An 27 Drehtagen entstand der ARD-Fernsehfilm "Ein Mann seiner Klasse". Und an jedem der 27 Drehtage standen Bilder mit Christian, gespielt von Camille Loup Moltzen, auf dem Plan. Die Besonderheit: Der Schauspieler ist 2013 geboren und somit ein Kind. Für die produzierende Firma Saxonia Media und Produzentin Daniela Zentner waren somit weder die Dreh- noch die Vorbereitungsphase alltäglich. Schon das Casting sei "eine besondere Herausforderung" gewesen, berichtet sie. "Anfangs haben wir in der deutschen Kinderschauspiellandschaft nach einem passenden Darsteller gesucht, aber später auch im Raum Kaiserlautern und der Pfalz nach Talenten Ausschau gehalten. Uns allen war bewusst, dass mit der Besetzung des Jungen der Film steht und fällt. Der Film ist ja kein Kinderfilm ist und es werden häusliche Gewalt, Alkoholismus und Tod verhandelt. Das ist thematisch sehr komplex", berichtet Zentner.

Daniela Zentner © Saxonia Media / Markus Nass Daniela Zentner
Und entsprechend groß waren auch die Anforderungen an den Hauptdarsteller. In dem Film geht es um Christian, zehn Jahre alt, der – wie man wohl sagen würde – aus ziemlich prekären Verhältnissen kommt. Die eingetretene Wohnungstür im maroden Mietshaus, Hämatome am Rücken der Mutter und die Erfahrung von Hunger sind Alltag für das Kind. Dass Christian eine Gymnasialempfehlung erhält, ist unerwartet und löst Familienprobleme aus. Seine Mutter Mira will unbedingt, dass der begabte Sohn diese Chance nutzt und auf eine höhere Schule geht. Ottes ist strikt dagegen. Als Mira krank wird und stirbt, löst Miras Schwester Juli ihr Versprechen ein und übernimmt die Verantwortung für die Kinder – es ist ein Kampf gegen den Vater und gegen das Jugendamt, das Christians Weg an einer Hauptschule schon für vorgezeichnet hält.

Die innere Zerrissenheit von Christian - auf der einen Seite die grenzenlose Liebe zu seinem Vater, auf der anderen Seite das Erkennen seinen eigenen Weg zu gehen, sich zu emanzipieren – sei eine der Schwierigkeiten der Darstellung gewesen, sagt Zentner. Dafür müsse man die Rolle nicht nur verstehen, sondern auch spüren. Für die Figur hatte die Produktion in der Castingphase "recht schnell drei Jungs" zusammen – sie waren schließlich in der engen Auswahl. Im Zusammenspiel mit dem weiteren Cast habe sich dann ergeben, "dass Camille perfekt passt."

Kindercoachin am Set

Am Set hat sich unter anderem eine von seiner Mutter vorgeschlagene Kindercoachin, die er aus vorheriger Zusammenarbeit kannte, um den Heranwachsenden gekümmert – aber auch Regie und die Darsteller Svenja Jung, Leonard Kunz und Mercedes Müller. Auch für sie dürfte der Dreh mit einem so jungen Hauptdarsteller ungewöhnlich gewesen sein, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Regeln, die es zu beachten gilt und die auch Auswirkungen auf die konkrete Ausgestaltung des Filmes hatten. Bekanntlich ist die Arbeitszeit von Kindern am Set begrenzt. "Kinder dürfen insgesamt nur fünf Stunden täglich am Set sein und maximal drei Stunden drehen. Das war auch unsere Basis", sagt Zentner. Für die Rolle Christian gab es daher auch drei Double-Kinder. "Regisseur Marc Brummund und  Kameramann Matthias Bolliger haben sich besondere Auflösungen überlegt und umgesetzt", sagt Zentner.

Und schon vor dem Dreh wurde das Buch nochmals bearbeitet. Szenen wurden gestrichen und Tricks eingebaut. So kam auch die Dinomaske ins Spiel. Hat Christian diese auf, steckt ein Double-Kind drunter. Oder: "Wir haben Christian teils als Zuhörer in Räume ohne die Erwachsenen gesetzt. Beispiel: In der Szene beim Jugendamt wird Christian draußen von seiner Tante vor die Tür hingesetzt. Sie kämpft dann im Raum, wo die Tür offen steht, um seinen Gymnasiumsbesuch." Klar sei aber immer gewesen: Christians Perspektive soll im Zentrum des Films bleiben.

Ein Mann seiner Klasse © SWR/Saxonia Media/Daniel Dornhöfer Camille Loup Moltzen als Christian im Zusammenspiel mit Leonard Kunz (r.) als dessen Vater Ottes.
 

Spricht Zentner heute über die Entstehungsphase des 90-Minüters, dann redet sie von einer gleichermaßen schönen wie intensiven Phase. Das begann schon bei der Finanzierung. Nicht 20 oder 21 Drehtage waren nötig, sondern eben 27. "Jeder Drehtag bedeutet Kosten, weshalb dieser Film auch in puncto Finanzierung nicht ganz einfach war. Durch den SWR hatten wir schon den größten Anteil zusammen, dennoch keine geschlossene Finanzierung. Auch als wir dann die Förderung von der MFG Baden-Württemberg bekommen hatten und die Medienförderung Rheinland-Pfalz gesichert war, fehlte immer noch ein größerer Anteil, wodurch sich unser Dreh dann nochmal ein Jahr verschoben hatte", erinnert sich Zentner. Alles erledigt war in diesem Punkt erst, als der SWR noch den BR als Sendepartner gewonnen hatte.

Und selbst da blieb noch ein Risiko. "Wir sprechen von einem zehn Jahre alten Kind in einer Hauptrolle. Natürlich haben wir alles akribisch geplant und das bestmögliche Umfeld geschaffen", sagt Zentner, wohlwissen, dass Kinder Kinder seien und man von ihnen nicht die Voraussicht erwarten könne und dürfe, die bei Erwachsenen gelte. Am Ende hat's geklappt: "Es hätte nicht besser laufen können". Rundum gut ist es wohl, wenn das am Tag nach der Ausstrahlung auch auf die Quote zutrifft. Zumindest was den "echten Christian" angeht, war das wohl schon so. "Ein Mann seiner Klasse" ist ja ein autobiografischer Roman von Christian Baron, der als Journalist und Autor arbeitet. Für "Ein Mann seiner Klasse" hat er den Klaus-Michael-Kühne-Preis erhalten.

"Ein Mann seiner Klasse": Mittwoch, 20:15 Uhr, Das Erste