Genau acht Jahre liegt der Start von funk, dem digitalen Angebot, mit dem ARD und ZDF junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren erreichen sollen, inzwischen zurück. Wer damals volljährig war, rutscht also allmählich aus der Zielgruppe heraus – und nicht wenige, die die öffentlich-rechtlichen Videos auf Plattformen wie TikTok, YouTube, Instagram oder Spotify nutzen, sind es sogar bereits. Kein Wunder also, dass sich funk inmitten einer Phase der Neuaufstellung befindet, die sich auch in einer konkreten Zahl ausdrücken lässt: Seit 2023 hat funk mehr als die Hälfte seiner Formate beendet und durch neue ersetzt.

"Wir bedauern, dass wir viele Formate mit großen Reichweiten einstellen mussten, um Mittel für jüngere Zielgruppen freizumachen", sagt Programmgeschäftsführer Philipp Schild. "Umso größer ist die Freude, dass einige dieser Formate von ARD und ZDF übernommen werden konnten." Für die Zukunft sei "eine noch engere Zusammenarbeit mit den Sendeanstalten geplant, um diesen Übergang noch effizienter zu gestalten". Tatsächlich hat ein solcher Übergang nicht in allen Fällen geklappt. Eines der erfolgreichsten funk-Formate, die Webshow "World Wide Wohnzimmer" mit den Zwillingen Dennis und Benni Wolter, ist jüngst zu ProSiebenSat.1 gewechselt, wo der Streamingdienst Joyn inzwischen als neue Heimat dient.

"Wenn funk-Formate das Netzwerk verlassen, die funk teilweise mitentwickelt oder groß gemacht hat, weil sie aus der Zielgruppe 'herauswachsen', dann ist das natürlich schmerzhaft", räumt Co-Geschäftsführerin Kristin Blum sogleich gegenüber DWDL.de ein. Und Schild ergänzt: "Unsere Formatentwicklung ist ein dynamischer Prozess, unser Portfolio passen wir kontinuierlich an, entwickeln neue Inhalte und hinterfragen bestehende Konzepte." Deshalb sei es "unheimlich wichtig, loslassen zu können. Sonst würden wir das für die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen zur Verfügung stehende Budget in älteren Segmenten ausgeben. Und für die eh schon medial unterrepräsentierten Jüngeren bliebe weniger. Das wäre nicht fair. Und nicht auftragsgemäß."

Julia vs. Joey © funk Erfolgreicher Neustart: "Julia vs Joey" mit Julia Beautx und Joey’s Jungle.

Bei funk ist mit Blick auf das Abschneiden alter Zöpfe von einem "radikalen Schritt" die Rede und von einer Gesamtstrategie, die auf die Verjüngung der Nutzerschaft zielt. Zum achten Geburtstag hat funk jetzt Zahlen einer von SWR- und ZDF-Medienforschung beauftragten repräsentativen Online-Befragung veröffentlicht, die unterstreichen sollen, dass der eingeschlagene Kurs der richtige ist. Demnach kennen und nutzen 78 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Inhalte von funk, sechs Prozent mehr als im Vorjahr. In der Altersgruppe der Nutzerinnen und Nutzer zwischen 14 und 19 Jahren stieg die Zahl sogar um elf Prozentpunkte auf 79 Prozent.

"Es macht uns sehr glücklich, dass die Strategie zur Verjüngung des Portfolios messbar funktioniert hat. Wir sind erfolgreicher denn je", sagt Philipp Schild und verweist auf neue Unterhaltungsformate wie "Julia vs Joey" mit Julia Beautx und Joey’s Jungle. Die Videos der ersten Staffel hätten regelmäßig Aufrufzahlen in Millionenhöhe erreicht, sodass für 2025 bereits eine zweite Staffel geplant sei. Im Bereich der Information wiederum habe man in diesem Jahr einen Wissensbereich mit fünf Formaten aufgebaut, die unter anderem Content zu den Themenschwerpunkten Chemie, Physik oder Geschichte auf TikTok aufbereiten.

