Anstrengungen scheint Fernsehproduzent Guido Reinhardt (UFA Serial Drama) wahrlich nicht zu scheuen. Weder in seiner Freizeit noch beruflich. Vor ziemlich genau 18 Jahren feierte die von ihm aus der Taufe gehobene tägliche Serie "Alles was zählt" ihre Fernsehpremiere. Nach mehreren Jahren Pause ist Reinhardt nun seit rund sechs Monaten und parallel zu seinen Aufgaben bei "Unter uns" wieder für das Format zuständig. Auf dem Produzentenposten löste er Damian Lott ab - und sieht sich mit jüngsten Quotenverlusten im Linearen konfrontiert. Reinhardt kümmert sich somit wieder um sein Baby, sein Format, dessen Idee ihm einst beim Wandern kam, wie er DWDL.de im Gespräch erzählt. "Es ist immer die gleiche Gegend", sagt Reinhardt über die Region, die ihm offenbar den Kopf frei machen soll. "Es ist der Kanton Wallis in der Schweiz und dort das Val d'Anniviers, also das letzte französisch-sprachige Seitental der Rhone. Ein Seitental weiter beginnt dann die deutsch-sprachige Schweiz bekannt durch das Matterhorn, das man bei vielen Wanderungen rund um die 4.000 Berg-Gruppe schon von weitem sehen kann."



Guido Reinhardt © UFA Serial Drama Guido Reinhardt
Dort also entstand vor knapp zwei Jahrzehnten die Idee für "Alles was zählt", im Ursprungskern eine Eislauf-Telenovela, stark verbunden mit der ersten Hauptdarstellerin Tanja Szewczenko, die Reinhardt von der Serie "Unter uns" kannte. Irgendwie passt es, dass "Alles was zählt" in den bisherigen 18 Jahren, so wie Wanderer Reinhardt, nie den direktesten Weg nahm. "Konzeptioniert und gestartet ist 'Alles was zählt' als Telenovela. RTL hat sich dann aber glücklicherweise dazu entschieden, dass die Serie ohne festgelegten Endpunkt fortgesetzt werden sollte. Das war im Nachhinein betrachtet richtig, denn nicht umsonst feiern wir jetzt die 18 Jahre. Aber: Die Architektur einer Telenovela ist anders als die einer erzählerisch eher breit aufgestellten Daily", sagt Reinhardt. Und genau das sei die immerwährende Herausforderung.

Neben dem Eislaufen und der Kern-Familie, also den Steinkamps, braucht es Tag für Tag zusätzliche Erzählstränge. "Es ist nicht so einfach, sich nicht immer zu wiederholen. Das ist vergleichbar herausfordernd, als wenn bei 'GZSZ' immer noch Clemens und Heiko Richter erzählt würden." Vielleicht auch deshalb sagt Reinhardt heute, dass ihm die doch acht Jahre Abstand zu "Alles was zählt" gut taten. Jetzt schaue er mit "unvoreingenommenem Blick" auf die Serie. "Es geht also nicht darum, dass ich die Serie mit dem Team wieder so erzählen will, wie ich sie damals erfunden oder dann abgegeben habe. Im Gegenteil: Ich bin sehr gespannt, wie wir gemeinsam mit RTL die wichtigen Elemente erhalten und weiterentwickeln können, da habe ich bereits jetzt ein sehr gutes Gefühl", sagt Reinhardt.

Im Frühjahr, so erzählt Reinhardt, habe er viele Gespräche geführt. Eine Bestandsaufnahme gemacht. "Es ist immer ratsam, das Team dort abzuholen, wo es sich gerade befindet, viele Fragen zu stellen und vor allem: Zuzuhören! Da ist jedes Gewerk gleich entscheidend. So gewinnt man Erkenntnisse, die man wie Puzzleteilchen aufnimmt." Zur Zeit laufe die Umsetzung von Veränderungen. Und, so viel dürfte schon feststehen, bei "Alles was zählt" wird sich in den kommenden Monaten durchaus etwas ändern.

 

"Wir halten an dem Eislauf-Markenkern fest, aber es wird nicht der alleinige bleiben."


Details zu kommunizieren, so nennt es Reinhardt, sei zwar noch "verfrüht". Ein bisschen aber gibt er dann doch preis. "Was feststeht: Wir halten an dem Eislauf-Markenkern fest, aber es wird nicht der alleinige bleiben. Wir wollen uns stattdessen mehr mit dem Thema emotionale Bögen und Eventisierung beschäftigen. Wir schauen also, wo wir herkommen: Die Telenovela ist immer ein großer, aber abgeschlossener Bogen. Wir entwickeln gerade solche Bögen, aber nicht abgeschlossen, sondern mit Potenzial, um dann wiederum in neue Bögen überzugehen." Die gerade laufende Jubiläums-Woche anlässlich des 18. Geburtstags der Serie darf da schon als kleiner Vorgeschmack angesehen werden.

