118 Tage haben die Schauspielerinnen und Schauspieler in den USA im vergangenen Jahr ihre Arbeit niedergelegt. Der Gewerkschaft SAG AFTRA ging es bei dem Streik auch ganz wesentlich darum, mit der Produzentenvereinigung AMPTP Regelungen zum künftigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zu vereinbaren. Es ist ein Thema, das mit dem Aufkommen von ChatGPT Ende 2022 massiv an Fahrt aufgenommen hat - und neben den Schauspielern auch Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren umtreibt.
Am Ende gab die Produzentenseite nach und die Schauspielgewerkschaft konnte ihre Forderungen größtenteils durchbringen. "Mit den KI-Regelungen haben wir alles bekommen, was wir wollten. Das war der Schlüssel in den Verhandlungen", erklärte Gewerkschaftsvorsitzende Fran Drescher nach der Einigung. Man müsse diese Punkte aber kontinuierlich überwachen und immer wieder für den eigenen Schutz vor der neuen Technologie kämpfen, so die "Nanny"-Schauspielerin.
Die Einigung in den USA sieht nun in groben Zügen so aus: KI darf genutzt werden, sollte eine digitale Kopie eines Schauspielers oder einer Schauspielerin angefertigt werden. Dazu müssen die Personen aber zustimmen und auch vergütet werden, sofern ihr KI-Abbild später genutzt wird. Die KI-Anfertigungen von existierenden Menschen dürfen außerdem nicht beliebig eingesetzt werden, sondern eben nur für das eine Projekt. Wenn der Einsatz von KI in der digitalen Nachbearbeitung über gewisse Standards (Makeup, Garderobe, Synchro) hinausgeht, braucht es ebenfalls die Zustimmung der Schauspielenden. Der Einsatz von rein synthetischen Schauspielerinnen und Schauspielern ist erlaubt, hier muss die Gewerkschaft von den Produzenten aber vorab informiert werden und kann Verhandlungen anbieten, um vielleicht doch reale Menschen in Lohn und Brot zu bringen.
Wo sind die Grenzen der KI?
Die Vorteile von KI im Schauspiel-Bereich liegen auf der Hand: Aufwendige Digitalisierungen mittels teurer VFX-Technik könnten künftig, einfach gesprochen, von einer KI durch Knopfdruck erfolgen. Noch aber weiß niemand so genau, welche Einsatzmöglichkeiten die KI in Zukunft genau haben könnte und wo es Grenzen gibt. Wollen die Menschen tatsächlich Filme sehen, die ausschließlich auf einer KI basieren? Wenn also eine Künstliche Intelligenz nicht nur das Drehbuch schreibt, sondern auch die erfundenen Schauspielerinnen und Schauspieler in die Geschichte baut?
"KI wird sich nicht als vorübergehendes Phänomen erweisen. An der neuen Technologie wird mittel- und langfristig niemand vorbeikommen."
Alexandra Streichfuss, Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei SKW Schwarz
"Noch ist die Branche nicht ganz entschieden, wo und wie man KI ideal einsetzt und einsetzen kann, sodass am Ende die gleiche Qualität dabei herauskommt. Dabei geht es um Look and Feel, das heißt nicht nur um die technische und bildliche Qualität, sondern auch um Gefühl und Emotionen, die mit dem Content transportiert werden sollen", sagt Alexandra Streichfuss. Viele Produktionsfirmen seien beim Einsatz von KI noch vorsichtig, weil sie keine Qualitätseinbußen auf insbesondere dem letztgenannten Gebiet hinnehmen wollten, so die Rechtsanwältin. Zur Situation in Deutschland sagt sie: “Aktuell denkt noch niemand daran, ganze Filme nur mit Hilfe von KI zu erstellen, KI ist vielmehr ein nützliches Tool in Einzelbereichen." Das liege auch daran, weil ein umfassender Einsatz von KI heute für das Publikum wohl noch sehr sichtbar und spürbar wäre. "Mittelfristig will ich das nicht ausschließen."
Gespräche in Deutschland "sehr enttäuschend"
Das Thema ist inzwischen längst auch in Deutschland angekommen. Anders als in den USA gibt es hierzulande aber noch keine Einigung zwischen Gewerkschaft und Produzentenallianz. Die Verhandlungen laufen zwar und Teilnehmer bezeichnen das gegenüber DWDL.de auch als "historisch", mit einer schnellen Einigung ist aber nicht zu rechnen. Hans-Werner Meyer, Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender des BFFS - Bundesverband Schauspiel, sagt im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de, dass die letzte Verhandlungsrunde Mitte Januar "sehr enttäuschend" verlaufen sei. "In den derzeit laufenden Tarifverhandlungen zeigt die Produzentenallianz wenig Bereitschaft, ein Zeichen zu setzen und sich mit unserer Schauspielgewerkschaft formell darauf zu verständigen, dass der Einsatz von KI nicht missbräuchlich erfolgen darf, und vor allem nicht mit dem Ziel, schauspielerisches Wirken in Filmproduktionen durch den Einsatz von KI zu ersetzen."
