Die peinliche Situation, in die David Zaslav sich am vergangenen Montag manövrierte, war ebenso selbst verschuldet wie unnötig. Im Ballsaal des Beverly-Hilton-Hotels saß er kurz vor der Mittagspause auf einem Panel bei der jährlichen Konferenz des Milken-Instituts und sollte mit den Chefs von FedEx und Ernst & Young darüber diskutieren, wie CEOs ihrer Verantwortung gerecht werden. Wer wie Zaslav zu den höchstbezahlten Managern Amerikas zählt, muss in einer solchen Runde damit rechnen, nach der Diskrepanz zwischen persönlicher Entlohnung und allgemeinem Sparkurs gefragt zu werden.

Zaslavs Replik geriet verblüffend: "Ich denke, dass alle CEOs im Einklang mit den Aktionären bezahlt werden müssen. Wenn die Aktie sich gut entwickelt, sollte der CEO besser abschneiden. Läuft die Aktie nicht gut, sollte das auch für den CEO gelten." Eine erstaunliche Haltung, wenn man bedenkt, dass der Kurs von Warner Bros. Discovery (WBD) seit der Fusion 2022 um 68 Prozent nach unten gerauscht ist – während Zaslavs Salär im vorigen Jahr um 27 Prozent auf 49,7 Millionen Dollar anstieg. Seine Boni sind nicht mehr an den Börsenwert, sondern an den freien Cashflow des Konzerns gebunden. Welche Drogen der Mann wohl genommen habe, twitterte ein verstörter Investor.

Um ein weiteres unangenehmes Thema kam Zaslav auf dem Panel auch nicht herum. In den laufenden Verhandlungen um die Übertragungsrechte der Basketball-Liga NBA – eine der amerikanischen Top-3-Ligen neben Football und Baseball – sieht es so aus, als ob der zu WBD gehörende Fernsehsender TNT sein langjähriges Rechtepaket verlieren könnte. Und das muss Zaslav sich höchstselbst zuschreiben. Gegenwärtig zahlt TNT 1,2 Milliarden Dollar jährlich für ein umfassendes Paket, das neben regulären Saisonspielen auch eines der begehrten Playoff-Finals und mehrere Zusatzturniere enthält. In der aktuellen Ausschreibung für die Zeit ab Herbst 2025 haben sich Disney und Amazon bereits Pakete im Wert von 2,6 bzw. 1,8 Milliarden Dollar gesichert. Für das sogenannte "B-Paket", auf das TNT spekuliert, hat Comcast-CEO Brian Roberts unlängst 2,5 Milliarden geboten, weil er NBC nach mehr als zwei Jahrzehnten Pause wieder mit Basketball bereichern will.

David Zaslav © WBD "Finanzziele erreichen": WBD-Boss David Zaslav muss die Schuldenlast seines Konzerns weiter verringern
Unter US-Medienanalysten gilt es als schwerer strategischer Fehler, dass Zaslav die Möglichkeit eines konkurrierenden Gebots lange Zeit nicht in Erwägung gezogen hatte. Wenig diplomatisch hatte er im vorletzten Jahr öffentlich geäußert, WBD brauche die NBA nicht unbedingt. Während des exklusiven Verhandlungsfensters im April, das TNT als Rechteinhaber zustand, kam es zu keiner Einigung. Die Folge: Zaslav müsste nun über 2,5 Milliarden auf den Tisch legen, um NBC auszustechen – also mehr als doppelt so viel wie bisher für ein deutlich kleineres Paket, das nur noch ein Playoff-Finale alle zwei Jahre enthält. Sollte WBD den Basketball verlieren, würden seine ohnehin unter Druck stehenden Kabelsender noch verwundbarer und könnten künftig weniger Distributionserlöse erzielen. Analysten schätzen, dass der WBD-Kurs, der seit Anfang Mai um die Acht-Dollar-Schwelle notiert, in diesem Fall auf sechs Dollar abstürzen würde.

Sollte es wirklich dazu kommen, bliebe Zaslav als einziger Trost, auf die Einsparung von rund 25 Milliarden über die nächste Dekade verweisen zu können. Schließlich ist radikales Sparen seit dem Zusammenschluss von Warner und Discovery eine der Hauptübungen, die der CEO und sein deutscher Finanzvorstand Gunnar Wiedenfels vorgeben. Erst am Mittwoch dieser Woche berichtete Bloomberg, Zaslav habe seine Untergebenen erneut angewiesen, "zusätzliche Möglichkeiten für Kostensenkungen zu finden, um die Finanzziele für die nächsten Jahre zu erreichen". Tausende Angestellte mussten bereits in den vergangenen zwei Jahren gehen, zahlreiche Film- und Serienprojekte wuden gestrichen, so dass die anfängliche Schuldenlast von 55 Milliarden Dollar auf immer noch heftige 40 Milliarden gedrückt werden konnte.

