Als es vorbei ist, kann man Donna (Lia von Blarer) die Erleichterung ansehen. Ihr One-Night-Stand Pascal (Lukas T. Sperber) ist gerade ungelenk und laut stöhnend auf ihr herumgerutscht, doch der eigentliche Höhepunkt folgt erst danach. Pascal stellt sich nämlich als Pick-Up-Artist heraus. Als solcher hat er es sich zum Ziel gemacht, mit möglichst vielen Frauen zu schlafen. Und zum Beweis startet er noch im Zimmer von Donna einen Livestream, was wiederum die weibliche Hauptfigur der ARD-Serie "Bad Influencer" zur Höchstform auflaufen lässt. 

Mit einem beherzten Tritt in die Weichteile des Ober-Machos wird sie selbst zu einem Internet-Star - erst nur widerwillig, dann aber mehr und mehr selbstbestimmt. Und weil Donna keine zurückhaltende Frau ist, macht sie Pascal direkt eine öffentliche Ansage: Innerhalb von vier Wochen will sie mehr Follower als er haben - also 1,5 Millionen. Mit Freundin Milou (Salome Kießling) und Ex-Freund bzw. Manager Rico (Nils Hohenhövel) navigiert sie fortan durch den Social-Media-Dschungel. 

Die Debütserie der beiden Regisseurinnen Lilli Tautfest und Melanie Waelde will mit "satirischem Zugriff" in die Welt der Influencerinnen und Influencer eintauchen und diese dekonstruieren. Das klingt anspruchsvoll und hätte schnell cringe werden können. Soweit ist es glücklicherweise nicht gekommen, allerdings erreicht "Bad Influencer" das erklärte Ziel nicht immer. 

Satirische Überzeichnung gelingt nicht

So sind Charaktere und Handlungen in weiten Teilen stark überzeichnet, was ein wenig schade ist, denn eigentlich ist die Welt der Influencerinnen und Influencer schon so verrückt-kaputt, dass man sie nicht noch hätte extremer zeichnen müssen. Da sitzen im Gym etwa alle Menschen an ihren Geräten und reden gleichzeitig in ihr Smartphone. Eine Beauty-Influencerin bricht beim gemeinsamen Videodreh in Tränen aus und will selbst dabei Produkte verkaufen. Und schon die erste Szene, in der Donna von Pascal gedemütigt wird, ist in ihrer Intensität gnadenlos drüber. 

In der Folge muss Donna noch weitere Demütigungen über sich ergehen lassen, etwa im Restaurant, in dem sie arbeitet. Dass sie sich gegen eine Gruppe Männer wehrt, die sie am Arbeitsplatz belästigen, kostet sie ihren Job. Und natürlich wird sie auch auf offener Straße immer sofort erkannt - und gefilmt, weil alle den nächsten Wutausbruch der "Femi-Fotze", wie sie von Pascal genannt wurde, erwarten.

Für den Pick-Up-Artist haben sich die Autorinnen Anika Soisson und Lilli Tautfest etwas ganz besonderes überlegt. Ohne zu viel zu verraten: Er erlebt im Verlauf der acht Folgen eine mittelschwere Wandlung, die oft schwerlichst nachzuvollziehen ist. Stringenter ist da schon die Figur Donna, die von Lia von Blarer maximal authentisch verkörpert wird. Ihr nimmt man die innere Wut in jeder Sekunde ab und auch die Zerrissenheit, die sie erlebt, wenn es darum geht, sich den Gesetzen von Social Media zu unterwerfen, um Follower zu sammeln. 

Ich habe heute leider kein Abo für dich

Donna ist einerseits selbstbewusst und feministisch, dann aber auch wieder unsicher. Auf ihrer Reise an die Spitze der Social-Media-Charts lernt sie viel über sich - und noch mehr über andere Menschen und die Erwartungshaltung von Fremden an sie. Erstaunlich ist trotzdem, mit welcher Leichtigkeit die Serie über einige ziemlich ernste Probleme aus der Social-Media-Welt hinwegsieht. Doxing? Das bedeutet bei "Bad Influencer" höchstens: Unternehmen schicken gratis Champagner und ein verrückter Typ beschmiert die Hauswand (und wird dann sogleich vertrieben). Das hätte ernster angegangen werden müssen

"Bad Influencer" ist so vor allem eins: Ziemlich gute Werbung in eigener Sache für Lia von Blarer. Sie ist der Star einer Serie, die einige Schwächen aufzuweisen hat. Vor allem scheitert die Produktion von IT Media Medienproduktion und Tellux next dabei, die überdrehte Influencer-Welt satirisch aufs Korn zu nehmen - das ist zugegebenermaßen aber auch eine große Herausforderung. Immerhin ist es nicht so cringe, wie man das befürchten musste, als nur die Beschreibung der Serie vorlag. 

Insofern ein klassischer Fall von: War irgendwie ganz okay, aber ein Abo lass’ ich nicht da!

"Bad Influencer" steht ab sofort in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. Am 15. November erfolgt die Ausstrahlung ab Mitternacht im SWR Fernsehen.