Wer sich mit der föderalen Medienaufsicht in Deutschland beschäftigt, wird vielleicht auf die eine oder andere Überraschung stoßen. Etwa die, dass die für den privaten Rundfunk zuständigen Landesmedienanstalten über den Rundfunkbeitrag finanziert werden, was in sich schon ein etwas kurioser Umstand ist. Es wird aber noch interessanter: Den Landesmedienanstalten stehen laut Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag 1,8989 Prozent der durch den Rundfunkbeitrag erzielten Einnahmen zu - zumindest in der Theorie.
In der Praxis ist es nämlich so, dass viele Bundesländer der Meinung sind, dass diese 1,8989 Prozent für die Landesmedienanstalten zu viel Geld bedeuten würde. Also haben sie den sogenannten Vorwegabzug eingeführt, durch den die Anstalten, zuständig für Aufsicht und Regulierung, aber auch für andere Aufgaben wie die Vermittlung von Medienkompetenz, weniger Geld zur Verfügung haben, als ihnen theoretisch zustehen würde. Nur sechs Bundesländer (Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen, Saarland und Rheinland-Pfalz) haben keinen Vorwegabzug, sodass sie die volle Höhe der 1,8989 Prozent der Rundfunkbeitragsaufkommens in ihrem jeweiligen Bundesland erhalten.
In den anderen Ländern gibt es teils drastische Unterschiede. In Mecklenburg-Vorpommern beträgt der Vorwegabzug lediglich 20 Prozent, in Hamburg/Schleswig-Holstein dagegen 68 Prozent. Und in Sachsen hat die Politik keinen prozentualen Abzug festgelegt, sondern eine feste Summe in Höhe von 1,38 Millionen Euro, die der dortigen Landesmedienanstalt abgezogen wird.
Landesmedienanstalten: Vorwegabzug im Überblick
Höhe des Vorwegabzugs | |
---|---|
Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) | 39,87 % |
Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) | - |
Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) | 27,50 % |
Bremische Landesmedienanstalt (brema) | - |
Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) |
68,00 % |
Medienanstalt Hessen | 37,50 % |
Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV) | 20,00 % |
Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) | 35,00 % |
Landesanstalt für Medien NRW | 45,00 % (ab 2025 40 %) |
Medienanstalt Rheinland-Pfalz | - |
Landesmedienanstalt Saarland (LMS) | - |
Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) | 1.380.488 € |
Medienanstalt Sachsen-Anhalt | - |
Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) | - |
Anders als beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es bei den Landesmedienanstalten nicht so, dass sie von der Politik regelmäßig zum Sparen aufgefordert werden - oder ihnen ausgerichtet wird, sie sollen dieses oder jenes Angebot überprüfen. Das Gegenteil ist der Fall: Mit dem im November 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag wurden die Aufgaben der Medienanstalten deutlich ausgeweitet, insbesondere auf die Regulierung journalistisch-redaktioneller Onlinemedien, Plattformen, Benutzeroberflächen und Intermediäre. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) hat sich auf dieser Basis vor einigen Wochen erstmals medienrechtlich mit Automobilherstellern beschäftigt (DWDL.de berichtete).
Mehr Aufgaben, aber nicht mehr Geld?
Wollen die Landesmedienanstalten mehr Budget, geht das in vielen Fällen also vor allem durch einem Gang zur Politik mit der Bitte, den jeweiligen Vorwegabzug zu verringern. In Berlin-Brandenburg und Niedersachsen wurde der Vorwegabzug kürzlich reduziert, sodass den Anstalten dort inzwischen mehr Geld zur Verfügung steht. In NRW erfolgt zudem 2025 eine Absenkung des Vorwegabzugs. In anderen Bundesländern ist die Situation dagegen eine andere: In Baden-Württemberg hat der Medienrat der dortigen Landesmedienanstalt LFK kürzlich die Politik öffentlich dazu aufgefordert, über eine Reduzierung des Vorwegabzugs in Höhe von 39,87 Prozent nachzudenken, weil die finanziellen Spielräume "zunehmend eingeschränkt" würden.
