Jan Mojto dürfte es gewohnt sein, am Ende meist das zu bekommen, was er von Anfang an wollte, selbst wenn es manchmal länger dauert. Der Mann, der einst das Vertriebsgeschäft der Beta Film aus der Insolvenzmasse der Kirch-Gruppe rettete, denkt eher in Dekaden als in Quartalen. Es ist rund zehn Jahre her, dass er Nico Hofmann von der UFA abwerben und ihn zum Leiter seiner wachsenden Produktionsaktivitäten machen wollte. Kam damals noch ein kaum zu überbietendes Angebot vom Bertelsmann-Konzern dazwischen, so entwickelt und produziert Hofmann nun seit einigen Monaten freiberuflich für Mojtos Imperium. Dass er noch lieber eine gemeinsame Firma gegründet hätte, ließ der Beta-Boss die Presse schmunzelnd wissen, während der von Firmenstrukturen ermüdete Ex-UFA-Chef danebensaß. Was nicht ist, kann ja noch werden, mag Mojto sich gedacht haben.

Die heutige Beta Film, für die er seinen langjährigen Weggefährten gewonnen hat, ist derweil selbst zum Konzern geworden und fast viermal so groß wie vor einem Jahrzehnt. Der Umsatz ist seither von um die 100 auf rund 375 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2023 geklettert, vor allem durch die zahllosen Produktionsfirmen, die Beta entweder übernommen oder mit Partnern neu gegründet hat. Hielten sich die Erlöse aus Programmvertrieb und Produktion damals noch die Waage, so steuert heute das Produktionsgeschäft mit über 80 Prozent den Löwenanteil bei. Tatsächlich markierte das Jahr 2014 den Wendepunkt, als Beta mit den Kölner Produzenten Jan Kromschröder und Stefan Oelze die Rosebank AG sowie deren Töchter Bantry Bay und Seapoint gründete. Mittlerweile besteht das Beteiligungsportfolio aus fast 60 Töchtern in 13 Ländern, auch wenn rund drei Viertel der Produktionserlöse in Deutschland erwirtschaftet werden.

Neben Mojto selbst ist dessen inoffizieller Kronprinz Moritz von Kruedener der wesentliche Architekt des Wachstums. Seit dessen Beförderung zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer im Frühjahr 2020 hat der Konzernumsatz um stolze 70 Prozent zugelegt – ein guter Teil davon anorganisch. Die Folge: Beta Film ist nicht nur ein waschechter Produktionsriese geworden, sondern hat im Geschäftsjahr 2023 sogar Constantin Film und UFA – beide nicht mehr in den Top 5 – sowie Banijay, Bavaria und Studio Hamburg hinter sich gelassen. Der 375-Millionen-Umsatz ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Mojto und von Kruedener im Geschäftsbericht des Vorjahrs eigentlich einen Umsatz "deutlich unter dem Niveau des Geschäftsjahres 2022" prognostiziert hatten – unter Verweis auf die "angespannte Marktlage".

Beta Film auf einen Blick

  • Umsatz 2023: ca. 375 Millionen Euro (Platz 2 der DWDL.de-Produktionsriesen)

  • Gesellschafter: Catharina & Maria Carolina Mojto (je 39% über Zwischengesellschaften), Moritz von Kruedener (5%), Alexander & Maria Trauttmansdorff (3%), Dirk Schürhoff (2,5%), weitere Führungskräfte (je 1-2%), Jan Mojto (0,25%)

  • Geschäftsführung: Jan Mojto (CEO), Moritz von Kruedener (Managing Director)

  • Produktionsfirmen (Auswahl): Bantry Bay Productions, Beta Fiction Spain, Beta Nordic Studios, Dreamtool Entertainment, Gamma Film, Good Friends Filmproduktion, High Fidelity Pictures, Intaglio Films, Neuesuper, Rowboat Film- und Fernsehproduktion, Seapoint Productions, Sommerhaus Filmproduktion, X Filme Creative Pool, Zeitsprung Pictures

