Noch 50 Tage bis zur Fußball-Europameisterschaft, die nicht nur sportlich eine Euphorie im Land auslösen soll. Gerade weil es sich um eine Heim-EM handelt, erhoffen sich viele von dem Turnier auch wirtschaftliche Impulse. Mit Blick auf den TV-Werbemarkt stellt sich obendrein die Frage, ob mit dem Rückenwind der EM die Flaute überwunden werden kann, die vor allem den Privatsendern noch immer zu schaffen macht. Zwar zeigen die jüngsten Kennzahlen nach oben – von einem Ende der Krise kann aber freilich noch keine Rede sein.

Frank Vogel © Ad Alliance Frank Vogel
Doch wie ausgeprägt ist die Sportstimmung unter den Werbekunden wenige Wochen vor dem EM-Auftaktspiel? Hört man sich bei den Vermarktern von ARD, ZDF und RTL, die die Free-TV-Rechte unter sich aufteilen um, dann ist durchaus Optimismus zu vernehmen. "Auch wenn die Kurzfristigkeit von Buchungen zur Normalität geworden ist, ist dennoch heute schon spürbar, dass bei einigen Werbepartnern bereits das Fußball-Fieber ausgebrochen ist und sie mitten in der Planung stecken", sagt Frank Vogel, Geschäftsführer des RTL-Vermarkters Ad Alliance, gegenüber DWDL.de. "Wir sind schon jetzt sehr zufrieden mit dem Interesse an unseren Spielen und der Buchungssituation."

Ähnlich äußert sich auch Uwe Esser, Geschäftsleiter TV bei ARD Media. "Gemessen an dem Interesse und den Nachfragen nach den Vermarktungsplätzen würde ich sagen: Die Kundschaft ist bereits aus den Startblöcken. Und einige Frühstarter waren auch dabei." So sei die gesamte Vorrunde bereits "ziemlich gut gebucht", zudem gebe es für die attraktive Begegnung zwischen Spanien und Kroatien, die im Ersten zu sehen sein wird, "nur noch wenige Verfügbarkeiten, ebenso in der K.O.-Runde". Eine Europameisterschaft im eigenen Land sei, sagt Esser, "halt einfach etwas ganz Besonderes."

Hans-Joachim Strauch © ZDF Werbefernsehen Hans-Joachim Strauch
Das sieht auch Hans-Joachim Strauch vom ZDF Werbefernsehen so. "Großsportereignisse beflügeln stets den Markt", weiß der erfahrene Manager. Nehme man den 1. April als Stichtag, dann liege Auslastung in diesem Jahr bereits über jener der EM vor drei Jahren. "Die Zeichen stehen also gut, dass wir das erfolgreiche Ergebnis von 2021 übertreffen können", so der Geschäftsführer des ZDF-Vermarkters. Konkret verzeichnet das ZDF-Werbefernsehen bislang nach eigenen Aussagen eine stärkere Belegung der Branchen eCommerce und Handel.

Frank Vogel von der Ad Alliance wiederum verweist darauf, dass die klassische Werbeinsel bereits gut gebucht sei und man durch die starke Nachfrage "nur noch wenige freie Sonderplatzierungen" habe. Mit der Vermarktung der jüngst angekündigten abendlichen EM-Show mit Elton und Jan Köppen soll zudem noch in diesem Monat begonnen werden. "Bereits jetzt fragen die Kunden das Format nach, was uns natürlich freut", sagt Vogel.

Uwe Esser © AS&S Uwe Esser
Dazu kommt, dass Sonderwerbeformungen eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Vor allem solche, "die es in dieser Art früher nicht gab", seien aufmerksamkeitsstark und pointiert "und stoßen daher auch auf starkes Interesse", stellt Uwe Esser von ARD Media fest. Die Ad Alliance bietet etwa im Umfeld der zwölf RTL-Übertragungen erstmals eine Kurz-Werbeinsel an, die einige Minuten vor dem Spielbeginn platziert sind. "Die Kürze des Werbeblocks garantiert eine hohe Aufmerksamkeit", betont Ad-Alliance-Chef Frank Vogel und schiebt hinterher, dass diese Inseln schon jetzt ausgebucht sind.

