Der ganze Prozess ist schon zu Beginn zeitlich ambitioniert gewesen: In den zurückliegenden Wochen und Monaten haben die Bundesländer im Rahmen der Rundfunkkommission in einem Kraftakt einen Entwurf zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erarbeitet. Ende September wurden die Vorschläge zur öffentlichen Anhörung gestellt - die endet nun schon am 11. Oktober. Die Einlassungen von Verbänden, Organisationen, Sendern und anderen Institutionen sollen in die weiteren Beratungen der Politik mitgenommen werden, um dort dann gegebenenfalls noch Eingang in das Reformprojekt zu finden. 

Doch was sagt die Branche zu den weitreichenden Veränderungen, die die Politik bei ARD, ZDF und Deutschlandradio durchsetzen will? Zuletzt standen vor allem die Streichungen von Sendern bzw. deren Zusammenlegung im Zentrum der öffentlichen Debatte. Gegen das mögliche Aus von 3sat in der bisherigen Form hat sich breiter Widerstand formiert und auch aus den Sendern hörte man ablehnende Worte, wenn es um die Streichung linearer Kanäle ging. 

Und dann waren da ja noch diverse Verbände, die öffentlichkeitswirksam und im ureigensten Interesse forderten, dass künftig mehr als 50 Prozent der Beitragseinnahmen ins Programm fließen sollen - staatsvertraglich geregelt. Das sorgte aber teilweise für den falschen Eindruck, bei den Öffentlich-Rechtlichen würde aktuell mehr als die Hälfte der Einnahmen in Altersvorsorge, Luxus-Möbel oder die Instandhaltung von Faxgeräten versickern. So einfach ist es natürlich nicht: Die KEF unterscheidet in ihren Berechnungen zwar stets zwischen Programm- und Personalaufwand. Im Programmaufwand stecken aber vor allem solche Kosten, die die Anstalten in den Ankauf fertiger Produktionen oder auch die Erstellung von Koproduktionen und Auftragsproduktionen stecken. Hinter dem Personalaufwand stecken viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Anstalten - und die machen ebenso Programm. 

DWDL.de hat sich umgehört - bei den Anstalten, aber auch bei diversen Verbänden. Wie stehen sie generell zur geplanten Rundfunkreform und wo sehen sie noch Nachholbedarf seitens der Politik? 

VAUNET

VAUNET © VAUNET
Der Privatsenderverband VAUNET lobt gegenüber DWDL.de grundsätzlich, dass sich die Politik in dem Reformentwurf mit fast allen Punkten beschäftigt, die dem Verband auf dem Herzen liegen. So begrüßt man die geplante Deckelung der Sportrechtekosten, hier fordert man aber eine klare Grenze - und keine allgemeine Formulierung, bei der es dann Interpretationsspielraum geben könnte. "Die Bezifferung müsste so ausfallen, dass es tatsächlich zu einer Reduzierung der Ausgaben kommt und nicht nur der Status quo festgeschrieben wird", heißt es vom Verband. 

Darüber hinaus lobt der VAUNET die geplante Reduzierung des Angebots in Form von Streichungen (Linear + online), will aber, dass hier tatsächliche Streichungen stattfinden - und nicht nur Flexibilisierungen und damit ein Umschichten der Gelder. Außerdem fordert man gleichzeitig eine quantitativ geregelte Begrenzung der Telemedienangebote sowie "medienstaatsvertragliche Auftrags-Leitplanken" bei den bestehenden Programmen. Hier sei vor allem darauf zu achten, dass die Angebote nicht die privaten Sender gefährden. Eingestellt werden sollen nach dem VAUNET-Willen vor allem solche Sender (TV + Radio), "die sich nicht wesentlich von privaten Angeboten unterscheiden". 

Im Rahmen der Kooperationsverpflichtung will der Verband, dass die Anstalten ihre Inhalte auch privaten Anbietern zur Verfügung stellen. Kritik kommt vom VAUNET, weil ARD und ZDF auch weiterhin Werbung ausspielen dürfen. Weitergehende Regelungen zu den kommerziellen Töchtern von ARD und ZDF hält der Privatsenderverband für "unerlässlich". "Ein werbe- oder abofinanziertes Angebot von Rundfunk- und Telemedien im Rahmen kommerzieller Tätigkeiten der Tochtergesellschaften sollte unzulässig sein", heißt es. 