DWDL.de hat sich bei allen Landesmedienanstalten umgehört und wollte unter anderem wissen, wie sich die Budgets der jeweiligen Behörden verändert haben, ob sie mit ihrem aktuellen Etat finanziell gut ausgestattet sind und was eigentlich passiert, wenn der Rundfunkbeitrag wie erwartet zumindest nicht direkt zum Jahreswechsel steigt. Die Antworten fielen dabei so unterschiedlich aus wie die jeweiligen Vorwegabzüge. Viele Landesmedienanstalten lieferten detaillierte Einblicke und Antworten, die Bremische Landesmedienanstalt und die Medienanstalt Rheinland-Pfalz verwiesen auf das Statement von Eva Flecken, von der Sächsischen Landesmedienanstalt kam gar keine Antwort und in Mecklenburg-Vorpommern sah man sich nicht imstande, innerhalb der gesetzten Frist zu antworten.
Zufrieden mit der Situation zeigt man sich in Bayern, NRW, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Also in den Ländern, in denen der Vorwegabzug zuletzt verringert wurde bzw. es ihn überhaupt nicht gibt. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) ist mit rund 26 Millionen Euro aus dem Rundfunkbeitrag die finanzstärkste Landesmedienanstalt. Durch weitere Einnahmen liegt das Gesamtbudget sogar bei mehr als 30 Millionen Euro. Das Budget der Landesanstalt für Medien NRW beträgt in diesem Jahr rund 18,2 Millionen Euro, weil der Vorwegabzug ab 2025 um 5 Prozentpunkte auf 40 Prozent gesenkt wird, kommen dann wohl rund 1,6 Millionen Euro hinzu. In Niedersachsen wurde der Vorwegabzug bereits zu Anfang dieses Jahres von 35 auf 27 Prozent reduziert, der dortigen NLM stehen dadurch mehr als eine Million Euro zusätzlich zur Verfügung, insgesamt hat die Anstalt Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag in Höhe von 10,8 Millionen Euro.
Mehrere Anstalten schlagen Alarm
Alarm schlagen dagegen die Landesmedienanstalten aus Berlin-Brandenburg, Hamburg-Schleswig Holstein, dem Saarland und Thüringen. Vor allem im Falle der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) ist das auf den ersten Blick überraschend, hatte die Politik dort doch erst im Dezember rückwirkend zum 1. Januar 2023 den Vorwegabzug in Höhe von 33 Prozent auf 27,5 Prozent gesenkt. Damit stiegen die mabb-Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag von 8,1 Millionen Euro 2022 auf 9,3 Millionen im vergangenen Jahr. 2024 wird man wohl bei etwa 8,7 Millionen Euro zur Verfügung haben.
"Die mabb hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, Kosten einzusparen und ihre Ausgaben zu fokussieren. So ist sie beispielsweise aus Gründen der Kostenersparnis als Gesellschafterin aus der Electronic Media School (ems) ausgestiegen. Gleichwohl reichen die finanziellen Mittel der Medienanstalt Berlin-Brandenburg trotz der bereits erfolgten Senkung des Vorwegabzugs um 5,5 Prozentpunkte und den Einsparungen mittelfristig nicht aus, um die gesetzlichen Aufgaben der mabb zu finanzieren", heißt es von einer mabb-Sprecherin gegenüber DWDL.de. Dies betreffe vor allem Aufgaben unter anderem im Bereich der Regulierung von Intermediären, Benutzeroberflächen und Sprachassistenten oder auch die Überprüfung journalistischer Sorgfaltspflichten in Onlinemedien. Die rasante technologische Entwicklung im Bereich KI würde das noch verstärken.
Bei allen Medienaufsichtsbehörden machen die Personalkosten den Großteil der Ausgaben aus. "Im grundrechtssensiblen Bereich der behördlichen Medienaufsicht müssen jedoch immer Menschen die Letztentscheidung treffen", heißt es dazu von der mabb, die davon ausgeht, auch mittelfristig zusätzliches Personal zu benötigen. Finanziert werden könne das nur über eine weitere Reduzierung des Vorwegabzugs.
