Die Sache mit dem koreanischen Taekwondo-Großmeister sorgte hörbar für Respekt. Er habe sich selbst immer für asketisch gehalten, sei davon aber weit entfernt, gab Marcus Wolter zu, als Fred Kogel vom Training für seinen zweiten schwarzen Gürtel berichtete, das er zweimal die Woche durchzieht. Es kommt selten vor, dass ein Produktionsriese den anderen interviewt. Insofern sorgte der "Wolter Talks"-Podcast Mitte Juli durchaus für Erhellung. Einig waren sich die Chefs von Leonine Studios und Banijay Germany darin, dass sie kaum noch auf Abendveranstaltungen gehen und dass "Work-Life-Balance" für sie ein Fremdwort sei, weil sie zwischen Work und Life nicht unterscheiden.
Ohne seine körperliche Disziplin, betonte Kogel, wäre die Kraft, die der anstrengende Job erfordere, vielleicht schon geschwunden. Man kann sich ausmalen, dass gerade in den letzten Monaten Ausgleich für so manches zusätzliche Meeting gefragt war, das nichts mit dem operativen Geschäft von Leonine zu tun hatte. Fünf Jahre nach der von US-Investor KKR finanzierten Firmengründung war es an der Zeit, eine Umfinanzierung vorzunehmen – ein Rhythmus, auf den man sich bei Private-Equity-Fonds in der Regel verlassen kann.
Immerhin stand von Anfang an fest, dass Leonine in der Familie bleibt und komplett von der französischen Schwester Mediawan – ebenfalls eine KKR-Beteiligung – übernommen wird. Zusammen sei man nun eines der "führenden unabhängigen Studios in Europa mit einer globalen Präsenz in 13 Ländern, mit 85 Labels und einem Katalog von rund 30.000 Stunden an Premiuminhalten", sagt Kogel dem Medienmagazin DWDL.de. Die strategische Ausrichtung in Deutschland, die Entwicklung und operative Führung des Kerngeschäfts liege nach wie vor in seiner Verantwortung als CEO, die etablierten Abläufe und Strukturen blieben unverändert.
Hinter den Kulissen galt es dennoch eine komplexe Transaktion aufzurollen, da die Gesellschafter – auch das typisch Private Equity – ein wahres Beteiligungsgestrüpp geformt hatten. Zwei Beteiligungsstufen oberhalb der deutschen Leonine Holding steht die in Luxemburg eingetragene Show Holding SCA, an der bisher KKR und Mediawan jeweils mittelbar über Zwischenfirmen beteiligt waren. Über die Show TopCo SCA hielt KKR 67,6 Prozent der Anteile, Mediawan über die Mediawan Holding SAS 23,3 Prozent. Die übrigen 9,1 Prozent lagen per Beteiligungsprogramm beim Management. Nun wurde eine neue Muttergesellschaft oberhalb der Show Holding eingezogen, an welcher die Show TopCo 50 Prozent plus eine Stimme, die Mediawan Holding 50 Prozent minus eine Stimme hält. An der Mediawan Holding wiederum gehört zwar die Kapitalmehrheit der Show TopCo, doch die Mediawan-Gründer Pierre-Antoine Capton, Xavier Niel und Matthieu Pigasse behalten über ihr Beteiligungsvehikel die Stimmrechtsmehrheit.
Klingt kompliziert? Und das war schon die stark vereinfachte Version. Der mehrmonatige Strukturprozess endete auf deutscher Seite unlängst mit der Auflösung der Show Invest Beteiligungs GmbH & Co. KG, die vor der Transaktion Geschäftsanteile im Rahmen des Management-Beteiligungsprogramms an der Luxemburger Show Holding gehalten hatte. Deren Kommanditisten, darunter die Fred Kogel GmbH, waren zuvor ausgeschieden und hatten ihre Anteile an die KKR-Firma Show TopCo verkauft. Nach DWDL.de-Informationen hatte Kogel mittelbar rund 1,5 Prozent an Leonine gehalten.
Die Geschäftsführer unserer Produktionsunternehmen werden das Geschäft nicht wie gewohnt fortsetzen können. Jeder muss bereits heute sein Geschäft neu denken.