Auch die kostenpflichtigen Angebote ARD Plus und ZDF Select sind dem VAUNET ein Dorn im Auge. "Es kann nicht sein, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Freibrief dafür erteilt wird, über seine Tochterunternehmen ein paralleles Inhalte- Angebot - unter Nutzung der Marken der Rundfunkanstalten – ‘aufzuziehen’, welches sich kaum von den Geschäftsmodellen privater Medienanbieter unterscheidet und zusätzlich das Online-Werbeverbot umgeht." Hier habe man höhere Erwartungen an die Reform gehabt. Beunruhigt ist man außerdem über den verstärkten Regionalisierungsauftrag für die ARD-Anstalten. Hier sollten die Länder berücksichtigen, dass die private Vielfalt nicht gefährdet werde, so der VAUNET. 

Produktionsallianz

Björn Böhning © Produzentenallianz/Hans-Christian Plambeck Björn Böhning
Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz verweist in einem Statement gegenüber DWDL.de auf die bereits weiter oben erwähnte Forderung, die Öffentlich-Rechtlichen sollten mehr als 50 Prozent des Finanzaufkommens ins Programm investieren. Gleichzeitig sagt Böhning auch, der öffentlich-rechtliche Rundfunk brauche eine klare Perspektive - "finanziell wie organisatorisch". Deshalb sollten jetzt die weichen für eine moderne Struktur gelegt werden - "und gleichzeitig die von der KEF empfohlene Beitragsanpassung rasch vollzogen werden". 

Die KEF hatte empfohlen, den Rundfunkbeitrag ab 2025 um 58 Cent anzuheben. Daraus wird aber nichts, weil nicht alle Länder rechtzeitig zustimmen werden. Ziel der Rundfunkkommission ist es jetzt, bis Mitte des kommenden Jahres sämtliche Reformen - und dann auch die Beitragserhöhung - durch die 16 Landesparlamente beschließen zu lassen. Ob der Plan aufgeht, ist unklar - aber es gibt Zweifel. Positiv äußert sich Böhning über die Tatsache, dass die Sender anhand ihres Auftrags autonom bewerten sollen, welche (linearen) Programme sie brauchen. "Die reine quantitative Betrachtung der Spartenkanäle ist hierfür der falsche und viel zu grobschlächtige Weg. Klar ist: einige Spartenkanäle erfüllen auch für die Produzenten eine wichtige Funktion, die der nötigen Programmbeschaffung sehr dienlich ist."

Die geplante Reform nutzt Björn Böhning nun außerdem einmal mehr dafür, um das Thema Rechterückbehalt auf die Tagesordnung zu heben. Es ist für viele Produzentinnen und Produzenten ein Dauerthema. Rechte sollten nur in dem Umfang übertragen werden, in dem sie auch vom Sender genutzt werden. "Keine Aufträge ohne Rechteteilung und Rechterückfall, das muss die Leitlinie für alle Auftragsproduktionen werden. In jedem Falle ist ein zwingender Rechterückfall nach fünf Jahren grundsätzlich ebenso geboten wie eine Zweitverwertungsmöglichkeit für den Produzenten", so der Chef der Produktionsallianz. Wichtig sei auch, die Abhängigkeit des Vertriebs von großen US-amerikanischen Unternehmen zu reduzieren - deshalb fordert die Produktionsallianz, im krassen Gegensatz zum VAUNET, den Ausbau von ARD Plus und ZDF Select. 

BDZV

BDZV © BDZV
Auch für die Zeitungsbranche ist die Reform der Öffentlich-Rechtlichen von zentraler Bedeutung, gab es in den zurückliegenden Jahren doch immer wieder Ärger zwischen Verlagen und Anstalten wegen der Online-Angebote der Sender - Stichwort Presseähnlichkeit. Weil das vor einigen Jahren entwickelte Schlichtungsverfahren endgültig gescheitert ist, suchte der BDZV 2023 Hilfe bei der EU-Kommission, der BDZV-Unterverband VSZV (Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger) prozessiert gegen den SWR. Im aktuellen Staatsvertragsentwurf sollen die Grenzen, die ARD und ZDF online haben, enger gezogen werden. 

