Man weiß nicht so recht, ob man Shari Redstone bedauern soll oder ob sie sich die Misere sehenden Auges eingebrockt hat. Nüchtern lässt sich feststellen: Das Ausmaß an Drama, das ihr Familienunternehmen seit Jahren umgibt und das jetzt in einer völlig aus den Fugen geratenen Käufersuche samt CEO-Rausschmiss gipfelt, würde anderswo für ein halbes Dutzend Medienkonzerne reichen. Unter Hollywood-Agenten scheint es augemachte Sache, neue Ideen vorerst nicht unbedingt an Paramount+ heranzutragen. Man kann ja nicht wissen, wem die Plattform bald gehört und wie lange es sie überhaupt noch gibt.

Wie konnte es so weit kommen, wo man doch einstmals bedeutende Marken wie CBS, MTV, Nickelodeon oder Paramount Pictures sein eigen nennt? Um die Umstände des lange Zeit undenkbaren Notverkaufs zu verstehen, kann man nicht außer Acht lassen, wie der Konzern systematisch abgewirtschaftet wurde (in groben Zügen vor einem Jahr an dieser Stelle erläutert). Jedenfalls ist der Wertverlust so enorm, dass Shari Redstone, die 77 Prozent der Stimmrechte kontrolliert und dem Aufsichtsrat vorsitzt, ihr betriebliches Vermögen förmlich unter dem Allerwertesten wegschmilzt.

Es gab eine Zeit Mitte der 2010er Jahre, als Viacom und CBS noch zwei getrennte Unternehmen waren, da lag ihr kumulierter Börsenwert bei 75 Milliarden Dollar. Heute, fünf Jahre nach der von Shari Redstone herbeigeführten Fusion, sind davon keine acht Milliarden mehr übrig. Der Familie Redstone gehören rund zehn Prozent der Aktien, die auf dem Papier nur noch 750 Millionen Dollar wert sind. Zu den größten strategischen Fehlern zählt das verlustreiche Abenteuer einer eigenen Streaming-Plattform, deren außeramerikanischer Eigenproduktionsbetrieb im Januar gestoppt wurde. Rückblickend wäre Paramount mit dem Sony-Modell, also einer Lizenzierung seiner Inhalte an andere Streamer, weitaus besser gefahren. Eine "minderwertige Plattform", eine "geschwächte Beziehung" zu den Distributoren und eine "übermäßig verschuldete Bilanz" attestierten die Analysten von LightShed Partners Mitte März und empfahlen die Entlassung von Paramount-CEO Bob Bakish, dessen Jahressalär für 2023 stolze 31 Millionen Dollar betrug.

Shari Redstone © Paramount Wertverlust: Shari Redstone will Paramount verkaufen, aber wenn eben möglich nicht zerschlagen
Die erfolgte tatsächlich Ende April – aber in erster Linie wohl, weil Bakish die von Redstone bevorzugte Übernahme durch Skydance Media intern angezweifelt hatte. Seit Anfang April befanden sich der Kaufinteressent und ein Sonderausschuss des Paramount-Aufsichtsrats in exklusiven Fusionsverhandlungen. Starker Mann hinter Skydance ist David Ellison, der Sohn von Oracle-Gründer Larry Ellison, der seine Produktionsfirma mit Hilfe der Private-Equity-Investoren KKR und RedBird aufgebaut und Blockbuster wie "Mission Impossible" oder "Top Gun: Maverick" mit Paramount koproduziert hat. Sein zweistufiger Plan: Für zwei Milliarden Dollar würde er National Amusements, die Familienholding der Redstones, aufkaufen und damit deren Kontrollmehrheit erlangen – woraufhin Paramount in einem fünf Milliarden Dollar schweren Aktiendeal Skydance übernehmen würde. Als neuer CEO des Skydance-Paramount-Gesamtkonzerns wurde für diesen Fall bereits Ex-NBC-Universal-Boss Jeff Shell gehandelt, der gegenwärtig RedBird berät.

Eine Weile schien es, als wolle Redstone die Allianz mit Skydance um jeden Preis durchboxen – obwohl frühzeitig absehbar war, dass es noch ein höher dotiertes Angebot geben würde. Dieses legten Sony Pictures und der Finanzinvestor Apollo Global Ende April offiziell vor. Sie wollen Paramount komplett für 26 Milliarden Dollar erwerben und dann von der Börse nehmen, wobei zwölf Milliarden für den eigentlichen Firmenwert und 14 Milliarden für die Tilgung von Paramounts Schulden bestimmt sind. Was die beiden konkurrierenden Angebote im Kern unterscheidet: Paramount bliebe beim Skydance-Modell als börsennotierter Konzern bestehen, aus dem die Redstones als Eigner herausgekauft würden. Bei der Übernahme durch Sony und Apollo hingegen würde Paramount mutmaßlich mit Sony zusammengelegt, wofür freilich alle Stammaktionäre – nicht nur die Redstones – einen deutlich höheren Aufpreis bekämen.

