Das Vorhaben wurde im Verlauf der Zeit bereits abgeschwächt, sah aber auch zuletzt noch umfangreiche Werbeverbote vor, nicht zuletzt für entsprechende Produkte im Fernsehen. Vermarkter, Verbände und Sendervertreter äußerten immer wieder ihre Ablehnung rund um das Vorhaben. Und tatsächlich ist in den zurückliegenden zwei Jahren nur sehr wenig vorangegangen. Innerhalb der Ampel-Regierung hatte die FDP große Probleme mit dem geplanten Gesetz und auch bei der SPD trieb man es nicht offensiv voran, stattdessen gab es auch von den Sozialdemokraten Kritik.
Durch das Aus der Ampel-Regierung ist auch das Vorhaben von Cem Özdemir vorerst gescheitert - endgültig vom Tisch ist es aber natürlich nicht. Ob das Gesetz aber eine Zukunft hat, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Bundestagswahl am 23. Februar ausgeht. Die einzige Partei, die das Vorhaben weiterhin aktiv vorantreibt, ist wenig überraschend Bündnis 90/Die Grünen. Im Wahlprogramm heißt es: "Außerdem werden wir Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel schützen und Geschmacksaromen für E-Zigaretten, die besonders junge Menschen zum Konsum verleiten, vom Markt verbannen."
Grüne: Selbstverpflichtungen haben nichts gebracht
Gegenüber DWDL.de heißt es von den Grünen, die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Branchen hätten bislang nicht dazu geführt, "dass Kinder effektiv vor Werbung für Lebensmittel mit sehr hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt geschützt werden". Außerdem verweist die Partei darauf, dass sich die Verbraucherschutzministerkonferenz bereits 2022 für ein Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel, die nicht dem WHO-Nährwertprofil-Modell entsprechen, ausgesprochen habe.
Für wie realistisch die Grünen eine tatsächliche Umsetzung des Vorhabens halten, wollen sie gegenüber DWDL.de nicht sagen. Vielleicht aus gutem Grund: Alle anderen Parteien gehen das Thema nämlich nicht nur weniger offensiv an, sie lehnen es meist auch ab. Allen voran die FDP, deren Haltung nach dem Ampel-Aus inzwischen auch sehr klar formuliert wird. "Unverhältnismäßige Eingriffe in Rezepturen lehnen wir ab, ebenso wie Werbeverbote für erlaubte Produkte", heißt es in einem Beschluss des Bundesvorstands aus dem Januar.
Union, FDP und AfD gegen Werbeverbot
Auch mit CDU/CSU ist ein Verbot für ungesunde Lebensmittel wohl eher nicht zu machen. Im Wahlprogramm bekennt sich die Union zum dualen Mediensystem und hält fest, dass private Medien Werbeeinnahmen bräuchten. Und weiter: "Wir setzen auf Ernährungsbildung und gute Information, aber nicht auf unwirksame Werbeverbote oder Lenkungssteuern." Und die AfD teilt auf DWDL.de-Anfrage mit: "Pauschale Werbeverbote für vermeintlich ungesunde Lebensmittel, wie sie von der scheidenden Ampelregierung ins Spiel gebracht wurde, lehnen wir [...] ab. Nach wie vor ist es eine Entscheidung des freien Marktes und des Verbrauchers, welche Produkte präferiert werden."
SPD will sich noch nicht festlegen
Einzig die SPD will sich im Gegensatz zu den anderen Parteien nicht klar positionieren. Das ist vor allem deshalb spannend, weil sie schon in Zeiten der Ampel-Regierung nicht gerade als Treiber des Werbeverbot-Gesetzes galt. Im Wahlprogramm schreiben die Sozialdemokraten: "Wir wollen strengere Regulierungen, Werbebeschränkungen und Altersgrenzen für EnergyDrinks, Alkohol, Einweg-Zigaretten und neuartige Nikotinprodukte." Gleichzeitig wolle man private Medienunternehmen durch "gute regulatorische und ordnungspolitische Rahmenbedingungen" unterstützen.