"Wir begrüßen, dass die Länder mit einem neuen Reformstaatsvertrag nun auch im Bereich der Textangebote eine klare Konkretisierung einführen wollen. Diese ist angesichts zahlreicher Textangebote der öffentlich-rechtlichen Sender, die die Refinanzierung von Presseangeboten schon jetzt beeinträchtigen, dringend geboten", heißt es vom BDZV gegenüber DWDL.de. Die bisherige Regelung habe ihren Zweck verfehlt. "Sie konnte gesetzlich nicht ausreichend klarstellen, dass öffentlich-rechtliche Presseersatz-Produkte vom Gesetzgeber und der Verfassung nicht vorgesehen sind." Und dennoch: Die nun im Reformstaatsvertrag enthaltenen Formulierungen gehen den Verlagen nicht weit genug. Beim BDZV glaubt man jedoch an eine "erfolgreiche Überarbeitung" und will sich dementsprechend in der öffentlichen Anhörung einbringen. 

Dass die Politik in dem Reformstaatsvertrag noch einmal die Aufgaben der ARD-Anstalten in der Regionalität unterstreicht und herausstellt, ist aus Sicht der Verlage offenbar kein Problem - anders als für den VAUNET. Gegenüber DWDL.de heißt es vom Verband, die Presselandschaft sei im Regionalen und Lokalen vielfältig und hochwertig. Der BDZV verweist lediglich darauf, dass hier die Online-Angebote der Anstalten mit einem hohen Textanteil ein Problem seien. 

ARD & ZDF

Das Erste & ZDF © ARD/ZDF
Sowohl ARD als auch das ZDF begrüßen nach eigenen Angaben, dass die Länder die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorantreiben - und dabei den Auftrag qualitativ stärken wollen. "Wir können nur so gut sein, wie unser gesetzlicher Auftrag, daher muss hier immer wieder draufgeschaut und diskutiert werden", sagt etwa SWR-Intendant Kai Gniffke, aktuell auch ARD-Vorsitzender. Und trotzdem haben die Anstalten Kritik an einigen geplanten Reformen bzw. konkreten Formulierungen - und werden im Änderungsprozess darauf drängen, dass diese Stellen noch geändert werden. 

Bei ihrer Kritik sind sich die Anstalten ziemlich einig. Dass bei den Online-Angeboten der Sendungsbezug gestärkt werden soll, kritisiert ARD-Vorsitzender Kai Gniffke scharf und sagt, man könne in einem solchen Fall selbst bei Breaking News nur Schlagzeilen liefern. "Wir wollen euch aber mit verlässlichen, aktuellen Informationen versorgen können - egal, ob ihr die ‘Tagesschau um 20 Uhr schaut oder euch online informiert", schreibt er bei LinkedIn. Das ZDF verweist darauf, dass das eigene Angebot bereits zuvor im Kern audiovisuell und nicht Gegenstand der Verlegerkritik gewesen sei. "Die jetzt bekanntgewordenen Formulierungen würden aber das Nachrichtenangebot stark einschränken. Im digitalen Zeitalter sind die Onlineangebote aller Mediengattungen längst multimedial geprägt", heißt es in einer Stellungnahme gegenüber DWDL.de. 

Kritik kommt ebenfalls an den geplanten Senderstreichungen. Das ZDF bezeichnet es als "problematisch", dass in politisch und gesellschaftlich unruhigen Zeiten darüber nachgedacht werde, "erfolgreiche und gesellschaftlich relevante Kanäle pauschal zu streichen". Man sei zu Reformen bereit, aber diese sollten sich an den Kriterien Programmqualität, Effizienz und Erfolg orientieren. Gniffke sagt, Einsparen durch bloßes Streichen sei keine Lösung. "Hinter jedem Sender und jeder Radio-Welle stehen Menschen, die genau dieses Programm schätzen. [...] Es muss sichergestellt sein, dass wir sie weiterhin mit ihren Themen und mit Blick auf ihre Regionen erreichen."

Zur geplanten Deckelung der Sportrechte verweist das ZDF auf die Tatsache, dass man sich bereits selbst verpflichtet habe, die entsprechenden Ausgaben bei 10 Prozent der Gesamtausgaben zu deckeln. Der Gesetzgeber will hier möglicherweise eine harte Grenze einführen (8 - 10 Prozent der Gesamtausgaben minus X, mehr dazu hier). Nach Angaben von Kai Gniffke habe die ARD ihren Etat für Sportrechte seit 2017 kontinuierlich gesenkt. Eine Regelung, die nur finanzielle Aspekte betrachtet, lehnt der ARD-Vorsitzende ab. "Denn gerade der Sport trägt dazu bei, dass Gemeinschaft wächst. Natürlich müssen die Kosten für Sportrechte verhältnismäßig sein, aber eine feste Obergrenze ist zu starr", so Gniffke. 

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