ServusTV ist aktuell so erfolgreich wie überhaupt noch nie in seiner Geschichte. Dank der Übertragung vieler Spiele der Fußball-EM waren die Monate Juni und Juli die erfolgreichsten aller Zeiten für den österreichischen Privatsender - man lag sogar noch vor ORF 1 auf Platz zwei der erfolgreichsten Sender. In den kommenden Wochen und Monaten dürften sich die Quoten wieder normalisieren, aber die EM hat die Position von ServusTV als erfolgreichster Privatsender Österreichs gefestigt. Die Jubel-Meldungen über hohe Reichweiten und Marktanteile haben auch andere Meldungen überlagert, die künftig noch einigen Einfluss auf den Sender haben könnten.
Die Sprengkraft dieser Meldung lag eigentlich im zweiten Teil - in Goetz Hoefer. Ihm schreiben Beobachter ohnehin schon seit einiger Zeit die Rolle des Kronprinzen zu - er könnte irgendwann auf Ferdinand Wegscheider als Intendant folgen. Die neue Rolle jetzt macht das nur noch deutlicher und könnte ein Vorbote eines entsprechenden Umbaus sein. Bei ServusTV ist man sich der Brisanz bewusst und betont, dass Wegscheider auch weiterhin Intendant des Senders sei. Und was genau macht nun Hoefer in seiner neuen Rolle als General Manager? Und worin unterscheidet sich diese Position von der des Intendanten? Der Sender bittet auf Anfrage um Verständnis, "dass wir zu einzelnen Arbeitsbereichen nicht weiter ins Detail gehen".
ServusTV stellt sich neu auf, bleibt aber in alten Verhaltensmustern hängen. Der Sender gilt, wie auch der Mutterkonzern Red Bull, als ziemlich verschlossen und kommuniziert nur das Nötigste. Dass man hier aber eine derart offene Flanke lässt und damit auch in Kauf nimmt, dass Spekulationen ins Kraut schießen, ist mindestens ungewöhnlich. Denn wahr ist auch: Eine unmittelbare Ablöse von Langzeit-Chef Ferdinand Wegscheider steht nach DWDL.de-Informationen nicht bevor. Bis zuletzt hat er viele Letztentscheidungen in Salzburg getroffen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichten, dass Wegscheider und Hoefer geschlossen auftreten.
Wie lange hält der Burgfrieden?
Wegscheider machte Ende 2023 in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" aber auch klar, dass er seinen Posten nicht so schnell räumen wird - zumindest nicht aus eigenen Stücken. Der Senderchef, der in wenigen Wochen 64 Jahre alt wird, sagte da: "Wenn es mir die Gesundheit vergönnt, bin ich nicht der Typ, der mit 65 in Pension geht."
Letztlich wird über die Zukunft von ServusTV im Allgemeinen und Ferdinand Wegscheider im Speziellen aber an anderer Stelle entschieden. Seit dem Tod von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist neben seinem Sohn Mark auch Oliver Mintzlaff der starke Mann im Konzern. Als CEO Corporate Projects und Investments ist er verantwortlich für alles bis auf das Geschäft mit den Getränkedosen - also auch den Medienbereich. Mintzlaff machte bereits vor einiger Zeit Dietmar Otti zum Global Head of Media. Beide, Mintzlaff und Otti, sollen sich nicht besonders gut mit Wegscheider verstehen und können vor allem mit den anhaltenden Schwurbeleien des Senderchef nichts anfangen - ebenso wie übrigens auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sender.
Mehr Effizienz, weniger Geldverbrennungsanlage
Sollte das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen, rechtskräftigen Urteil kommen, wird sich nicht nur Wegscheider unangenehme Fragen stellen lassen müssen. Und mittlerweile gibt es Dietrich Mateschitz eben nicht mehr - also den Mann, der stets seine schützende Hand über Wegscheider gehalten hat.
Und in dieser Gemengelage soll ServusTV ja auch noch wirtschaftlicher arbeiten als in der Vergangenheit. "Der Standard" berichtete zuletzt unter Berufung auf Quellen bei Red Bull, dass ServusTV bis 2027 "einen wirtschaftlicheren Kurs als bisher" fahren soll. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen DWDL.de gesprochen hat, bestätigen, dass inzwischen verstärkt auf das Geld geschaut wird. Kritisieren wollen sie das aber nicht - weil sie wissen, wie zuvor Geld verbrannt wurde. Große Cuts hat es in Österreich bislang außerdem nicht gegeben.
Tatsächlich ist das Aus von ServusTV in Deutschland der wohl größte Einschnitt beim Sender gewesen. Der Kanal war allerdings auch nie wirtschaftlich und wesentlich kleiner als in Österreich. Dort wurde zuletzt zwar eine Kultursendung eingestellt, der Moderator war aber auch schon 89 Jahre alt (DWDL.de berichtete). Auf der anderen Seite hat man eine kleine Fiction-Offensive mit diversen Filmen und Reihen angekündigt - und sich auch noch die Europa League von Puls 4 eingekauft (DWDL.de berichtete). Vor harten Einschnitten ist ServusTV in Österreich bislang also verschont geblieben, dennoch wird alles verstärkt auf Effizienz getrimmt. Auch die vom Red Bull Media House angestrebte 360-Grad-Vermarktung soll intensiviert werden.
Keine CL, aber weiter Fußball bei ServusTV
Dass man ab der kommenden Saison keine Champions League mehr im Programm hat, ist auch eher keine große Sparmaßnahme, sondern der Tatsache geschuldet, dass Fußballrechte gut und gerne mal überraschend den Besitzer wechseln. So war es auch in diesem Fall, die Fußball-Königsklasse ist künftig nur noch im Pay-TV zu sehen, bei Sky und Canal+.
Und Fußball hat ServusTV auch langfristig im Programm. Sei es durch den Deal mit Puls 4 zur Europa League, oder durch den Einkauf der Euro 2028-Rechte. Hinzu kommen Qualispiele für dieses Turnier und die WM 2026, die dann allerdings im ORF zu sehen sein wird. Sublizenzen für die Weltmeisterschaft sind noch nicht vergeben worden, aber so intensiv wie ServusTV und ORF mittlerweile kooperieren, wäre es keine Überraschung, wenn das auch hier wieder so eintreten würde. Die Vorwürfe, die ServusTV während der jüngsten EM in Richtung ORF erhob, dürften da schon wieder längst vergessen sein.
Dass ServusTV Fußball kann, hat der Sender in den zurückliegenden Wochen unter Beweis gestellt. Die EM-Übertragungen brachten den Salzburgern nicht nur hohe Quoten ein, sondern auch reichlich Lob. Die Sendungen zeigten erstmals einem großen Publikum auf, wie angestaubt die Übertragungen im ORF mittlerweile sind. Auch die frische Fußballberichterstattung ist, bei aller Kritik die es an ihm gibt, ein Verdienst von Ferdinand Wegscheider. Und doch sieht es so aus, als würde der langjährige Alleinherrscher nach und nach Verantwortung abgeben. Red Bull baut jedenfalls ein schlagkräftiges Management-Team um ihn herum auf, das im Fall der Fälle übernehmen könnte. Wann auch immer das sein mag…