"Die finanziellen Mittel der Medienanstalt Berlin-Brandenburg reichen trotz der bereits erfolgten Senkung des Vorwegabzugs um 5,5 Prozentpunkte und den Einsparungen mittelfristig nicht aus, um die gesetzlichen Aufgaben der mabb zu finanzieren."
mabb-Sprecherin
Etwas diplomatischer, aber in der Sache ebenso klar, zeigt sich die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM). Das ist deshalb interessant, weil es in Thüringen keinen Vorwegabzug gibt, man also die volle Höhe der 1,8989 Prozent am Rundfunkbeitrag erhält. Nur: "Da der Finanzierungsanteil in Thüringen, gemessen an den Haushalten, in absoluten Zahlen grundsätzlich gering ist und nur wenig steigt, bleibt es zukünftig weiterhin schwierig, einen auskömmlichen Haushalt unter Einbeziehung aller gesetzlicher Aufgaben abzubilden." Die Thüringer Landesregierung fordert seit einiger Zeit außerdem eine Erhöhung des TLM-Anteils am Rundfunkbeitragsaufkommen in Thüringen auf 3 Prozent, noch ist ein solcher Schritt aber nicht absehbar. Daher wäre es für die TLM zumindest wichtig, dass der Rundfunkbeitrag wie von der KEF empfohlen steigt - aber auch das ist unwahrscheinlich, zumindest direkt zum Jahreswechsel.
Der Rundfunkbeitrag und das Tauziehen darum ist ohnehin bei allen Landesmedienanstalten ein großes Thema, das zeigt auch schon die Aussage von Eva Flecken. In Thüringen warnt man nun zusätzlich, dass eine Beibehaltung der aktuellen Beitragshöhe mit Blick auf die Kostensteigerungen dazu führen würde, dass man neben dem "ohnehin maßgeblichen wirtschaftlich-sparsamen Ansatz auch sonstige Einsparungen und Anpassungen" vornehmen müsse. Die mabb spricht von einer "relevanten Summe", die durch eine Nicht-Erhöhung verloren gehe. Weil aber alle die Realitäten sehen, haben viele von DWDL.de befragte Landesmedienanstalten den KEF-Vorschlag eines erhöhten Rundfunkbeitrags nicht in ihrer mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigt - zu unsicher sind die Zeichen, die es dazu aus der Politik gibt.
Wichtiger Sockelbetrag
Für die Medienanstalt Hessen hat sich der Vorwegabzug in Höhe von 37,5 Prozent in den vergangenen Jahren nicht verändert. Alleine das werde bei deutlich mehr Aufgaben als in der Vergangenheit "zunehmend eine besondere Herausforderung", heißt es dazu von einem Sprecher gegenüber DWDL.de. Hinzu kommen noch inflationsbedingte Kostensteigerungen. Neben dem 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag wurde das Aufgabenfeld der Medienanstalt Hessen 2022 auch um die Vermittlung von Medienbildung sowie die Förderung von Medienkompetenz erweitert. Außerdem habe man sich den Problemen Fake News, Desinformation und Hate Speech verschrieben, heißt es aus Hessen. Alles Themen, die in den zurückliegenden Jahren größer geworden sind. Eine Forderung nach mehr Budget will die Medienanstalt Hessen dennoch nicht stellen: "Alleine dem Gesetzgeber obliegt die Entscheidung, für die Bewältigung der zusätzlichen Aufgaben [...] die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen."
Eine Sondersituation gibt es in den kleinen Bundesländern Bremen und Saarland. Die dortigen Landesmedienanstalten sind mit Einnahmen um die 2 Millionen Euro aus dem Rundfunkbeitrag die mit Abstand kleinsten. Die Landesmedienanstalt Saarland (LMS) teilt gegenüber DWDL.de mit, dass man im Durchschnitt der letzten Jahre ein Jahresdefizit von rund 400.000 Euro eingefahren habe. "Die Einnahmeentwicklung der LMS hält leider seit langem nicht mehr Schritt mit den aus der Aufgabenentwicklung einerseits und den allgemeinen Kostensteigerungen andererseits resultierenden notwendigen Ausgaben." Maßgeblich dafür ist speziell bei den kleinen Landesmedienanstalten die Tatsache, dass der Sockelbetrag, den alle Anstalten als eine Art Grundausstattung aus dem Gesamtbeitragsanteil vorab erhalten, seit mehr als 30 Jahren nicht erhöht wurde.
"Mangels sonstiger relevanter Einnahmemöglichkeiten sieht sich die LMS bereits seit längerem als nicht mehr funktions- und bedarfsgerecht finanziell ausgestattet."
