Das Ende des sogenannten Nebenkostenprivilegs hat das Zeug dazu, die Welt der TV-Anbieter mächtig durcheinanderzubringen. Es ist aber auch ein sehr erklärungsbedürftiges Unterfangen. Kurz zusammengefasst ist es so, dass spätestens zum 1. Juli 12,5 Millionen von insgesamt knapp 17 Millionen Kabel-Haushalten in Deutschland erstmals frei darüber entscheiden, über welchen Weg sie ihr TV-Signal künftig empfangen wollen - oder ob sie womöglich ganz darauf verzichten.

Bislang war es bei diesen 12,5 Millionen Haushalten so, dass ihr TV-Signal in der Basis-Version ungefragt aus der Dose kam. Durch das Nebenkostenprivileg wurde es den Vermieterinnen und Vermietern gesetzlich erlaubt, den Kabelanschluss monatlich über die Nebenkosten abzurechnen. Damit ist künftig Schluss - mit potenziell verheerenden Auswirkungen für die großen Kabelnetzbetreiber, allen voran Vodafone als größter seiner Art. 

Zuletzt verfügte Vodafone noch über 8,5 Millionen Kabelanschlüsse in Mehrfamilienhäusern, diese bescherten dem Konzern einen Umsatz in Höhe von 800 Millionen Euro. Es ist davon auszugehen, dass Vodafone einen Teil dieser Kunden verliert, weil sich einige davon um Alternativen bemühen oder gar kein TV-Anschluss mehr buchen. Für das Unternehmen geht es schon seit Monaten darum, Aufklärungsarbeit an der Basis zu leisten, um mit möglichst vielen Menschen individuelle Verträge abzuschließen. 

"Ein sehr erklärungsbedürftiges Thema"

Marc Albers © Vodafone Marc Albers
"Die Gesetzesänderung ist ein sehr erklärungsbedürftiges Thema ist, viele Mieter sind verunsichert und wir können auch nicht jeden Mieter aufgrund des bisherigen indirekten Vertragsverhältnisses erreichen", sagt Marc Albers, kommissarischer Leiter Privatkunden bei Vodafone, gegenüber DWDL.de. Dementsprechend hatte man schon vor Monaten eine Kampagne aufgelegt, durch die man die Menschen dazu bringen wollte zu prüfen, ob sie von dem Ende des Nebenkostenprivilegs betroffen sind. Schon früh führte Vodafone daher eine Art "Weiter so"-Angebot für die betroffenen Haushalte ein. Der sogenannte "TV Connect Start"-Tarif bietet eine Art Basis-Programm ab 9,99 Euro (DWDL.de berichtete). 

Mittlerweile hat sich der Fokus der Kampagne verschoben, man setzt in der Kommunikation eher auf Emotionen. Das Motto lautet daher: "Schenkt euch auch in Zukunft Momente, die bleiben". Man wolle auch weiterhin "der zuverlässige TV-Partner" der Menschen sein, sagt Albers. Dass sich der Schwerpunkt der Kampagne mittlerweile verschoben hat, hat laut dem Vodafone-Manager konkrete Gründe: "Es ist in der Marktforschung, an der Zahl steigender Webseitenaufrufe und Kontakte mit Kunden an der Hotline deutlich ersichtlich, dass die Verbraucher sich intensiv und stark zunehmend mit dem Thema TV beschäftigen. Und wir sehen auch, dass das Interesse an Kabelanschlüssen deutlich zunimmt, je näher wir dem 1. Juli kommen. Die Verbraucher sind sensibilisiert."

Chance oder Risiko?

Überhaupt ist man bei Vodafone optimistisch, erfolgreich durch die Veränderung navigieren zu können. "Der Wegfall der Umlagefähigkeit ist zudem auch eine Chance: Vodafone hatte bislang kein direktes Vertragsverhältnis mit den Mietern", sagt Albers gegenüber DWDL.de. Was er damit meint: Viele Menschen, die bislang über Vodafone Fernsehen gesehen haben, wussten das vielleicht gar nicht - weil sie keinen Vertrag mit dem Unternehmen hatten. "Das ändert sich nun. Viele Mieter gehen somit erstmals ein direktes Vertragsverhältnis mit Vodafone ein oder beschäftigen sich mit den Lösungen von Vodafone – und damit auch mit den gigabitschnellen Internetangeboten." 

