierungsmechanismus. Im Gegenteil: Sie pochen auf ihr verfassungsgemäß verbrieftes Recht. Der neue Finanzierungsmechanismus, über den die Rundfunkkommission aktuell debattiert und der von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 12. Dezember möglicherweise abgesegnet werden könnte, und die Erhöhung des Beitrags ab 2025 sind zwei unterschiedliche Dinge.
Mal wieder zu spät dran
Die Politik hat in Sachen ÖRR-Reformen in den vergangenen Wochen und Monaten fraglos viel erreicht. Aber mal wieder war man damit zu spät dran, um alles rechtzeitig zur kommenden Beitragsperiode (2025-2028) in Recht und Gesetz zu gießen. So trieb das Unvermögen der Politik zuletzt bereits erneut seltsame Blüten: ARD und ZDF sollten doch bitte auf eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe verzichten und so lange von ihren Rücklagen zehren. Rücklagen, die die KEF aber schon in ihre Berechnungen für den neuen Rundfunkbeitrag ab 2025 einbezogen hatte - darauf hatte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke im Zuge der angekündigten Verfassungsbeschwerde zurecht verwiesen.
Auch die von der Politik geschätzte KEF fährt eine klare Linie: Schon im Februar, kurz nach der Veröffentlichung der Empfehlung zur Anhebung des Rundfunkbeitrags, erklärte KEF-Chef Martin Detzel öffentlich, unter anderem im DWDL.de-Interview, dass die Politik mit ihrer Kritik mal wieder zu spät dran sei. Natürlich könnten die Länder den Finanzbedarf der Öffentlich-Rechtlichen umgrenzen, so Detzel damals. Nur sie müssen es eben so weit im Vorfeld tun, dass Bedarfsanmeldung und KEF-Überprüfung auf Basis dieser neuen Regelungen durchgeführt werden. Auch im von der Politik beauftragten Sondergutachten war die KEF sehr klar: Einsparungen könnte es mittelfristig geben, für die kommende Beitragsperiode ändert sich die Empfehlung aber nicht.
Nicht die Akzeptanz für ARD und ZDF schwindet...
Wenn aus der Medienpolitik jetzt die ersten Stimmen laut werden, dass es gar keinen Sinn mehr mache, über ein neues Finanzierungsmodell für die Öffentlich-Rechtlichen zu sprechen, ist das nichts weiter als die nächste Bankrotterklärung. Es muss ja eine Einigung geben, denn der seit 2021 fortbestehende Verfassungsbruch, als sich die Politik schon einmal nicht an die KEF-Empfehlung hielt und die Beitragserhöhung dann über das Verfassungsgericht kam, muss zwangsläufig irgendwann auch einmal aufhören.
Natürlich gibt es auch andere kritische Stimmen aus der Politik. Thorsten Bischoff (SPD), Staatssekretär der Landesregierung im Saarland, erklärte, die Sender würden beim "Bohren dicker Bretter die Geduld verlieren" und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sagte, der Konflikt um die Beitragserhöhung sei für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "wenig zuträglich". Und selbstverständlich hat auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder eine Meinung. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine tragende Säule unserer Demokratie, aber er darf die Akzeptanz und den Rückhalt in der Bevölkerung nicht verspielen. In Zeiten knapper Kassen ist eine erzwungene Gebührenerhöhung das falsche Signal", erklärte der CSU-Mann.
Söder, der in der Vergangenheit, wie auch andere Politiker, mit seinem sagenhaften Unwissen über die Programme der Öffentlich-Rechtlichen glänzte, steht damit ein weiteres Mal auf der falschen Seite. Tatsächlich führen er und andere Politiker immer wieder die angeblich fehlende Akzeptanz der Bevölkerung gegen eine Beitragserhöhung ins Feld. Für mich ist es jedoch zweitrangig, ob ich 58 Cent mehr oder weniger im Monat zahlen muss. Ich hätte gerne eine Politik, die sich an die Verfahren hält, die sie sich selbst auferlegt hat. Und die auch vom Bundesverfassungsgericht so bestätigt sind.
Das alles ist in erster Linie kein Dilemma für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern für die Politik, die ihre Unfähigkeit ein ums andere Mal auf einer ganz großen Bühne präsentiert hat - dadurch geht natürlich Vertrauen verloren. Aber nicht in ARD und ZDF, sondern in die handelnden politischen Akteure, was langfristig gesehen für die Demokratie nicht gut sein kann.
Seltsames Timing der Öffentlich-Rechtlichen
ARD und ZDF haben aber natürlich trotzdem ihren Anteil an der aktuellen Situation. Durch ihr seltsames Timing, die Verfassungsbeschwerde vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz anzukündigen, sorgen die Anstalten dafür, dass sich Politiker jetzt als Opfer eines vermeintlich gierigen Systems inszenieren können. Sollten die Verhandlungen über einen neuen Finanzierungsmechanismus scheitern, wären möglicherweise auch die vor wenigen Wochen vorgestellten Reformen Makulatur, weil einige Länder nur ein Gesamtpaket verabschieden wollen.
Die Politik würde den Schwarzen Peter in einem solchen Szenario den Öffentlich-Rechtlichen zuschieben. Hier gebe es ein System, das nicht reformwillig sei, wird es dann heißen. Ein System, das immer mehr will und die eigenen Pfründe auf Gedeih und Verderb verteidigt. Aber noch einmal: KEF-Empfehlung für 2025-2028, die bereits beschlossenen Reformen und der neue, angedachte Finanzierungsmechanismus haben nichts miteinander zu tun. Die Politik kann das alles beschließen, wenn sie sich einigt. Dann hätte man zumindest für die Zukunft Planungssicherheit und könnte sich aus dem Teufelskreis von Beschuldigungen und Verfassungsbruch befreien.
Bis es soweit ist, gilt: Liebe Politikerinnen und Politiker, macht endlich eure Arbeit! Grenzt den Auftrag ein, wenn ihr das wollt, und bringt ein neues Finanzierungsverfahren auf den Weg, wenn euch das alte stört. Aber bitte hört auf, die Schuld bei den Öffentlich-Rechtlichen zu suchen, wenn es ganz klar ihr seid, die für Veränderungen sorgen müssen. Und im besten Falle haltet ihr euch in der Zukunft auch an die Verfahren und Gesetze, die ihr selbst beschlossen habt. Dann wären ARD und ZDF nicht mehr gezwungen, nach Karlsruhe zu gehen. Dabei seht nämlich vor allem ihr jedes Mal ziemlich schlecht aus.