Mit solch frenetischem Jubel hatte Bob Iger offenbar selbst nicht gerechnet. Der sichtlich ermüdete Langzeit-CEO der Walt Disney Company stoppte kurz, als er seinen vorformulierten Dank für den "warmherzigen Empfang" vom Teleprompter ablas, blickte ins weite Rund des mit fast 12.000 zahlenden Besuchern gefüllten Honda Centers und ergänzte spontan, das sei weitaus mehr als nur warmherzig.

Hier, in der Heimarena des Eishockey-Ligisten Anaheim Ducks, kulminierte drei Abende lang ein Phänomen, das sich am Wochenende in den Messehallen der kalifornischen Großstadt Anaheim – auf der anderen Straßenseite vom Disneyland – bestaunen ließ: Dem zuletzt in unruhigem Fahrwasser befindlichen 90-Milliarden-Dollar-Konzern gelingt es noch immer, rund 140.000 loyale Anhänger von "Micky Maus" bis "Mandalorian" zur Fan-Convention pilgern zu lassen.

Anderswo mag Iger sich mit aktivistischen Investoren herumärgern müssen, die kritisieren, dass zu viel Geld im Streaming versenkt und zu lange kein geeigneter Nachfolger für ihn gefunden wurde. In der Wirtschaftswelt da draußen mag es ein Problem sein, dass Disney voraussichtlich fünf Milliarden Dollar mehr als erwartet an Comcast zahlen muss, um den Streamingdienst Hulu komplett zu übernehmen. Und ein Warnzeichen, dass Disneys mit Abstand profitabelstes Geschäftsfeld, das Freizeitpark-Business, im jüngsten Quartal drei Prozent Gewinnrückgang hinnehmen musste.

D23 Fan-Event © Disney Enterprises Hardcore-Konsum: Auf der D23 ist Shopping fester Bestandteil
Doch auf der knapp 100.000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche des D23-Fan-Events ist die Markenwelt noch in Ordnung. Kein anderer Entertainment-Riese verfügt über eine so geölte Maschinerie: Der konzerneigene Fanclub D23 – benannt nach dem Gründungsjahr des Hollywood-Studios – hat 1,5 Millionen Mitglieder, von denen manche 100 Dollar im Jahr für eine Goldmitgliedschaft zahlen. Nur wer Mitglied ist, kann ein Ticket für die alle zwei Jahre stattfindende Convention erwerben. Kostenpunkt: zwischen 300 und 2.600 Dollar für drei Tage. Vor Ort besteht die Hauptbeschäftigung darin, in meist langen Schlangen darauf zu warten, dass man entweder Panels zu allen möglichen Themen rund um Disney aufsuchen oder exklusive Disney-Fanartikel shoppen oder sich mit Disney-Figuren fotografieren lassen darf. 

Die Menschen, die das tun, reisen aus sämtlichen US-Staaten sowie aus rund 30 weiteren Ländern an, kennen jeden Disney-Film und jede Disneyland-Achterbahn in- und auswendig, tragen stolz ihre Micky-Maus-Ohren, wenn nicht gleich ein Ganzkörperkostüm. Unzählige Schneewittchen, Belles, Thors und Stormtrooper, denen man ansieht, dass sie eher Wochen als Tage mit der Vorbereitung verbracht haben, beglückwünschen und fotografieren sich gegenseitig. Es ist der harte Kern derjenigen, die nicht nur die "Avengers" oder die "Simpsons", nicht nur "Star Wars" oder "Frozen" mögen, sondern alles zusammen, und die im Absender Disney mehr als die Summe aller Teile sehen. Mit solchen Hardcore-Konsumenten kommt man nicht auf 90 Milliarden Umsatz, aber sie sind als Multiplikatoren Gold wert.

D23 Fan-Event © Disney Enterprises Milliarden-Invest: Neue Disneyland-Attraktionen wurden mit Micky Maus und Staraufgebot gefeiert

In diesem Umfeld konnte Konzernchef Iger nach turbulenten Monaten einmal kurz durchatmen und unwidersprochen die "tiefe Verbundenheit mit den Fans" preisen, die "über ein Jahrhundert des Geschichtenerzählens geschmiedet" worden sei. Die Bosse der einzelnen Disney-Divisionen kündigten gemeinsam mit Stars wie Dwayne "The Rock" Johnson, Jude Law, Jeff Bridges, Jamie Lee Curtis, Gal Gadot oder Anthony Mackie die Kino-Sequels "Zootopia 2", "Avatar 3" und "Captain America: Brave New World" für 2025, "Toy Story 5" und "The Mandalorian and Grogu" für 2026, "Frozen 3" und "Incredibles 3" für 2027 sowie die Entwicklung eines Bühnenmusicals zu "The Greatest Showman" an.

