Jetzt wird’s spannend. Ein Deal in den USA gibt eine kleine Preview auf das, was die Branche in den kommenden Jahren prägen wird: Auf die Phase vermeintlich grenzenloser Euphorie im Streaming folgt bekanntlich längst ein neuer Pragmatismus, der Programm-Budgets fokussiert und auch auf Seiten der Streamingdienste nun Effizienz einfordert. Vor diesem Hintergrund lässt ein aktueller Programmdeal von Fox und Prime Video aufhorchen.

Patton Oswalt © Adam Rose / MGM / Amazon
Das US-Network und der Streamer, der die Produktion vergangenen Oktober in Auftrag gegeben hatte, teilen sich die Ausstrahlung der kommenden US-Version von „The 1% Club“, jener Gameshow aus dem Hause BBC Studios, die bei uns moderiert von Jörg Pilawa unter dem Titel „Das 1% Quiz“ bei Sat.1 läuft. Konkret bedeutet das fürs US-Fernsehen: Fox zeigt die in der US-Adaption von Patton Oswalt moderierte Gameshow wöchentlich, jeweils acht Tage nach der Erstveröffentlichung bei Prime Video. Eine ungewöhnlich zeitnahe Zweitverwertung über konkurrierende Unternehmen hinweg.

"Komplementärer Wert von linearem und Streaming-Publikum"

Rob Wade © Fox
Dass Medienhäuser eigene Streamingangebote für die Preview vor der linearen Ausstrahlung nutzen, ist längst üblich. Ein Windowing über konkurrierende Medienhäuser hinweg jedoch Seltenheit. In gewisser Hinsicht - wenn auch mit weit größerem Abstand - war „Babylon Berlin“ in der Partnerschaft von Sky und ARD in Deutschland früher Türöffner für eine Entwicklung, die in den kommenden Jahren aus wirtschaftlichen Zwängen an Fahrt aufnehmen dürfte. Rob Wade, CEO Fox Entertainment, sagt über die ungewöhnliche Zusammenarbeit mit Amazon: „Diese konkrete Launch-Strategie unterstreicht den komplementären Wert von linearem und Streaming-Publikum.“

Lauren Anderson © Amazon/MGM
Neuartig an dem US-Deal von Fox und Prime Video ist die zeitnahe Zweitverwertung. Ein spannendes Experiment, wie die Beteiligten selbst anklingen lassen. "Neben der Vorfreude auf das Programm selbst stellt ‚The 1% Club‘ eine strategische Wachstumsperspektive dar, die unser werbefreundliches Content-Portfolio erweitert und uns die Möglichkeit gibt, neuartige duale Launch-Strategien auszuprobieren“, erklärt Lauren Anderson, Head of AvOD Originals, Unscripted und Targeted Programming bei Amazon MGM Studios.

Es wird nicht der einzige Deal dieser Art bleiben. Das Blatt im Streaming hat sich ein Stück weit gewendet: Galt anfangs mit dem Fokus auf Highend-Fiction die Unterscheidung zum linearen TV-Angebot als Maß der Dinge, ist inzwischen Mainstream kein Schimpfwort mehr bei den Streamern, deren Eintritt in den Werbemarkt die Notwendigkeit mit sich bringt, massentaugliche „werbefreundliche“ Programme im Angebot zu haben. Ob nun eine Gameshow bei Prime Video oder Reality-Programme bei Netflix und auch Disney will inzwischen mit Werbung Geld verdienen im Streaming.

Wie wirtschaftlich ist völlige Exklusivität?

Philip Pratt © Amazon
Neben der Werbung wird auch die Zweitverwertung der Auftragsproduktionen eine zusätzliche Einnahmequelle für Streamingdienste. Ganz neu ist das nicht. Netflix und Prime Video haben vereinzelt schon einmal Produktionen weiterverkauft. „Wir haben da schon verschiedene Modelle getestet und sind grundsätzlich offen für alles“, erklärte Philip Pratt, Head of German Originals bei Prime Video, Ende 2023 in einem DWDL-Interview. Die erste Prime Video-Auftragsproduktion in Deutschland, „You are wanted“, hatte man zum Beispiel testweise an den ORF verkauft. Und die Netflix-Produktion „Orange is the new black“ fand Jahre später zu ZDFneo. Und doch waren Deals dieser Art bislang die absolute Ausnahme. 

Auch der Comedyerfolg „LOL“ (Constantin Entertainment für Prime Video) dürfte mit seiner extrem prominenten Besetzung durchaus auch im Free TV funktionieren, ist aber wichtigstes Zugpferd für den Streamingdienst. Doch wie wirtschaftlich ist es, eine teure Auftragsproduktion auf Dauer exklusiv für sich zu behalten? Das fragt sich die Branche beispielsweise bei „Deutsches Haus“. Die herausragende Serie von Annette Hess aus dem Hause Gaumont für Disney+ schreit förmlich nach einer Zweitverwertung bei ARD oder ZDF. Thema, Production Value und Besetzung - hier war Disney+ in vielerlei Hinsicht nah dran an dem, was man auch vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen erwarten könnte. 

"Das wird kommen"

Eun-Ky Park © Disney
„Ich kann mir einen Verkauf unserer deutschen Originals nach einem exklusiven Fenster bei Disney+ als Modell gut vorstellen“, sagte Eun-Ky Park, Country-Managerin Deutschland, Österreich und Schweiz bei Disney, kurz vor dem Start der Serie im DWDL-Interview. Ergänzte aber: „Meine Erfahrung ist allerdings, dass zwar einige mögliche Partner die Projekte durchaus spannend finden, aber dann lieber als Koproduktionspartner dabei gewesen wären.“ Aber auch das ist denkbar für Park: „Heute ist so viel mehr möglich, um in dem sehr heterogenen Markt ein möglichst großes Publikum für solche sehenswerten Produktionen zu bekommen.“

Henrik Pabst © Seven.One
Vereinzelt fallen aber die Hemmungen auf Senderseite, Zweitverwerter von Streaming-Produktionen Dritter zu sein. Bei ProSiebenSat.1 in Unterföhring ist man beispielsweise offen. „Warum sollte man großartige Produktionen nicht einem noch größeren Publikum zugänglich machen? Wir verschließen uns nicht einem zweiten Verwertungsfenster von Streaming-Serien“, sagte Henrik Pabst, Chief Content Officer der Seven.One Entertainment Group im Januar im Gespräch mit DWDL.de. „Das wird kommen.“ Und ein Deal wie der jetzige zwischen Fox und Prime Video keine exotische Ausnahme bleiben.