Wer dieser Tagen in die USA blickt, könnte zu dem Schluss kommen, dass die Tage des linearen Fernsehens endgültig gezählt sind. Innerhalb von 24 Stunden haben gleich zwei amerikanische Medienkonzerne gewaltige Abschreibungen auf ihre TV-Sender vorgenommen. Den Anfang machte Warner Bros. Discovery. Ganze 9,1 Milliarden Dollar schrieb das Unternehmen auf seine Kanäle, darunter CNN und Discovery ab. Beim Konkurrenten Paramount, der unter anderem MTV und den Kindersender Nickelodeon betreibt, belief sich die Wertberichtigung einen Tag später auf immerhin sechs Milliarden Dollar.

Der Tenor: In beiden Fällen ähnlich. Schon lange hat das lineare Fernsehen in den USA mit sinkenden Werbeeinnahmen zu kämpfen, weil viele Zuschauerinnen und Zuschauer ihm den Rücken kehren. Insbesondere das Kabelfernsehen, das über Jahrzehnte hinweg für Hollywood eine "Cash Cow" war, leidet unter diese Entwicklung. Die Milliarden-Abschreibung sind, wenn man so will, auch eine Art Ehrlichmachen, weil das Cordcutting, also der Abschied des Publikums vom Fernsehen über einen klassischen Anbieter, unübersehbar geworden ist.

Es ist eine Entwicklung, die sich auch an anderen Kennzahlen ablesen lässt. So trug die Sendersparte im zurückliegenden Quartal zwar immer noch 5,3 Milliarden US-Dollar zum Umsatz von Warner Bros. Discovery bei, doch innerhalb eines Jahres ging dieser Anteil um acht Prozent zurück. Dabei gibt es auch gute Nachrichten. So gelang es Paramount, in der Streaming-Sparte einen bereinigten Gewinn zu erzielen - die 26 Millionen Dollar, die man für das vergangene Quartal ausweisen konnte, sind jedoch noch vergleichsweise überschaubar. Allerdings machte der Konzern vor einem Jahr noch mehr als 400 Millionen Miese.

Ähnlich ist die Entwicklung bei Warner Bros. Discovery, wo es gelang, die Werbeeinnahmen im Streaming-Bereich im Vergleich zum Vorjahr zu verdoppeln. Erst am Mittwoch hatte der Mitbewerber Disney erstmals erklärt, mit Streaming einen Gewinn zu erwirschaften - nachdem vor einem Jahr noch ein Quartalsverlust von mehr als einer halben Milliarde US-Dollar zubuche stand. Es sind also zarte Pflänzchen der Zuversicht, die in dieser Woche aber erschüttert wurden durch die milliardenschweren Abschreibungen auf das klassische TV-Geschäft.

"Keine unmittelbaren Parallelen"

Und in Deutschland? Auch hierzulande haben die beiden großen Privatsender-Konzerne in dieser Woche ihre Geschäftszahlen präsentiert. Vom Abgesang auf das lineare Fernsehen scheint man in Köln wie auch in Unterföhring noch ein ganzes Stück entfernt zu sein, wenngleich sich auch hier der Fokus immer stärker in Richtung Streaming verschiebt. Der RTL Group gelang es nach dem langen Durchhänger des Vorjahres jüngst sogar, die TV-Werbeeinnahmen wieder zu steigern.

Thomas Rabe © Bertelsmann/RTL Thomas Rabe
In einem Journalisten-Call von DWDL.de auf die jüngsten Abschreibung auf dem US-Markt angesprochen, äußerte sich RTL-Group-CEO Thomas Rabe am Freitagvormittag gelassen. "Der amerikanische und der europäische TV-Markt unterscheiden sich sehr grundsätzlich", sagte er. Er sehe daher "keine unmittelbaren Parallelen", auch wenn das lineare TV-Geschäft auch hierzulande an Reichweite verliere. Doch Rabe wähnt seinen Konzern mit Blick auf den Streaming-Bereich gut aufgestellt. "Wenn es uns gelingt, unsere Streamingziele zu erreichen, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir mit dem Zuwachs, den wir im Nicht-Linearen erzielen, einen etwaigen Wertverlust im linearen Geschäft ausgleichen."

Zugleich betonte der RTL-Group-CEO, er sehe "bei uns keinerlei Wertberichtigungsrisiken". Im Gegenteil: "Ich sehe eher einen deutlichen Zuwachs in der Bewertung unserer Geschäfte als einen Rückgang in der Bewertung", so Thomas Rabe. Tatsächlich gewann RTL Deutschland im ersten Halbjahr 2024 TV-Werbemarktanteile hinzu - auch, weil der Vorsprung auf ProSiebenSat.1 in der von beiden Konzernen betrachteten Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen ausgebaut werden konnte. Dazu kommt, dass der Streamingdienst RTL+ inzwischen fast 5,6 Millionen zahlende Abonnentinnen und Abonnenten zählt, nahezu 25 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Streaming-Umsatz wuchs dank einer Preiserhöhung sogar noch stärker.

Auch bei ProSiebenSat.1 kamen vom Streaming in diesen Tagen gute Nachrichten, wenngleich Joyn weit weniger Nutzerinnen und Nutzer zählt als RTL+. Doch die sogenannten "digitalen und smarten" Werbeumsätze verzeichneten in der DACH-Region ein zweistelliges Wachstum, was insbesondere auf die Umsatzdynamik bei Joyn zurückzuführen ist. Mit 76 Millionen Euro lag der Umsatz zwar noch deutlich hinter jenem der klassischen TV-Werbung zurück, doch er glich zumindest den leichten Rückgang der TV-Werbeerlöse im zweiten Quartal zumindest aus. 

An der ausgegebenen Marschroute will ProSiebenSat.1 daher festhalten. Man investiere "verstärkt in eigene lokale und Live-Inhalte" und wolle Joyn zum "führenden Superstreamer" ausbauen, unterstrich ein Unternehmenssprecher am Freitag gegenüber DWDL.de. "Gleichzeitig bieten wir Werbetreibenden und Mediaagenturen innovative Angebote mit kombinierten TV- und Digitalreichweiten. Die gute Geschäftsentwicklung in den ersten beiden Quartalen und das starke Wachstum bei Joyn zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind." Die Hiobsbotschaften, so scheint es, wollen die deutschen Medienkonzerne in dieser Woche lieber den Amerikanern überlassen.

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