LMS-Sprecherin
Dieser Sockelbetrag in Höhe von 511.290 Euro jährlich ist für kleine Landesmedienanstalten überlebenswichtig - doch auch diese kleinen Anstalten haben in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben erhalten, die sie erledigen müssen. Im Saarland macht der Sockelbetrag rund 25 Prozent des ihr zustehenden Rundfunkbeitragsanteils aus. "Mangels sonstiger relevanter Einnahmemöglichkeiten sieht sich die LMS bereits seit längerem als nicht mehr funktions- und bedarfsgerecht finanziell ausgestattet", so eine Sprecherin gegenüber DWDL.de. Die LMS fordert daher eine Vervierfachung des Sockelbetrags. "Dass die LMS seit Jahrzehnten mit einem gleichbleibenden Jahresbudget klarkommen muss, macht deutlich, dass die Bewältigung der Pflichtaufgaben nur noch mit größter Flexibilität und erheblicher Mehrarbeit durch das Personal zu erfüllen ist."
Besonders dramatisch ist die Situation bei der Medienanstalt Hamburg-Schleswig Holstein (MA HSH), die mit einem Gesamtbudget in Höhe von 3,7 Millionen Euro zu den kleineren Anstalten zählt. Das hängt auch ganz wesentlich mit dem Vorwegabzug zusammen, der mit 68 Prozent so hoch ist wie nirgendwo sonst - und er war in der Vergangenheit sogar noch höher. Bei der Gründung der MA HSH im Jahr 2007 lag der Vorwegabzug bei 77 Prozent und wurde erst 2017 auf den heutigen Stand gesenkt. "Die Ist-Einnahmen der MA HSH liegen seither unter dem Niveau von 2016, sodass die MA HSH mit der Reduzierung des Vorwegabzugs 2017 de facto schlechter gestellt wurde", heißt es von der Behörde gegenüber DWDL.de.
MA HSH will mehr Geld - bekommt es aber wohl nicht
Und auch in Hamburg-Schleswig Holstein sind die Aufgaben in den zurückliegenden Jahren eher mehr als weniger geworden. Auf die Frage, ob man mit dem aktuellen Budget finanziell gut ausgestattet ist, fällt die Antwort der Landesmedienanstalt daher auch eindeutig aus: "Nein." Eine Sprecherin betont: "Es ist der gesetzliche Auftrag der Länder, für eine funktionsgerechte Finanzierung der MA HSH zu sorgen. Da dies nicht mehr der Fall ist, ist es weniger Wunsch als Erwartung, dass die Länder nun tätig werden." Durch die von der KEF empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags würde sich nach Angaben der MA HSH die "Unterfinanzierung" übrigens nicht beseitigen lassen. "Zentral bleibt für die MA HSH daher eine angemessene Reduzierung des Vorwegabzugs."
Mit einer entsprechenden Absenkung ist vorerst aber nicht zu rechnen. Von der Hamburger Behörde für Kultur und Medien heißt es gegenüber DWDL.de, dass die Finanzierung der MA HSH "natürlich auskömmlich" sein müsse. Um das zu gewährleisten, verfolge man die wirtschaftliche Lage der Landesmedienanstalt sehr genau. Das Ergebnis: "Bisher ist es regelmäßig gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen." Ein Sprecher der Hamburger Behörde verweist darauf, dass es durchaus immer neue Anforderungen an die Regulierung gebe, andere Aufgaben im Bereich der Zulassung aber an Bedeutung verloren hätten. Außerdem sei die Medienanstalt HSH nicht verpflichtet, anders als andere Anstalten, unabhängige Offene Kanäle zu finanzieren. Das geschieht in Hamburg-Schleswig Holstein zwar auch, aber eben nicht über die Landesmedienanstalt. "Genau dies macht den hohen Vorwegabzug notwendig, was gleichzeitig aber den Etat der MA HSH senkt, die ihrerseits keinen Bürgerrundfunk anbieten muss."
So ist und bleibt die Medienaufsicht in Deutschland ein föderaler Flickenteppich, bei dem einige Glück haben und nicht über zu wenig Geld klagen (müssen) - andere dagegen ringen fast schon verzweifelt um mehr Budget. Einerseits, weil der Vorwegabzug aus ihrer Sicht zu hoch ist. Andererseits aber auch deshalb, weil der Sockelbetrag seit Jahrzehnten nicht verändert wurde - und sie über den normalen Verteilungsschlüssel aufgrund der Größe ihres Bundeslandes ohnehin nicht genügend Einnahmen generieren würden.