Niemand möchte Kabel umstecken, zusätzliche Geräte installieren oder eine zweite Fernbedienung verwenden.
Marc Albers, kommissarischer Leiter Privatkunden bei Vodafone


Und auch mit der Wohnungswirtschaft hat sich Vodafone zuletzt in einem intensiven Austausch befunden. Ein Teil der Vermieterinnen und Vermieter hält nämlich weiterhin an einer direkten Abrechnung für Fernsehen fest. Die Kosten werden dann aber nicht mehr über die Nebenkosten abgerechnet, sondern über anderweitige Zusatzvereinbarungen. Entsprechend mussten auch die Verträge zwischen Vodafone und der Wohnungswirtschaft neu aufgesetzt werden. 

Die Konkurrenz ist dennoch groß und bringt sich ebenfalls seit Monaten in Stellung. Vor allem natürlich die Telekom, die für MagentaTV trommelt und mit der Fußball-EM wuchern kann - entsprechende Kampagnen laufen längst. Selbst Sky und ProSiebenSat.1 wollen profitieren und positionieren sich mit Sky TV bzw. Joyn als mögliche Alternative zum klassischen Kabelanschluss. Und dann sind da ja auch noch die IPTV-Anbieter wie Zattoo und Waipu.TV, die auf einen Kunden-Boom hoffen. Zattoo hat zuletzt erst einen vergleichsweise günstigen Basic-Tarif eingeführt und bei Waipu.TV gibt’s nun als zusätzlichen Leckerbissen für Wechselwillige ein Teletext-Angebot. Sogar HD Plus hofft, als Profiteur aus der ganzen Sache hervorzugehen (DWDL.de berichtete). 

Kein zentrales Abschaltdatum

In diesem verschärften Wettbewerb hofft Vodafone auch auf die Bequemlichkeit vieler Menschen, die womöglich gar keine Änderungen wollen. "Wir glauben, dass viele Mieter weiter auf den bewährten Kabelanschluss und eine TV-Grundversorgung setzen werden. Die Marktforschung zeigt, dass viele Mieter eher ‘Fernseh-Puristen’ sind, denen ihre gewohnten Programme wichtiger sind als Streaming-Dienste oder Internetfernsehen. Niemand möchte Kabel umstecken, zusätzliche Geräte installieren oder eine zweite Fernbedienung verwenden", sagt Marc Albers. Weil man sich aber nicht nur auf die Bequemlichkeit verlassen will, hat man nicht nur den bereits erwähnten Einsteigertarif eingeführt, sondern zuletzt auch ein Hardware-Update angekündigt

Doch was passiert ab dem 1. Juli mit den Menschen, deren TV-Signal bislang über die Nebenkosten abgerechnet wurde und die sich um keine Alternative bemüht haben? Eine Info-Webseite von Vodafone ist da recht eindeutig, dort heißt es: "Ohne einen eigenen Vertrag ist es spätestens dann nicht mehr möglich über den Kabelanschluss TV zu schauen". Ein zentrales Abschaltdatum gibt es aber nach wie vor nicht, das bestätigt Marc Albers nun noch einmal gegenüber DWDL.de. Das ist auch gar nicht möglich, denn um Haushalte oder ganze Häuser vom Kabelanschluss abzuschneiden, muss ein Techniker ausrücken. 

Vodafone-Manager Albers macht aber auch klar: "Spätestens zum 1. Juli 2024 muss ein Vertrag mit Vodafone abgeschlossen werden, wenn man weiter Kabelfernsehen nutzen möchte. Ansonsten droht irgendwann ein schwarzer Bildschirm – wir behalten uns vor, Kabelanschlüsse auch zu sperren." Man habe schon in vielen Städten Kabel-TV abgeschaltet. "Wir gehen dabei sehr effektiv und zielgerichtet vor."

Mehr zum Thema