Nicht zuletzt Vogel hofft, dass die Nachfrage nach TV-Werbung durch die Europameisterschaft nachhaltig angefacht werden kann. "Die Fußball-EM ist ein TV-Lagerfeuererlebnis, das Jung und Alt zusammenbringt", sagt er zu DWDL.de. Große Sportevents beeinflussten den Werbemarkt immer positiv und seien "ein absolutes Premiumprodukt". Vogel weiter: "Es ist die Gleichung aus hohen Reichweiten, Emotionen und einem hoch involvierten Publikum, was die Nachfrage ankurbelt."

Jörg Richartz © Deutsche Telekom Jörg Richartz
Marken können allerdings rund um die EM nicht nur im Free-TV beworben werden, sondern auch im Umfeld von MagentaTV, schließlich verweist die Deutsche Telekom darauf, dass nur sie auf ihrer Plattform alle Spiele des Turniers zeigen wird. Werbung soll allerdings nur in überschaubarem Maße gezeigt werden. Geplant sind drei Blöcke pro Spiel mit einer maximalen Länge von jeweils vier Minuten. Dazu bekommen Werbekunden die Möglichkeit, innerhalb des Highlight-Channels bei YouTube präsent zu sein. Als "sehr zufriedenstellend" bezeichnet Jörg Richartz, Vice President Vermarktung & Steuerung TV, auf DWDL.de-Nachfrage die bisherige Werbeauslastung. So seien bereits alle Sonderflächen ausgebucht und insbesondere bei den deutschen Spielen und allen Partien ab dem Viertelfinale gebe es eine "besonders hohe Nachfrage".

Den Grund sieht Richartz darin, dass die EM "absolut positiv besetzt" sei. "Erinnerungen werden wach an die WM 2006, als ganz Deutschland einen Monat lang in Partystimmung war, sich gegenüber allen Gästen als weltoffen und gastfreundlich präsentierte und damit der ganzen Welt ein außerordentlich sympathisches Bild zeigte", sagt der Telekom-Manager. "Unternehmen, die im Euro-Umfeld präsent sind, versprechen sich von dieser positiven Grundstimmung Abstrahleffekte auf ihre Marke."

Nach der EM ist vor Olympia

Und die Europameisterschaft ist nicht das einzige sportliche Großevent, das in diesem Jahr stattfinden wird. Erstmals seit langer Zeit finden auch die Olympischen Spiele wieder in Europa statt – was freilich vor allem ARD und ZDF freut. Wirklich vergleichen lassen sich beide Turniere aus Vermarktersicht allerdings nicht, sagt Uwe Esser von ARD Media. "Jedes Event hat da durchaus seine eigene Farbe und Identität." Hans-Joachim Strauch, Geschäftsführer des ZDF-Werbefernsehens, stimmt zu. Fußball sei noch immer der Lieblingssport der Deutschen. Daher, sagt er, sei das Preisniveau für Werbung auch höher als bei den Olympischen Spielen. Aus Sicht des Vermarkters sei die EM daher als hochwertiger einzustufen. Dass die Sommerspiele nur selten in Europa stattfinden, verleihe Paris 2024 gleichwohl "einen besonderen Status".

Uwe Esser zieht indes ungeachtet der Unterschiede einen Vergleich zwischen der EM und den diesjährigen Sommerspielen. "Keine Zeitverschiebung, maximales Involvement", zudem gebe es keine Werbekonkurrenz in den Stadien. "Das kann ein starker Sommer werden", hofft er, "nicht nur für die Athleten und Zuschauer, sondern auch für die Vermarktung."