Für Vox war die zurückliegende Saison auf den ersten Blick eine äußerst erfolgreiche. Der RTL-Schwester gelang es, sich in der Publikumsgunst dauerhaft vor Sat.1 zu setzen – sowohl beim Gesamtpublikum als auch in den Zielgruppen der 14- bis 49-Jährigen und 14- bis 59-Jährigen. Mehr als 30 Jahre nach dem Sendestart hat sich Vox somit eine starke Position erarbeitet, die der dauerkriselnde Mitbewerber aus Unterföhring unter der Führung seines neuen Chefs Marc Rasmus nur allzu gerne zurückerobern würde.
Tatsächlich hat es Vox weniger der eigenen Stärke zu verdanken, an Sat.1 vorbeigezogen zu sein, als vielmehr der Schwäche des Konkurrenten. Denn auf den zweiten Blick verlief die vergangenen Saison für Vox dann doch nicht so rund, wie man es zunächst vermuten würde: In gleich sieben der letzten neun Monate bewegte sich der Sender in der klassischen Zielgruppe unterhalb der Marktanteile des Vorjahresmonats. Die Marke von sieben Prozent, die noch in der Saison 2022/23 immerhin vier Mal übersprungen wurde, verfehlte Vox diesmal durchgängig – und landete stattdessen im Januar erstmals seit über drei Jahren sogar unter Hürde von sechs Prozent.
Und auch wenn die Sechs zuletzt wieder regelmäßig vor dem Komma stand, bleibt festzuhalten, dass der Vox-Motor etwas ins Stottern geriet. Das wiederum ist vor allem auf eine erstaunlich überschaubare Zahl neuer Impulse zurückzuführen, über die schon vor einem Jahr an dieser Stelle geschrieben wurde.
"Löwen" und Mälzer mit Verlusten
Auch hier gibt es zwei Betrachtungsweisen: Es ist richtig, dass sich Vox weiterhin auf seine Dauerbrenner verlassen kann, die das Programm in der Day- und Primetime tragen. Ebenso richtig ist allerdings, dass einige dieser Dauerbrenner zuletzt etwas schwächer brannten. "Die Höhle der Löwen" ist mittlerweile ebenso weit entfernt von einstigen Bestwerten entfernt wie Tim Mälzerns Koch-Duell "Kitchen Impossible", das im Frühjahr spürbar darunter litt, gegen den ProSieben-Hit "Wer stiehlt mir die Show?" ins Rennen ziehen zu müssen.
Es gibt allerdings auch Gegenbewegungen: "Sing meinen Song" schnitt in den vergangenen Wochen stärker ab als in den Staffeln der jüngeren Vergangenheit und am Vorabend ist "Das perfekte Dinner" pünktlich zum 18-jährigen Jubiläum so stark wie seit vielen Jahren nicht mehr. Zusammen mit der Datingshow "First Dates" bildet die Kochshow am Vorabend ein sehr erfolgreiches Doppel. In der Primetime wiederum funktionierte zudem "First Dates Hotel" erneut richtig gut, auch die Promi-Version wurde vom Publikum angenommen.
Die Idee, nach dem Erfolg von "First Dates" weitere Kuppelshows ins Programm zu hieven, scheiterte jedoch kläglich – allen voran die zweite Staffel von "Herz an Bord" ging baden. Aber auch "My Mom, Your Dad" und "Save the Date" erwiesen sich als Flops und waren weit entfernt von Quoten, wie sie Roland Trettl regelmäßig einfährt. Und auch tagsüber lief es zuletzt, trotz der anhaltenden Schwäche von Sat.1, nicht vollends rund: Hier musste "Shopping Queen" ein paar Federn lassen und die anschließenden "Dekoprofis" blieben zumeist blass. Dazu kommt, dass die Familien-Dokusoap "Full House" in der zweiten Staffel bei Weitem nicht an die Erfolge der ersten Staffel anknüpfen konnte.
Warten auf den nächsten Leuchtturm
Wo sind sie also, die neuen Leuchttürme? Mit Doc Caro hat sich Vox zwar sinnvolle Verstärkung von Sat.1 geholt, doch als ganz großer Überflieger taugte die Dokusoap mit der Notfallmedizinerin ebenso wenig wie der Food-Experte Sebastian Lege. Dessen neue Vox-Show "Lege kommt auf den Geschmack" blieb mit im Schnitt rund sieben Prozent Marktanteil in der Zielgruppe dann doch ein ganzes Stück hinter den Quoten zurück, die Lege in der Vergangenheit mit ähnlich gelagerten Formaten im ZDF verzeichnete.
Doch es mangelte Vox in der zurückliegenden Saison nicht nur an einem neuen Leuchtturm, sondern auch an einem echten inhaltlichen Ausrufezeichen. Nachdem die Doku-Reihe "Zum Schwarzwälder Hirsch" im Vorjahr noch Publikum und Kritiker gleichermaßen begeisterte, fehlte es dem Sender diesmal an einem derart prägenden Format. All das zusammen erklärt, weshalb Vox in den vergangenen Monaten zumindest ein Stück weit an Zugkraft eingebüßt hat. So lange sich Sat.1 jedoch weiterhin schwer tut, mag das reichen, um die Kölner Doppelspitze zu verteidigen. Aber Vorsicht, Vox: Sollte die Konkurrenz aus Unterföhring auch nur ein paar ihrer Baustellen in den Griff bekommen, könnte der zweite Platz schnell wieder Geschichte sein.