 

In Hollywood gibt es die weit verbreitete Sorge, dass im Fall des Sony-Deals ein weiteres Traditionsstudio verschwinden könnte und mit ihm zahlreiche Arbeitsplätze sowie ein potenzieller Auftraggeber.

 

Als das vierwöchige exklusive Verhandlungsfenster mit Skydance in den ersten Maitagen auslief, entschied der Sonderausschuss des Paramount-Aufsichtsrats, es erst einmal nicht zu verlängern – was nicht heißt, dass man nicht zu einem späteren Zeitpunkt erneut mit Skydance sprechen könnte. Gleichzeitig wurden offizielle Gespräche mit Sony und Apollo aufgenommen. All das in derselben Woche, in der Bakish gefeuert und durch ein dreiköpfiges "Office of the CEO" – bestehend aus CBS-Chef George Cheeks, MTV- und Showtime-Chef Chris McCarthy sowie Paramount-Pictures-Chef Brian Robbins – ersetzt wurde und in der Investorenlegende Warren Buffett enthüllte, dass er seine 2022 erworbenen 63 Millionen Paramount-Aktien mit 60 Prozent Verlust abgestoßen habe.

Seither steht der Verkaufsprozess noch mehr unter Feuer als ohnehin schon. "Titanic"- und "Avatar"-Regisseur James Cameron meldete sich in der "Financial Times" zu Wort, um David Ellison zu unterstützen. Es sei ein "großer Segen", wenn er Paramount übernehme. "Ich würde nicht zögern, mit ihm an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten", so Cameron. Dahinter steckt die in Hollywood weit verbreitete Sorge, dass im Fall des Sony-Deals ein weiteres Traditionsstudio verschwinden könnte und mit ihm zahlreiche Arbeitsplätze sowie ein potenzieller Auftraggeber. Umgekehrt drohen mehrere institutionelle Anleger mit Klagen, falls nicht das höher dotierte Angebot zum Zuge käme. Sie berufen sich auf die sogenannte "Revlon-Regel", ein Präzedenzurteil von 1986, nach dem ein Unternehmen im Fall mehrerer Cash-Angebote an den höchsten Bieter verkauft werden muss.

Als ob die Lage nicht schon vertrackt genug wäre, kommen auch noch regulatorische Hürden hinzu. Als japanisches Unternehmen bräuchte Sony für eine Mehrheitsbeteiligung an Paramount eine Sondergenehmigung der US-Regierung. Die FCC müsste zudem erlauben, dass die Sendelizenz für CBS an einen Eigner mit ausländischer Beteiligung geht. Kartellrechtlich dürfte problematisch sein, dass der freie Wettbewerb mit nur noch vier statt fünf großen Hollywood-Studios geschwächt würde und dass Apollo bereits etliche lokale TV-Stationen besitzt, die sich teilweise mit denen von CBS überlappen. Experten schätzen, dass die regulatorischen Verfahren mindestens zwölf Monate dauern würden, im Fall eines Regierungswechsels auch deutlich länger. Die "New York Times" wiederum berichtet, dass Sony und Apollo im Fall eines Zuschlags Paramount+, CBS und die Kabelsender weiterverkaufen würden.

In diesen Tagen zeichnet sich eine mögliche dritte Variante ab: Redstone und der Aufsichtsrat könnten die Transaktion vorerst verschieben. Ein "Alleingang unter neuer Führung" sei nun eine wahrscheinliche Option, schreiben etwa die LightShed-Analysten. "Ein langwieriges und unsicheres Genehmigungsverfahren würde Paramount daran hindern, notwendige strategische Veränderungen zügig umzusetzen." Das neue Führungstrio müsse Paramount+ "drastisch verkleinern" und dessen Inhalte an Dritte lizenzieren – entweder im Rahmen eines "Cash-Output-Deals" oder gegen eine "Minderheitsbeteiligung an dem Streamer, mit dem sie zusammenarbeiten, beispielsweise Max, Peacock oder Hulu". Man rechne damit, dass Paramount sich "in den kommenden Wochen auf die strategische Neuausrichtung seines Geschäfts konzentriert und M&A-Transaktionen später im Laufe des Jahres oder 2025 erneut in Erwägung zieht".

US-Studios im Umbruch – bisher erschienen