Manchmal reichen schon vermeintlich einfache Ideen, um das Fernsehen nachhaltig zu prägen. Das war vor mehr als 20 Jahren so, als John de Mol plötzlich die Idee hatte, völlig fremde Menschen zusammen in einen Container einzusperren und sie fortan mit Kameras beobachten zu lassen. Unterschiedliche Bereiche, ein ganzes Dorf oder ein Promi-Ableger - "Big Brother" hat seit damals etliche Abzweigungen genommen. Nur auf eine Idee ist bislang niemand gekommen: Einfach mal das Licht ausschalten. 

Das übernimmt nun Bildergarten Entertainment, das für Prime Video das neue "Licht aus" produziert hat, eine lokale Adaption des britischen "Scared of the Dark" von Channel 4. Das Konzept ist - wie damals bei "Big Brother" - erschreckend einleuchtend. Acht Promis werden in eine Art Container gesperrt, um dort sechs Tage lang zu leben - allerdings völlig ohne Licht. Zwischendurch gibt’s kleinere Spiele und Herausforderungen, durch die man sich ein paar Minuten Zeit im Lichtzimmer erspielen kann. 

Und so treffen sich in dem Format nun Sänger Pietro Lombardi, Moderatorin Jeannine Michaelsen, Comedian Timur Turga, Moderator Jochen Schropp, Schauspielerin Luna Schweiger, Comedian Negah Amiri, Model Gloria Burkandt sowie Schauspieler Gedeon Burkhard - wobei sich einige untereinander ohnehin schon besser zu kennen scheinen. Das ist aber kein Problem, denn es geht allen gleich: Niemand kann etwas sehen. 

Da ist es durchaus unterhaltsam zu sehen, wie die Promis ihr Zuhause auf Zeit erkunden und dabei sehr vorsichtig sind, um nicht unerwartet irgendwo gegenzustoßen. Pietro Lombardi hat sich dafür extra einen Handbesen mitgenommen, aber auch der kann nicht verhindern, dass sich der Sänger später noch leicht verletzen wird. Und auch nach mehreren Tagen in Dunkelheit kommen die Promis immer wieder durcheinander und legen sich beispielsweise ins falsche Bett, was für große Lacher in der Runde sorgt. 

Licht aus © Prime Video Moderator Steven Gätjen und Psychologin Sandra Sangsari beobachten das Geschehen aus der Regie, sind in dieser Form aber allenfalls Beiwerk.

Auch der Cast ist clever gewählt. Dass Pietro Lombardi zuletzt eher Negativschlagzeilen verursachte, ist nicht die Schuld von Prime Video. In "Licht aus" steht er jedenfalls immer wieder im Mittelpunkt. Noch mehr aber trifft das auf Gloria Burkandt zu, die nicht nur Model ist, sondern auch Tochter von Markus Söder. Darauf will sie aber keinesfalls reduziert werden, weshalb sie es clevererweise gleich mehrmals von sich aus ins Gespräch bringt. Später hat sie noch einen kleinen mentalen Breakdown, außerdem schätzt sie ihre eigene Bekanntheit ganz anders ein als ihre Promi-Mitbewohner (nämlich höher) und als sie Jochen Schropp die Toilette zeigen will, führt sie ihn in die Küche. Keine Frage: Hier ist realitytechnisch für andere Formate noch einiges drin. 

Erfrischend: Es gibt kein Ziel

Und auch sonst wird es in der Dunkelheit nicht langweilig: Da platziert die Produktion kurzerhand neue Gegenstände im Raum, was für viel Verwirrung sorgt, und auch das Essen ist immer ein großer Spaß. Etwa da, als bei der Tablettübergabe alles auf den Boden fällt. Und als die Promis nach der Reinigung ziemlich stolz sind, kann man sehen: Das meiste Essen liegt immer noch am Boden. Und natürlich rennen die Promis auch ständig gegen irgendwelche Gegenstände. 

Moderator Steven Gätjen verfolgt das Geschehen in einer Art Regie-Raum mit Psychologin Sandra Sangsari, der jetzt aber eher keine relevante Rolle zugute kommt. Gätjen dagegen macht sich oft ein Spaß aus der Sache und erschreckt die Promis immer mal wieder, sei es bei Herausforderungen oder im Wohnbereich. Dabei drückt "Licht aus" immer wieder auf die Tube, sodass die jeweils rund 30-minütigen Folgen wie im Flug vergehen. 

Sympathisch auch: Es gibt überhaupt kein richtiges Ziel. Am Ende wird unter den Promis zwar der "wertvollste Spieler" ausgewählt, aber das hat eher symbolischen Charakter. Insofern gibt’s auch keine Streitereien, Nominierungen oder den Kampf um Sendezeit. "Licht aus" ist ein durch und durch positives Format. Dass die Promis zur Belohnung im Lichtzimmer Botschaften ihrer Liebsten erhalten, ist angesichts der Kürze des Projekts vielleicht etwas zu durchsichtig. Einfache Emotionen erzeugt man damit jedenfalls. 

Selbstverständlich gelebte Inklusion

"Licht aus" gelingt aber auch etwas, worin vor allem internationale Reality- oder Spielshows ziemlich gut sind: Selbstverständlich gelebte Inklusion. Mit Timur Turga gehört auch ein Promi zum Cast, der fast blind ist. Das ist, angesichts des Experiments, natürlich auch ein Thema in den Gesprächen der Promis. Allerdings ist er oft auch einfach nur ein ganz normaler Teil der Gruppe, dem es so geht wie allen anderen: Er kann nichts sehen. 

Prime Video hat mit "Licht aus" die Ursprungsidee von "Big Brother" clever weiter gedreht - und das mit einer fast schon erschreckend einfachen Idee. Nun wird die neue Show auf der Streamingplattform nicht den gleichen Impact haben wie der Große Bruder vor mehr als 20 Jahren. Für ein paar wenige unterhaltsame Stunden reicht es aber allemal. 

"Licht aus" steht ab sofort bei Prime Video zum Abruf bereit.