 

US-Konsumenten können Disney+, Hulu und Max ab Spätsommer als rabattierte Kombi abonnieren – das bislang prominenteste Beispiel eines übergreifenden Angebots zweier konkurrierender Studios.

 

Im ersten Quartal verfehlte der Konzern mit knapp unter zehn Milliarden Dollar Umsatz die Marktprognosen. Während die Werbeeinnahmen der TV-Sender abermals um elf Prozent sanken, stagnierten die Streaming-Umsätze bei 2,5 Milliarden. Auch wenn Zaslav bei der Vorstellung der Quartalszahlen versprach, das Content-Line-up der konzerneigenen Streaming-Plattform Max für das kommende Jahr sei – passend zum bevorstehenden Launch in 29 europäischen Ländern (außer Deutschland) – "eines der stärksten, das wir je hatten", scheint der größere Lichtblick aus Investorensicht doch die Ankündigung eines gemeinsamen Streaming-Pakets mit Disney zu sein. US-Konsumenten können Disney+, Hulu und Max ab Spätsommer als rabattierte Kombi abonnieren – das bislang prominenteste Beispiel eines übergreifenden Angebots zweier konkurrierender Studios. Dies werde dazu beitragen, "zusätzliche Abonnenten zu gewinnen und die Kundenbindung zu erhöhen", hofft WBD-Streaming-Chef JB Perrette.

Mit Disney+ hat Max gemeinsam, dass inzwischen beide in wesentlichen Punkten dem erprobten Netflix-Playbook folgen. Auch der WBD-Streamer will ab Herbst konsequent das Account-Sharing unterbinden. Zuschauer, die bisher den Zugang einer anderen Person mitbenutzt haben, ohne zu zahlen, bekommen dann voraussichtlich ein vergünstigtes Abo angeboten, bei dem sie den Streamingverlauf ihres Profils behalten können. Infolge dieser Maßnahme und des Roll-outs in Europa dürfte WBD in der Lage sein, seine Abo-Zahl von knapp hundert Millionen (in die auch HBO und Discovery+ eingerechnet sind) um einige Millionen zu steigern. Mit der zweiten "House of the Dragon"-Staffel im Juni sowie "Dune: Prophecy" und dem "Batman"-Spin-off "The Penguin" im Herbst locken zudem drei der stärksten Marken, die das Studio im Köcher hat.

Die ikonischen IPs von Warner hält Zaslav noch immer für "zu wenig genutzt", wie er die Analysten am Donnerstag wissen ließ. Da mag es ein Schritt in die richtige Richtung sein, dass er für 2026 den ersten Teil der geplanten Neuauflage der "Lord of the Rings"-Filmreihe ankündigen konnte. Produzent ist Peter Jackson, der Warner als Regisseur mit der Originaltrilogie und der anschließenden "Hobbit"-Reihe jeweils drei Milliarden Dollar an den Kinokassen sowie 17 Oscars eingespielt hatte. Der erste neue Film, gerade in Drehbuchentwicklung, trägt den Arbeitstitel "The Hunt for Gollum". Andy Serkis wird die Titelrolle spielen und Regie führen.

In anderer Hinsicht ist es dagegen ungewohnt still bei WBD. Seit April wäre Fusionsfan Zaslav theoretisch wieder frei für die nächste Übernahme, nachdem er zwei Jahre an die gesetzlichen Regeln des für den Warner-Kauf gewählten Steuersparmodells gebunden war. Zwar hatte er seit Dezember eine mögliche Übernahme des schwächelnden Konkurrenten Paramount sondiert, diese Gespräche jedoch Ende Februar ergebnislos abgebrochen. Fusionsgerüchten zwischen WBD und NBC Universal, die sich seit vorigem Jahr hartnäckig hielten, erteilte Comcast-Chef Roberts eine Absage – kurz bevor er Zaslav dann frontal im Kampf um die Basketball-Rechte anging.

US-Studios im Umbruch – bisher erschienen