 

"Es ist nicht unser Auftrag, ein politisches Gegengewicht zu irgendwem zu bilden."
Philipp Schild

 

Dass bei so vielen Neustarts nicht jeder funktionierte, liegt auf der Hand. "Wir sind in einem sehr volatilen Marktumfeld unterwegs. Mediennutzungstrends, Konkurrenz-Angebote, generationenabhängige Themeninteressen – mit all dem müssen wir umgehen", betont der Programmgeschäftsführer. "Deshalb müssen wir viel ausprobieren. Einige Unsicherheiten können wir durch jahrelange Erfahrung einschätzen." Den Erfolg erklärt Philipp Schild nicht zuletzt mit einem klaren Steuerungsprinzip, wie er es nennt. "Wir beauftragen Formate mit einem definierten Zielgruppenfokus und immer mit einem Set an qualitativen und quantitativen Zielen. Diese werden in der Regel halbjährlich evaluiert. Und wenn wir nicht mehr daran glauben, dass wir die gesetzten Ziele erreichen, dann beenden wir Projekte wieder. Auch das ist wichtig, damit wir das Geld, das für die Zielgruppen zur Verfügung steht, letztlich in erfolgreiche Formate investieren." Am Ende, räumt Schild ein, gehöre "immer auch ein bisschen Glück dazu, ob man mit dem Angebot zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist".

Doch vor allem die Markenzugehörigkeit stelle funk aktuell noch vor eine Herausforderung, räumt Kristin Blum ein. Zwar kennen viele Jugendliche und junge Erwachsene mindestens ein funk-Format kennen, allerdings wissen sie nicht immer, dass diese zu funk gehören – ganz davon zu schweigen, dass funk zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehört. "Hier stehen Köpfe im Vordergrund und klassische Marken haben es schwer", sagt die stellvertretende Programmgeschäftsführerin zu DWDL.de. "Trotzdem nehmen wir uns dieser Herausforderung an, die Marke funk als Gesamtes noch mehr ins Bewusstsein der Zielgruppe zu rücken."

Ein Gegengewicht zur AfD?

Auch politisch hat sich in den zurückliegenden Jahren einiges verändert. Insbesondere auf TikTok kommt die junge Zielgruppe allerdings immer häufiger mit Inhalten der AfD in Kontakt – keine andere Partei ist auf dieser Plattform so stark vertreten. Kann es funk also gelingen, mit journalistischen Inhalten ein Gegengewicht zu setzen? Philipp Schild wiegelt ab. "Es ist nicht unser Auftrag, ein politisches Gegengewicht zu irgendwem zu bilden – auf keiner Plattform", sagt er. "Unser Auftrag ist, die Zielgruppe in ihrer Lebensrealität ernst zu nehmen und für sie wichtige Themen aufzugreifen." Ohnehin halte man die häufig geäußerte Vermutung, junge Menschen wählten nur oder vor allem wegen TikTok eine bestimmte Partei, für sehr fragwürdig.

Zutreffend sei dagegen, dass es sehr viele Themen gebe, bei denen junge Menschen politisch nicht ausreichend gehört werden. "Diese Probleme müssen aber politisch gelöst werden, Journalismus kann sie nur so gut wie möglich abbilden", zeigt sich Schild überzeugt. "Es ist daher unsere Aufgabe die Themen der Zielgruppe auf TikTok zu erklären, zu kontextualisieren und den Blick auf das größere Ganze zu ermöglichen – wie auf jeder anderen Plattform auch." Auf die speziellen Herausforderungen von TikTok reagiere man etwa mit politischen Formaten wie "Die da oben!" oder mit aufklärerischen Formaten wie "Know &Grow" oder "Fakecheck". Letzteres nutze gezielt die Mechaniken von TikTok, um auf der Plattform selbst Desinformationen zu entlarven und den Wahrheitsgehalt fragwürdiger Inhalte zu überprüfen, erklärt Kristin Blum und verweist auf die aktive Einbindung der Community, die das Format unter suspekten Beiträgen verlinken kann, sodass Journalistinnen und Jounalisten diese prüfen können.

"Kreativität und Innovation in der Darstellung sind hier sehr relevant, ohne an Seriosität und Glaubwürdigkeit zu verlieren", sagt Blum. "Die Herausforderung liegt darin, fundierte Informationen in einem unterhaltsamen, schnellen Format zu liefern, das die junge Zielgruppe erreicht und fesselt." Leichter ist diese Aufgabe in den zurückliegenden acht Jahren gewiss nicht geworden.