  • Produktionen 2024 (Auswahl): Babylon Berlin (ARD); Das Sommerhaus der Stars (RTL); Der Barcelona-Krimi (ARD); Der Medicus II (ZDF/Prime Video); Die Toten vom Bodensee (ZDF); Euphorie (RTL); Kleo (Netflix); Let's Dance (RTL); Neue Geschichten vom Pumuckl (RTL+); Oktoberfest 1905 (ARD); Rise of the Raven (ORF); SOKO Potsdam (ZDF); Too Hot to Handle (Netflix)

Abgesehen von ihrer regen Übernahmetätigkeit hat die Gruppe, die mehrheitlich Mojtos Töchtern Catharina und Maria Carolina gehört, auch ein Geschäftsmodell, das sie von den anderen Produktionsriesen unterscheidet: Das Netz an Beteiligungen wird vergleichsweise locker geführt; die Oberhachinger Zentrale im grünen Münchner Süden fordert weniger Konzerndisziplin ein als anderswo üblich und nutzt die Erzeugnisse der Töchter, um die eigene Vertriebspipeline zu füllen. Das ist für Produzenten nicht nur attraktiv, sondern erscheint auch wie das Modell der Stunde in einer Zeit, da globale Buyouts wieder durch Koproduktionen mit klassischem Weltvertrieb abgelöst werden.

Dennoch bleibt für Beta ein erhebliches Risiko, das in den Geschäftsberichten auch stets genannt wird: Man habe "wesentliche Beträge in Tochter- und Beteiligungsgesellschaften investiert. Sollten sich die Gesellschaften nicht wie erwartet entwickeln, können Ergebnisziele nicht erreicht werden." Ende 2023 etwa ging die finnische Tochter Fisher King pleite, die Serien wie "Bordertown" oder "Helsinki Syndrome" produziert hatte und an der Kombination aus sinkender Nachfrage und steigenden Produktionskosten scheiterte.

 

Der Markt tritt auf der Stelle und die Abnahmefähigkeit ist begrenzt. Die Kunden brauchen für ihre Entscheidungen länger.
Moritz von Kruedener, Geschäftsführer der Beta Film

 

Das Problem reicht über Finnland hinaus. Von DWDL.de nach den Herausforderungen im laufenden Geschäftsjahr gefragt, beschreibt von Kruedener die aktuell schwierige Lage: "Die starken Post-Covid-Produktionsjahre haben eine große Menge von oft sehr gut produzierten Serien auf die internationalen TV-Märkte gebracht. Bei gleichzeitig rückläufigen Werbeeinnahmen bei den linearen Sendern und nicht steigenden Mitteln im öffentlich-rechtlichen Fernsehen tritt der Markt auf der Stelle und die Abnahmefähigkeit ist begrenzt. Die Kundinnen und Kunden brauchen für ihre Entscheidungen länger." Daher und wegen der inflationären Kostenentwicklung gerieten die Produktionsmargen unter "enormen Druck". Es werde immer schwieriger, Qualität zu bezahlbaren Preisen zu liefern. "Die großen Streamer und TV-Sender – oft begünstigt durch nationale Anreizsysteme und Quoten – setzen ihren Fokus vermehrt auf lokale Produktionen, die aber nur in Ausnahmefällen aus dem internationalen Markt kofinanziert werden können."

Babylon Berlin S4 © Frédéric Batier/X Filme Creative Pool/SKY/ARD Degeto Kein "Babylon Berlin" ohne Beta: Die Finanzierung der fünften Staffel ohne Partner Sky war nicht einfach
Tatsächlich fällt in den Zahlenwerken der Beta auf, dass sich die Umsatzrendite, bezogen auf das Vorsteuerergebnis, zwischen 2020 und 2022 von 8,8 auf 4,7 Prozent beinahe halbiert hat. Stark angestiegen sind derweil die Personalkosten und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen für Mieten, Vertriebskosten oder Währungsumrechnungen. Immerhin: Beim Umsatz rechnet von Kruedener damit, das Niveau von 2023 dieses Jahr "mindestens zu halten". Das Ziel der nächsten Jahre müsse sein, die "nicht steigenden Produktionsmittel durch flexible Finanzierungsmodelle sowie nationale und internationale Kooperationen so zu bündeln, dass fiktionale Produktion weiterhin auf hohem Produktionsniveau wirtschaftlich sinnvoll realisiert" werden könne. Dafür seien in Deutschland starke nationale Anreiz- und Fördersysteme sowie ein verlässlicher öffentlich-rechtlicher Rundfunk erforderlich.

