Wenn in den zurückliegenden Monaten über die Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio diskutiert wurde, war auch immer wieder die Rede von einem Sondergutachten der KEF. Die unabhängige Kommission sollte eine Reihe von Reformmaßnahmen für die Politik bewerten und aufzeigen, wie hoch mögliche Einsparungen wären, sollten diese umgesetzt werden. Und natürlich: Welchen Einfluss das auf den Rundfunkbeitrag hätte. Die Rede war von Preisschildern für verschiedene Reformvorhaben. 

Weil das KEF-Sondergutachten aber auf sich warten ließ, wurden die vier anderen Säulen des sogenannten Reformstaatsvertrags Ende September gesondert zur öffentlichen Anhörung gestellt. Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag fehlt - eben weil das Sondergutachten der KEF noch nicht vorlag. Das hat sich mittlerweile geändert: Für alle Interessierten ist das 80-seitige Gutachten mittlerweile veröffentlicht worden. Nur: Die Klarheit, die sich die Politik davon erhoffte, liefert es nicht. 

"Zu finanziellen Auswirkungen einzelner Reformansätze äußert sich die Kommission nur, wenn diese verlässlich und nachprüfbar zu beziffern sind", heißt es gleich zu Beginn in den Vorbemerkungen des Berichts. Und tatsächlich gibt es, das ist eher ungewöhnlich für die Zahlen-Spezialisten der KEF, wenige konkrete Zahlen zu Einsparungen und Beitragsreduktionen - geschweige denn konkrete Preisschilder. Auf die Frage, welche finanziellen Auswirkungen eine vollständige Nutzung der Möglichkeiten der Flexibilisierung des Dritten Medienänderungsstaatsvertrages hätte, heißt es von der KEF: "Das Einsparpotenzial hängt stark von der konkreten Ausgestaltung der Flexibilisierungsmaßnahmen ab, welche in großer Variationsbreite möglich wären".

Auch bei anderen Fragestellungen fehlen konkrete Angaben zu möglichen Einsparungen bzw. Auswirkungen auf den Rundfunkbeitrag, weil sie schlicht nicht seriös abzuschätzen sind. Auf die konkrete Frage nach Einsparungen bei weniger als bislang beauftragten Programmen, rechnet die KEF vor, dass bei der Einstellung bestimmter Programme die Selbstkosten der Partner- und Spartenprogramme nur langfristig abbaubar seien. "Zum anderen sind in den Selbstkosten fixe Gemeinkosten enthalten, die als Umlagen verrechnet werden und nicht proportional abbaubar sind." Ein konkretes Einsparpotenzial für die nächste Beitragsperiode (2025 bis 2028) sieht man hier nicht. 

"Gestaltungsspielraum" bei Sportrechten

Bei der Frage nach den Auswirkungen auf die Kooperationsverpflichtung merkt die KEF unter anderem an, dass vor allem Übernahmen von ganzen Sendungen zu Einsparungen führen könnten. Eine Erhöhung der jährlichen Personalabbau-Rate in Höhe von 0,5 Prozent empfiehlt die KEF ausdrücklich nicht. Das sei nur möglich, wenn sich der Auftrag deutlich verändere. 

Und bei den Sportrechten weist die KEF darauf hin, dass bei einer größeren Streichung nach Angaben der Anstalten damit zu rechnen sei, dass Einnahmen durch weniger Werbegelder fehlen - und sich eine Reduktion dieser Kosten auch nicht 1:1 in den Etats niederschlagen würde. Schließlich müssen ARD und ZDF Alternativ-Programm produzieren, sollten sie für bestimmte Sport-Events keine Rechte mehr erwerben. Wie teuer dieses Programm dann wäre, sei aber nicht seriös zu beziffern - sagen ARD und ZDF. 

Dennoch spricht die KEF im Sondergutachten von "Gestaltungsspielraum", der sich bei einem Sportrechtebudget in Höhe von 1,674 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2024 ergebe. Spannend ist auch diese Zahl: 65,2 Prozent des gesamten Budgets für Sportrechte gaben ARD und ZDF in der laufenden Beitragsperiode für Fußballübertragungen aus, in den restlichen 34,8 Prozent sind auch die Olympia-Rechte enthalten. 

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Eine Ausnahme im Sondergutachten ist der Part, in dem es um die Programmverbreitung geht. "Einsparpotenzial sieht die Kommission hingegen in der seit langem geforderten Beendigung der parallelen terrestrischen Verbreitung von Hörfunkprogrammen (Simulcast) über UKW und DAB+", heißt es von der Kommission. Und hier gibt es dann sogar ein Preisschild - sogar ein doppeltes. So könnten rund 100 Millionen Euro pro Beitragsperiode gespart werden, sollte der Simulcastbetrieb beendet werden. Dagegen fallen ab 2029 aber wohl zusätzlich 60 Millionen Euro an, sollte an der UKW-Verbreitung festgehalten werden. Dieses Geld bräuchte die ARD dann, um Sendetechnik erneuern. 