Bei der SPD will man Werbebeschränkungen also vor allem für EnergyDrinks, Alkohol, Einweg-Zigaretten und neuartige Nikotinprodukte. Wie man zum von Özdemir vorangetriebenen Plan, Werbung für ungesunde Lebensmittel stark einzuschränken, steht, sagt man aber auch auf Nachfrage nicht. Und auch wie die Werbebeschränkungen für die genannten Produkte genau aussehen könnten, ist unklar. Gegenüber DWDL.de teilt ein SPD-Sprecher mit: "Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Von ihrer gesunden Ernährung hängen individuelle Lebensfreude und Zufriedenheit ab und damit ihr Erfolg im Leben. Die SPD wird nicht die Gesundheit unserer Kinder auf der einen Seite gegen die optimierten Erlöse von Medienunternehmen auf der anderen Seite abwägen. Ein gesundheitsfördernder Lebensstil beginnt in jungen Jahren und wir werden in der kommenden Regierung vereinbaren, welche politischen Instrumente uns am besten zu diesem Ziel führen."
"Die SPD wird nicht die Gesundheit unserer Kinder auf der einen Seite gegen die optimierten Erlöse von Medienunternehmen auf der anderen Seite abwägen."
SPD-Sprecher
Am ehesten könnten die Grünen ihre Pläne in einer neuen Bundesregierung wohl mit der SPD umsetzen. Da diese beiden Parteien nach aktuellen Umfragen aber nicht zusammen auf eine Mehrheit kommen, müssten sie sich auf Kompromisse einlassen. Welche das sein könnten, darüber ist es aktuell noch zu früh zu spekulieren. Fest steht: In der Frage nach einem möglichen Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel haben sich bis auf die SPD alle Parteien sehr klar positioniert.
Werberanking: Dschungel pusht RUF
Auch in der vergangenen Woche hat die Ferrero-Marke Kinder die höchste Bruttoreichweite im Werberanking erzielt. Etwas mehr als 1.500 Spots sorgten für 1.354 XRP, schon in der vergangenen Woche lag Kinder mit Abstand auf Platz eins des Werberankings (DWDL.de berichtete). Damals war der Abstand zu Platz zwei aber noch wesentlich größer: Shop-Apotheke lag in der vergangenen Woche mit 1.189 XRP recht knapp dahinter, dafür warb man aber auch rund 400 Mal häufiger in den Werbeblöcken der TV-Sender.
Spannend ist aber auch ein Blick auf die Marken, die in der zurückliegenden Woche im Rahmen des Dschungelcamps sehr präsent waren. Diese schafften mit teils nur wenigen Spots bzw. Sponsoring-Hinweisen gigantische Reichweiten. 55 kurze Spots waren beispielsweise von der RUF Lebensmittelwerke KG zu sehen, das Unternehmen agiert mit seinen Tassenpuddings und HappyCakes als Co-Sponsoring-Partner des Dschungels. Damit brachte man es auf 371 XRP - ein exorbitant starkes Spot/Reichweiten-Verhältnis, wobei hier nicht klar ist, wie viel RUF für die prominenten Platzierungen zahlt. All Eyes on Screens weist für die 55 Spots Brutto-Werbespendings in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro aus. Durch Rabatte und andere Aktionen ist dieser Betrag in der Realität wohl niedriger.
Das Werberanking kurz erklärt
All Eyes On Screens (früher: AdScanner) stellt für das Ranking eine Liste aller in der vergangenen Woche im deutschen TV ausgestrahlten Werbespots zusammen und ermittelt für diese die in Summe erzielte Reichweite in den gemessenen Vodafone-Haushalten. Da hier die sekundengenaue Reichweite statt der bislang branchenüblichen Werbeinselreichweite als Grundlage dient, spricht All Eyes On Screens von XRP (Exact Rating Points). Da es sich um Brutto-Reichweiten handelt, werden dafür die Einzel-Reichweite jeder Ausstrahlung aufaddiert. Zur Veranschaulichung: Läuft ein Spot zehn Mal und erreicht dabei jeweils fünf Prozent der gemessenen Vodafone-Haushalte, ergibt das für die gesamte Woche 50 XRP - auch wenn es immer die gleichen fünf Prozent gewesen wären.