"Es wird wieder dramatische und heitere Momente zu entdecken geben. Unabhängig von Jahrestagen oder Folgennummern, ist es aber immer auch unser Ziel, passend zu den Höhepunkten von Geschichten, Eventwochen anzulegen. Dafür sind wir für 2025 bereits in der Planung", sagt Reinhardt und wirft ein weiteres Schlagwort für die kommenden Monate in den Raum. "Steinkamp Next Generation". Gerade würden neue Charaktere für die Vorabendserie entwickelt. "Das geht nicht von heute auf morgen, wir brauchen die starken etablierten Figuren, um andere Familienbande neu aufzustellen. Wer hat in Zukunft die Macht und das Geld und wer trägt den emotionalen Kern", wirft der Serienmacher als Frage in den Raum.

Alles was zählt 2006 © TVNow/Willi Weber So begann alles: Mit der Figur Diana Sommer im Jahr 2006. Zunächst war "Alles was zählt" sogar als Telenovela konzipiert - sie sollte eine ans Leben von Tanja Szewczenko angelehnte Geschichte erzählen.

Dabei helfe auch eine Rückbesinnung auf das, was Reinhardt vor fast zwei Jahrzehnten erdachte. Damals, als die Reise begann und sich die Figur Diana Sommer in Konkurrenz zu "Verliebt in Berlin" auf den Weg machte. "Diana Sommer kam aus prekären Verhältnissen. Sie hat eine Aufstiegschance gesehen, die zugleich ihrem Traum vom Leben entsprach, war bereit, dafür alles zu geben…und musste sich zunächst von den Steinkamps benutzen lassen. Ihre Prinzipien wurden auf eine harte Probe gestellt, aber ihre Freunde und ihre Liebe hat sie dafür nie verraten", blickt Reinhardt zurück.

Intensiveres Kommen und Gehen

Bleiben sollen auch künftig die starken Figuren, für die die Serie in den 18 Jahren bekannt geworden ist – vorneweg sind da sicherlich Simone und Richard Steinkamp zu nennen, aber auch Jenny, Vanessa, Ingo oder andere. Reinhardt sagt, Maximilian von Altenburg sei immer dann stark gewesen, "wenn er kam, sah und siegte – aber dann auch wieder verschwand." Dieses Prinzip soll intensiviert werden. Reinhardt zu DWDL.de: "Wir wollen mit starken Figuren arbeiten, die eine bestimmte Zeit auf dem Bildschirm sind, um dann aber auch wieder in der Weltgeschichte zu verschwinden. Dieses On/Off-Prinzip werden wir mehr nutzen. So können wir diesen Figuren noch stärkere Geschichten geben. Auf Dauer schwächt es selbst einen Maximilian, wenn er zur Überbrückung eines anderen Erzählstrangs Gläser spülen muss."

Alles was zählt Mai 2024 © RTL / Julia Feldhagen Hat auch in Zukunft wohl große Auftritte: Maximilian von Altenburg, gespielt von Francisco Medina.


Und auch an der Verortung der Geschichten wird gearbeitet. Konkret geht es um die Frage, welche Sets auch in Zukunft auf die Geschichten einzahlen – und besonders im Fokus scheint hier insbesondere die Krankenhaus-Welt zu sein, die zwar jeder Soap gut tut, aber eben am Weitesten vom Steinkamp-Kern entfernt zu sein scheint. "Das Krankenhaus muss noch intensiver in die Steinkamp-Welt integriert werden, damit das Set kein Fremdkörper in dieser Welt ist. Die Biografie von Diana Sommer war in Teilen angelegt an die von Tanja Szewczenko. Und wir wussten von Tanja selbst, dass es viele Verletzungssorgen in ihrer aktiven Karriere gab – und schon ist hier erzählerisch die medizinische Abteilung im Spiel, ohne daraus eine Medicalserie zu machen. Wenn die Steinkamps also an Leistungssport interessiert sind, dann brauchen sie eine medizinische Abteilung", sagt Reinhardt.



Gegen medizinische Abteilungen durchsetzen muss sich in den kommenden Monaten auch die Serie selbst. Schon zuletzt ist es Sat.1 mit den neuen Dailys um 19 Uhr gelungen, dem RTL-Langläufer Marktanteile wegzunehmen. Am Donnerstag startete mit der neuen "Spreewaldklinik" ein weiteres Format, vor und hinter der Kamera teils besetzt mit Personen, die auch schon "Alles was zählt" prägten. Furcht hat Wanderer Reinhardt vor der neuen Konkurrenz nicht.

"Ich finde es immer gut und mutig, wenn ein Sender auf Innovationen setzt. Sat.1 setzt jetzt seit einem Jahr auf unterschiedliche Telenovelas – mit verschiedenen Genre-Ansätzen. Das ist eine spannende Entwicklung, die wir natürlich genau beobachten. Wissen Sie: Man macht nie alles richtig, aber man kann viel falsch machen, wenn man nicht darauf schaut, was andere richtig machen. Insofern finde ich es natürlich gut, was Sat.1 macht. Alles, was neu in den Markt kommt, und sich etabliert, ist gut – gut für uns alle." Entsprechend sei Konkurrenz also positiv. Das weiß Reinhardt auch, weil genau das eines der Kernthemen von "Alles was zählt" sei jeher ist. Fleißig sein, arbeiten, ackern, sich gegen Widerstände durchsetzen. Das wird Reinhardts Team auch in den kommenden Monaten müssen.