Alle Jahre wieder ist der DFL Supercup vor dem Start der Bundesliga-Saison idealer Testlauf unter Live-Bedingungen für neue Ideen sowie Übertragungstechniken - und ein Update zur Strategie dahinter. In Leverkusen ging es beim DFL Media Day am Wochenende mit internationalen Fachjournalisten aus Broadcasting und Fußball um die Weiterentwicklung des Produkts Bundesliga. Und es wurde nicht nur ein sprichwörtlicher Blick in den Maschinenraum der medialen Aufbereitung des deutschen Fußballs.
Die DFL will mehr. Geld, Unabhängigkeit, Aufmerksamkeit. Letzteres besonders im Wettbewerb mit den anderen europäischen Spitzen-Ligen. Es ist ein ewiger Kampf um die Attraktivität insbesondere unter europäischen Fans, aber auch über den Kontinent hinaus. Internationale Erlöse u.a. aus Übertragungsrechten, sind ein Weg, mit dem man sich unabhängiger machen will von den nationalen Medienrechten an der Bundesliga. Dort erhofft man sich nach wie vor mindestens stabile Erlöse aus der gerade pausierenden Rechteausschreibung. Woher könnte, neben Auslandserlösen, zusätzliches Umsatzwachstum kommen?
Die DFL braucht mehr. Bilder, Perspektiven, Medienrechte. „Closer to the game“ ist die Überschrift der Strategie mit der man die Bundesliga pimpen will, um die eigenen Preisvorstellungen zu untermauern und Medienpartnern künftig mehr liefern zu können. Einige Punkte davon hat man in der laufenden (oder eben auch nicht laufenden) Ausschreibung für den Rechte-Zyklus von 2025 bis 2029 bereits angekündigt, will damit Wünschen von DAZN und Sky entgegenkommen. Es geht beispielsweise um mehr Bildmaterial vor Anpfiff mit einer „Outside Bus Camera“ bei der Ankunft der Mannschaftsbusse am Stadion. Oder „Bus Arrival Interviews with Starting Player“.
Früher mehr liefern, um mehr erzählen zu können rum ums Spiel. Das würde Übertragungspartnern gefallen und doch bleiben diese im Gespräch weiterhin erstmal skeptisch angesichts allzu vieler Ankündigungen. Es gibt Zweifel daran, ob die DFL so manches dieser Vorhaben im Spielbetrieb der Liga auch wirklich durchgesetzt bekommt bei den Vereinen, darunter auch die geplante „Locker Room Footage“. Sind gerade die Top-Vereine beispielsweise nach überraschender Niederlagenserie und bei angespannter Stimmung wirklich offen dafür?
Weitere Punkte der „Closer to the game“-Strategie der DFL: „Super-Super-Flash-Interviews“ auf dem Rasen noch, Halbzeit-Interviews und insbesondere mit Blick auf die internationale Vermarktung der Bundesliga die „Goal Arena“, also das was deutsche Fußballfans von Premiere und Sky schon seit zwanzig Jahren als Bundesliga-Konferenz kennen. Und explizit genannt: „Original Storytelling“, also eine Aufbereitung von Dramen und Geschichten, die der Fußball schreibt, etwa der „Relegation Rollercoaster“ zwischen Bochum und Düsseldorf im vergangenen Mai.
Doch es geht weiter als das: Die Ref Cam, montiert am Headset des Schiedsrichters, soll nach Wunsch der DFL künftig gerne auch während des Spiels zum Einsatz kommen. Noch ist das nach internationalen Vorgaben nicht erlaubt, so dass sie auch am Samstag beim Supercup nur vor dem Anpfiff beim Warm-Up und Einlaufen der Teams genutzt werden konnte. Mehr als ein Technikcheck ist es so natürlich noch nicht, aber man will bereit sein, sollte die Ref Cam auch während der Spiele zugelassen sein.
Ein weitaus größeres, strategisch relevanteres Projekt ist die Zusammenarbeit mit dem Berliner Start-Up Softseed Technologies, um die Gründer Holger Hansen, Arno Klein, Stefan Kiwit und Kai Mitterlechner. Stichwort: Immersive Reality über die von Softseed entwickelte Plaiground-Technologie bedeutet Fußball live schauen auf der Apple Vision Pro und anderen VR-Brillen bzw. „Head Mounted Displays“. Beim DFL Supercup wurde das für ein Fachpublikum vor Ort erstmals unter realen Bedingungen demonstriert. Spezielle Kameratechnik erlaubt den Rundum-Blick als stünde man selbst im Stadion. Denkbar sind auch mehrere Platzierungen und damit wechselbare Blickwinkel auf das Spiel.
Der Praxistest in Leverkusen überwältigt - sobald man realisiert, dass es das Live-Signal aus dem Stadion ist und nicht wie bei sonstigen Demonstrationen mit VR-Brille eine virtuelle Welt oder Aufzeichnung. Die Verzögerung zum Live-Signal ist minimal; eine besonders bemerkenswerte technische Leistung angesichts der Tatsache, dass hier ein Terrabyte an Daten pro Minute verarbeitet wird, um auf der zur Demonstration genutzten Apple Vision Pro ein 360 Grad Live-Bild in einer 10K-Auflösung zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit der DFL beim Supercup ist für Softseed ein möglicher Usecase, auch Konzerte ließen sich damit live übertragen. Die dahinterliegenden Lösungen basieren auf dem Ineinandergreifen mehrerer, proprietärer Technologien, die jeweils individuell sowie auch in der kausalen Prozesskette zum Patent angemeldet sind.
Keine Frage: Es ist eine Wette darauf, dass VR-Brillen bzw. Head Mounted Displays bald nicht nur günstiger, sondern damit auch weiter verbreitet werden. Leichter und komfortabler dürften sie gerne auch noch werden, um bequem ein ganzes Spiel oder Konzert zu verfolgen. Unternehmen wie Meta und insbesondere Apple haben bereits viel investiert in die Entwicklung ihrer Brillen, die zwar in professionellen Szenarien schon intensiv genutzt werden. Auch angesichts der noch hohen Preise gibt es für Privatnutzer jedoch noch zu wenig überzeugende Nutzungszenarien, die über Gaming hinaus gehen.
Und genau das ist der Sweetspot, den sowohl Softseed wie auch die DFL treffen wollen. Das Gedankenspiel dahinter: Möglicherweise ließe sich bei einer der nächsten Vergaben der Übertragungsrechte neben den traditionellen Broadcasting-Rechten an der Bundesliga auch ein Paket für Immersive Reality schnüren - und damit zusätzliche Erlöse für den deutschen Fußball schaffen. In den USA ist Apple längst in den Einkauf von Sportrechten eingestiegen - noch allerdings klassisch, ohne Fokus auf seine VR-Brille. Die erfolgreich umgesetzte Weltpremiere von Softseed und DFL war deshalb auch definitiv als dezenter Wink nach Cupertino zu verstehen.