Fred Kogel, CEO der Leonine Studios
Was sich inhaltlich ändert, beschreibt Kogel auf Nachfrage so: "Wir intensivieren unsere Zusammenarbeit und den kreativen Austausch vor allem im Produktions- und internationalen Koproduktionsbereich, zum Beispiel in den Bereichen Fiction, Dokumentation und Animation, eröffnen damit unseren Produzenten, Talents und allen Kreativen weitere grenzüberschreitende Möglichkeiten der Zusammenarbeit und heben Synergien." Elizabeth d'Arvieu, CEO von Mediawan Pictures, hat die Aufgabe, das wachsende internationale Netzwerk an Produzenten zu koordinieren. In diesen Tagen stoßen gerade die früheren italienischen Fremantle-Manager Lorenzo Mieli und Mario Gianani dazu, deren Produktionsfirma Our Films Mediawan mehrheitlich übernommen hat. Zur Gruppe gehören bereits Brad Pitts Produktionsfirma Plan B, der italienische "Name der Rose"-Produzent Palomar, die britische Firma Drama Republic ("Doctor Foster") oder die französischen Labels hinter Serien wie "Call My Agent" und "HIP".
Wenn der Leonine-CEO die derzeitigen Herausforderungen aufzählt, klingt das ähnlich wie schon bei den Bossen der anderen Produktionsriesen. "Unsere Kunden müssen in transformativen Märkten bestehen und beauftragen weiter selektiv bei reduzierten Projektbudgets und nehmen sich für ihre Investitionsentscheidungen mehr Zeit als in früheren Jahren", so Kogel. Sein Haus beschäftige sich intensiv mit den Veränderungen, die Künstliche Intelligenz im Produktionssektor mit sich bringen werde. Was er aus beiden Aspekten folgert, kommt radikal daher: "Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer unserer Produktionsunternehmen – wie auch die deutsche Produktionslandschaft insgesamt – werden produktionell und unter Kostengesichtspunkten das Geschäft nicht wie gewohnt fortsetzen können. Jeder muss bereits heute sein Geschäft neu denken. Am Ende geht es darum, den Kostendruck zu bewältigen, dabei hochqualitative Projekte zu entwickeln und zu produzieren und trotzdem Geld zu verdienen."
Im Wolter-Podcast hatte Kogel sich verwundert darüber geäußert, wie manche Produktionsfirmen ihre hohen Gehälter bei fünf Prozent Marge aufbringen könnten. Er selbst hat mit Leonine in den letzten Jahren EBIT-Margen um die zehn Prozent geschafft. Ganz Optimist, rechnet Kogel ab 2025 mit einem steigenden Auftragsniveau "durch die Umsetzung der Förderreform" der Bundesregierung. "Maßnahmen wie das neue FFG, das Steueranreizmodell und eine Investitionsverpflichtung mit Rechterückbehalt werden helfen, den Markt international attraktiver zu machen und die heimischen Produzenten angemessen zu unterstützen, was letztendlich den Markt beleben wird", sagt der CEO – ganz so, als sei das alles schon beschlossen und nicht noch höchst umstritten.
Während Leonine sich auf den jüngsten Filmmessen mutmaßliche Kinohits wie die "Highlander"-Neuauflage von Chad Stahelski ("John Wick"), Luc Bessons "Dracula"-Remake oder die Stephen-King-Verfilmung "The Long Walk" sichern konnte und im Herbst "Die Schule der magischen Tiere 3" sowie Simon Verhoevens neuen Film "Alter weißer Mann" auf die Leinwand bringt, liegt der Druck im TV-Geschäft laut Kogel "noch mehr als sonst" auf dem zweiten Halbjahr. Er freue sich über die Beauftragung der zweiten Staffel für die Netflix-Serie "Crooks" und nennt als kommende Highlights die i&u-Produktionen "Dream Deals" für Prime Video und "Ronzheimer – Wie geht's, Deutschland?" für Sat.1 sowie die "Superduper Show" von SEO Entertainment für ProSieben.