Das Tal ist vorerst durchschritten: Hatte RTLzwei in der Saison 2022/23 die meiste Zeit über in der Zielgruppe 14-49 noch unter der 4-Prozent-Marke gelegen, so passierte das in der zu Ende gehenden Saison 2023/24 kein einziges Mal mehr. Ein ähnlich großer Aufschwung wie im Frühjahr vergangenen Jahres blieb zwar aus, doch RTLzwei zeigte sich zwischen September und Mai bemerkenswert stabil mit Marktanteilen zwischen 4,0 und 4,2 Prozent.
Offenbar steht also das Fundament aktuell sehr stabil - und verantwortlich dafür sind vor allem langjährige Dauerbrenner. Da wären als vielleicht wichtigste Sendergesichter allen voran "Die Geissens" zu nennen, die nun schon seit 2011 mit der Kamera begleitet werden - und an denen sich das Publikum augenscheinlich immernoch nicht sattgesehen hat, sodass selbst die Töchter in einem eigenen Spin-Off zu sehen sind. In etwas abgeschwächter Form gilt das auch für "Die Wollnys".
Dokus mit Durchhaltevermögen
Gleichwohl scheitert RTLzwei aber auch schon seit ähnlich langer Zeit daran, dieses Portfolio auszubauen. Zuletzt versuchte man es mit Joey Kelly samt Familie auf Roadtrip - mal wieder mit mäßigem Erfolg. Man darf gespannt sein, ob Danni Büchner hier mehr Erfolg beschieden sein wird, zumal Daniela Katzenberger ja zu Vox abgewandert ist.
Generell zeichnet sich RTLzwei im Dokubereich auch abseits von "Geissens" und "Wollnys" durch ein bemerkenswertes Durchhaltevermögen aus: Immer wiederkehrende Protagonistinnen und Protagonisten werden über viele Jahre begleitet. Das gilt auch für andere Mikrokosmen wie den Campingplatz in "Bella Italia" oder die Kiez-Bewohner in "Reeperbahn Privat" - ebenso wie auch für die Sozialdokus. Während bei anderen Sendern das Genre wieder etwas aus der Mode kam, hält RTLzwei unbeirrt an "Hartz und Herzlich", "Hartes Deutschland" und Co. fest und fährt damit gut. Denn neben regelmäßig guten Quoten in der Primetime, hat man damit auch noch den lange darbenden Nachmittag ein Stück weit saniert - mit zwischenzeitlich mehrfach sogar zweistelligen Marktanteilen.
Das sorgt für die nötige Luft, um eine der größeren Baustellen im RTLzwei-Programm anzugehen: Den 18-Uhr-Sendeplatz. Der Versuch, "Köln 50667" hier nochmal grundlegend umzukrempeln und einen Neustart hinzulegen, ging schief. Inzwischen steht fest: Das Format wird in etwas anderer Form nur noch bei RTL+ fortgesetzt. Man darf gespannt sein, was RTLzwei ab Herbst stattdessen auf diesem Sendeplatz zeigen und "Berlin - Tag & Nacht" zur Seite stellen wird - oder ob man auf Dauer nicht letztlich doch einfach die Sozialdoku-Schiene weiter ausweitet.
Zum Verhängnis wurde "Köln 50667", dass das mit diesem Format anvisierte ganz junge Publikum immer schwerer zum linearen Fernsehen zu locken ist. Ein Problem, das auch ein über mehrere Jahre großes Aushängeschild wie "Love Island" trifft, das zuletzt offenbar auch eher mit Blick auf die Abrufzahlen bei RTL+ Freude machte als beim Blick auf die lineare TV-Quote. "Kampf der Realitystars" bekam jüngst zwar auch schon ein paar Kratzer ab, hält sich aber auch linear weiter auf einem starken Niveau.
Die Herausforderung: Ein passendes Entertainment-Line-Up
Doch klar scheint, dass auch RTLzwei nicht darum herum kommt, sich im Linearen an ein älter werdendes Publikum anzupassen. Ein Versuch ist der in den letzten Monaten vorangetriebene Ausbau des Entertainment-Genres - wo man bestens bekannte Marken mit einigen Neustarts mischte. Allerdings hat man die richtige Mixtur und den passenden Sendeplatz dafür noch nicht so recht gefunden.
"Genial daneben" etwa hat zwar mit Marktanteilen von bis zu 5,7 Prozent in der klassischen Zielgruppe auch in dieser Saison aufblitzen lassen, welches Potential möglich wäre, blieb aber häufig auch blass und lag im Schnitt bei um 4 Prozent. In dessen Schlepptau wurde dann in den letzten Monaten allerhand experimentiert, teils mit neuen Formate wie "Ein Haus voller Geld" oder "Dinge gibt's", teils mit Neuauflagen bekannter Formate wie "Glücksrad", "Genial witzig" oder "Nightwash".
Das funktionierte mal mau, mal solide - ein großer Hit war in jedem Fall noch nicht dabei. Mit am besten schlug sich noch das von RTL geerbte "Glücksrad", das zu diesem Budget aber wohl kaum 1:1 so fortzusetzen ist. Das lag teils am harten Umfeld am Donnerstagabend mit häufig starker Fußball-Konkurrenz und einem unerwartet erstarkten Sat.1-Quizabend. Teils aber auch daran, dass das Line-Up häufig nicht so ganz stimmig erschien. Eine Gameshow zwischen zwei Comedy-Formaten - das ist vielleicht einfach nicht der perfekte Fit. Vielleicht würde sich ja zum "Glücksrad" viel besser "Der Preis ist heiß" gesellen - das hat sich mit der von RTL geerbten Folge ja schon ganz gut geschlagen, auch wenn es mit diesem Budget wohl eher nicht 1:1 von RTLzwei zu stemmen ist.
Dass man sich bei RTLzwei überhaupt solche Gedanken machen muss, liegt an einer Strategie, die inzwischen schon als Sonderweg gelten darf: Während anderswo Shows immer weiter ausgedehnt werden, setzt man bei RTLzwei - auch mit Blick auf die übersichtlichen Budgets - auf Einstünder. Die Herausforderung, mehrere zueinander passende Formate finden zu müssen, beinhaltet aber zugleich auch die Chance, dass diese Formate sich dann im besten Fall auch gegenseitig stützen können. Die Arbeit könnte sich also auszahlen - wenn sich die passende Mischung findet.