Pixar liefert mit "Win or Lose" seine erste Originalserie für Disney+, die am 6. Dezember anläuft und in der die Autoren und Regisseure Carrie Hobson und Michael Yates erzählen, wie sich Kinder, Trainer und Helikopter-Eltern auf eine Softballmeisterschaft vorbereiten. 2025 folgt mit "Dream Productions" von Mike Jones ein Serien-Spin-off des Pixar-Kinohits "Inside Out", in dem es um das imaginäre Filmstudio im Kopf der Titelheldin Riley geht. Lucasfilm bringt am 3. Dezember die neue "Star Wars"-Serie "Skeleton Crew" von Christopher Ford und Jon Watts zu Disney+. Der Genre-Mix aus Coming-of-Age und SciFi erzählt von vier neugierigen Teenagern, die sich in eine gefährliche, fremde Galaxie verirren.

D23 Fan-Event © Disney Enterprises Blick hinter die Kulissen: Auf der Lucasfilm-Bühne wurde die virtuelle Produktion demonstriert

Aus dem Hause Marvel startet bereits am 18. September das "WandaVision"-Spin-off "Agatha All Along" von Jac Schaeffer rund um die von Kathryn Hahn gespielte Hexe Agatha Harkness. 2025 folgen die Reboot-Serie "Daredevil: Born Again" von Dario Scardapane und das "Black Panther"-Spin-off "Ironheart" von Chinaka Hodge, das die Geschichte der jungen Erfinderin Riri Williams aus "Wakanda Forever" weitererzählt.

Eine eigene Abendveranstaltung spendierte Disney den Neuankündigungen im Geschäftsfeld Experiences, das Parks, Hotels, Kreuzfahrten und Konsumgüter umfasst. Dessen Chef Josh D'Amaro, heiß gehandelt als potenzieller Iger-Nachfolger, darf über die nächsten zehn Jahre 60 Milliarden Dollar in neue und renovierte Attraktionen investieren. Von den Fans ebenso ekstatisch bejubelt wie die neuen Filme und Serien, stellte er am Wochenende in Aussicht, wohin ein Teil des Geldes fließen soll: in neue Parkabschnitte rund um "Monsters, Inc.", "Cars" und "Disney Villains" für Walt Disney World in Florida, eine "Avatar"-Attraktion und eine Ausweitung des "Avengers Campus" in Anaheim, eine "Lion King"-Welt fürs Disneyland Paris sowie "Spider-Man"-Achterbahnen für Shanghai und Hongkong. Die Flotte der Disney-Schiffe soll von derzeit fünf auf 13 im Jahr 2031 erweitert werden.

Zwischen all den Disney-eigenen Ausstellungsflächen der D23, auf denen Fans etwa Nachbauten der "Time Variance Authority" aus "Loki", der Küche aus "The Bear" oder des Wohnhauses aus "Only Murders in the Building" besuchen konnten, fanden sich auch Messestände einiger Lizenzpartner wie Ravensburger, Steiff oder Swarovski. Lego feierte gemeinsam mit dem Gastgeber das 25-jährige Jubiläum des ebenso hochpreisigen wie margenstarken Kooperationsprodukts "Lego Star Wars".

Um das Geschäft mit dem Nerd-Spielzeug weiter anzuheizen, startet am 13. September auf Disney+ die neue animierte Miniserie "Lego Star Wars: Rebuild the Galaxy", in der der Fund eines mysteriösen Artefakts in einem Jedi-Tempel die galaktische Ordnung von Gut und Böse durcheinanderbringt. Selbst die Stimme von Mark Hamill als Luke Skywalker darf dabei nicht fehlen.

Es sind solche Markenerlebnisse, von denen eingefleischte Disney-Fans nicht genug bekommen können. Das Messegelände in Anaheim haben viele von ihnen am Sonntagabend mit vollen Einkaufstaschen verlassen – während zeitgleich bei der Verleihung der konzerneigenen "Disney Legends Awards" Preisträger wie Harrison Ford, Jamie Lee Curtis, Angela Bassett, Miley Cyrus oder James Cameron einhellig betonten, wie unverzichtbar doch die Liebe der Fans sei.