Man kann das gut am Beispiel von "Babylon Berlin" durchexerzieren. Die ambitionierte historische Serie mit einem Episodenbudget von 2,5 Millionen Euro hat aus Deutschland heraus Maßstäbe gesetzt und wäre ohne eine Vertriebsgarantie in Millionenhöhe von Beta nicht zustandegekommen. Wenn ab Oktober die fünfte und erklärtermaßen letzte Staffel gedreht wird, ist einer der beiden ursprünglichen Auftraggeber, Sky Deutschland, bekanntlich nicht mehr dabei. Die Finanzierung sei nicht einfach gewesen, sagt von Kruedener, aber: "Mit der ARD als starkem Partner, guter nationaler Förderung und internationalem Erfolg gehen wir aus kreativer und hoffentlich auch wirtschaftlicher Sicht zuversichtlich in die Produktion der fünften Staffel." Von den Förderern in NRW und Berlin-Brandenburg kommt mit jeweils zwei Millionen Euro mehr als bei den vorherigen Staffeln.

Zur Wahrheit gehört auch, dass es der "Babylon"-Produktionsfirma X-Filme, an der die Beta zu 24,9 Prozent beteiligt ist, finanziell nicht gut geht. In den letzten drei Jahren häuften sich die Probleme: Die Historienserie "Das Haus der Träume" blieb weit hinter den erhofften Verkaufserlösen zurück und hinterließ 1,2 Millionen Euro Verlust; das Produktionsvolumen brach 2023 um zwei Drittel ein; die liquiden Mittel schmolzen dahin. Ende November warnte die X-Filme-Geschäftsführung, dass der Fortbestand des Unternehmens 2024 ohne Überbrückungsfinanzierung gefährdet sei. Beta hatte schon 2022 ein Darlehen über eine Million Euro gewährt. Auf Nachfrage sagt von Kruedener, das Darlehen werde vereinbarungsgemäß zurückgeführt und der Liquiditätsengpass sei nicht bestandsgefährdend. "Keine Frage", so der Beta-Chef, "wir stehen uneingeschränkt hinter unseren Partnern bei X-Filme, die einige der besten deutschen Filme und mit 'Babylon Berlin' eine der herausragendsten deutschen Serien geschaffen haben."

Ansonsten baut man bei Beta in den nächsten Monaten besonders auf den Zehnteiler "Rise of the Raven", eine Spätmittelalter-Saga rund um den ungarischen Heeresführer Janos Hunyadi, die Hollywood-Produzent Robert Lantos in Koproduktion mit Beta und ORF realisiert. Eine Art europäisches Pendant zu "Shogun", findet von Kruedener. Bei aller Fiction-Dominanz nennt er freilich auch explizit die Kölner Seapoint Productions mit neuen Staffeln von "Too Hot to Handle", "Let's Dance" und "Sommerhaus der Stars". Weiteres Wachstum außerhalb der Produktion verspricht er sich von der neu gegründeten Epsilon Film, die Kinofilme im Animations- und Family-Entertainment-Markt vertreiben soll, und von der Ende 2023 vollzogenen 50-Prozent-Beteiligung am Spartenkanalbetreiber High View (AXN, Bergblick, Deluxe Music), durch die Beta neue Vertriebswege gewinnt.

Bleibt Beta Film auch nächstes Jahr ein aktiver Treiber der Konsolidierung? Von Kruedeners Antwort ist allgemein gehalten und doch eindeutig: "Wir möchten auch weiterhin Möglichkeiten schaffen und wahrnehmen, um mit den besten Kreativen im Bereich Fiction und Non-Fiction langfristig zusammenzuarbeiten. Denn nur in enger Zusammenarbeit können wir hochqualitative Projekte von internationaler Relevanz denken, entwickeln und vorantreiben."

Produktionsriesen im Umbruch – bisher erschienen