Während eine so klare Einschätzung die Ausnahme bleibt und die KEF an vielen Stellen in ihrem Sondergutachten deutlich weniger konkret wird als von der Politik erhofft, gibt die Kommission Klarheit - auch in Bezug auf eine mögliche, schnelle Reduktion des Rundfunkbeitrags - in einem anderen Punkt. Mit einer Neuzuordnung der sogenannten "beitragsfernen Leistungen" etwa könnten die Länder für "deutliche Entlastungen" bei den Beitragszahlenden sorgen - und das unabhängig vom Beitragsfestsetzungsverfahren. 

Rundfunkbeitrag könnte sofort sinken, wenn...

Die KEF rechnet vor: 1,87 Euro Beitragssenkung wären drin, sollten die Länder sich auf eine Neuverteilung dieser "beitragsfernen Leistungen" einigen. Mit diesem Geld werden etwa die Landesmedienanstalten und die Klangkörper, aber auch die Befreiungen für den Rundfunkbeitrag finanziert. Die Crux aus Sicht der Politik: Sie müsste dieses Geld dann wohl aus anderen Töpfen abzweigen, es wären keine echten Einsparungen, obwohl der Rundfunkbeitrag dadurch sehr deutlich sinken würde. Für die Politik ist das also eine wenig attraktive Möglichkeit. Und dennoch verweist die KEF auf die Tatsache, dass Änderungen bei den beitragsfernen Leistungen sofort umsetzbar wären - und dementsprechend einen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des Rundfunkbeitrags hätten.

Das Sondergutachten dürfe nun nicht das "regelhafte Beitragssetzungsverfahren stören oder beeinflussen", schreibt die KEF in ihrem Bemerkungen zum Bericht. Dass dieses Verfahren längst gescheitert ist, weil die aktuelle KEF-Empfehlung (Anhebung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent ab 2025) schon wieder nicht rechtzeitig umgesetzt wird, gehört freilich ebenso zur Wahrheit. 

Im Sondergutachten verweist die KEF dann auch noch einmal darauf, dass das Gutachten keine Grundlage für die kommende Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten zum kommenden 25. KEF-Bericht ist. "Maßgeblich für diese ist nur der zu diesem Zeitpunkt gesetzlich geltende Programmauftrag unter den dann bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen." Da die Anforderungsschreiben an die Anstalten noch in diesem Jahr verschickt werden, ist hier mit wenigen Veränderungen zu rechnen. Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission, hatte zuletzt im Interview mit DWDL.de aber von einem neu entwickelten Verfahren berichtet, das vorsieht, dass die Anstalten zusätzlich anmelden, wie ihr Bedarf wäre, wenn die Reformen kommen würden. 

Mittel- und langfristige Einsparpotenziale

Ob die angedachten Reformen tatsächlich so kommen wie jetzt besprochen, muss sich erst noch zeigen. Die öffentliche Anhörung in Sachen Reformstaatsvertrag läuft nur noch bis Ende dieser Woche, noch im Oktober sollen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten den dann finalen Vorschlag abnicken. Anschließend muss er noch (inklusive der KEF-Empfehlung eines höheren Rundfunkbeitrags) von allen 16 Landesparlamenten beschlossen werden, Änderungen sind dann aber nicht mehr möglich. 

Durch den KEF-Sonderbericht ist es nun noch einmal ein wenig unwahrscheinlicher geworden, dass alle Parlamente ihre Zustimmung geben. Gerade aus den Ländern war ja immer wieder die Forderung nach den sogenannten Preisschildern für bestimmte Reformvorhaben gekommen. Nun ist die KEF sehr klar und formuliert: "Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Rundfunkanstalten aus der Umsetzung der im Fragenkatalog angesprochenen Reformansätze und Auftragsanpassungen für 2025 bis 2028 keine wesentlichen Einsparpotenziale [...] realisieren können." Keine Preisschilder also, zumindest nicht kurzfristig.

Mittel- und langfristig stünden dem Gesetzgeber aber "zahlreiche Handlungsfelder" offen, die "erhebliche beitragsrelevante Einsparpotenziale erwarten lassen" - beispielsweise bei der Ausgestaltung des Programmauftrags, der Beendigung des Simulcastbetriebs im Radio oder auch Standortfragen und den damit verbundenen Immobilienkosten.