Was Meyer damit meint: Der BFFS will ein kurzfristiges Moratorium für solche Fälle, die rechtlich wohl ohnehin nicht erlaubt sind. Die Produzentenallianz soll also beispielsweise zustimmen, KI-Schauspieler nicht für andere Projekte zu verwenden als für das, für das sie angefertigt wurden. Die Produzentenallianz hat diesem Wunsch der Gewerkschaft bislang aber noch nicht zugestimmt. "Das erzeugt ein massives Misstrauen bei unseren Mitgliedern. Und ganz offenbar ist das auch angebracht", so Meyer. Tatsächlich stellt sich die Frage, wieso die Produzentenallianz nicht auf die Schauspielerinnen und Schauspieler zugeht, wenn es doch ohnehin nur um die Fälle geht, die rechtlich wohl nicht durchsetzbar wären. Andererseits: Wenn sie rechtlich sowieso nicht erlaubt sind, wieso das dann noch einmal extra vereinbaren?
"Fortschritt braucht kein Stoppschild"
Beim BFFS hat man jedenfalls schon sehr klare Vorstellungen davon, was man will. Auf ihrer Webseite hat die Gewerkschaft einige Punkte veröffentlicht, etwa eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte, die Zustimmungserfordernis für die Verwendung eigener Leistungen zum Training von KI, Auskunftsansprüche gegenüber den Produzenten sowie Vergütungsansprüche bei erlaubter Verwendung von KI. Meyer führt das im Gespräch mit DWDL.de noch aus. Für unproblematisch hält er es, wenn vorhandenes Material durch KI verbessert oder verändert wird. Etwa wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler wahlweise jünger oder älter gemacht werden, gesprochene Sätze ausgetauscht werden oder ihre Gesichter auf die von Stuntleuten montiert werden. Dadurch könnten beispielsweise Stunts künftig auch von vorne gedreht werden und nicht, wie heute noch oft üblich, nur von hinten. Aber auch bei Anwendungen, die einen Film oder eine Serie verbessern, bedürfe es immer der Zustimmung und einer Bezahlung, sofern die Schauspielerinnen und Schauspieler durch den Einsatz von KI Drehtage verlieren.
Das erzeugt ein massives Misstrauen bei unseren Mitgliedern.
Hans-Werner Meyer, Vize-Vorsitzender des BFFS - Bundesverband Schauspiel, über den aktuellen Stand der Verhandlungen mit der Produzentenallianz
Für problematisch hält Hans-Werner Meyer den Einsatz von KI dann, wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler nicht eingewilligt haben, dass KI-Systeme mit ihrer schauspielerischen Leistung trainiert werden und sie dann in der Folge durch KI ersetzt werden. "Alles, was in diese Richtung geht, gehört verboten", sagt der BFFS-Vize-Vorsitzende. "Uns ist wichtig, dass eine mögliche Vereinbarung mit der Produzentenallianz angesichts der momentan schnellen technologischen Entwicklung und der andererseits bestehenden rechtlichen Unwägbarkeiten eine kurze Laufzeit hat. Die Entwicklung der Technologie ist so rasant, da muss es möglich sein, notwendige Regelungen immer wieder kurzfristig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen", sagt er außerdem - und meint damit eine deutlich kürzere Laufzeit als die drei Jahre in den USA. Die Schauspielgewerkschaft BFFS hofft für eine entsprechende erste tarifvertragliche Regelung mit der Produzentenallianz auf eine halbjährliche oder jährliche Laufzeit.
Woanders kommen die Umbrüche früher
Meyer sagt, die neue Technologie werde auch "ein bisschen überschätzt". Letztlich gehe es darum, mit der Hilfe von KI ein Ziel zu erreichen, einen guten Film zu produzieren zum Beispiel. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass teilweise die KI-Technik selbst das Ziel ist." Und dennoch: Es gibt natürlich schon Unternehmen, die auf eine solche Art Filme herstellen wollen. Am Ende wird die Zukunft dieses Bereichs ganz wesentlich davon abhängen, wie gut solche Produktionen beim Publikum ankommen. Ziemlich sicher ist schon jetzt, dass es künftig wohl zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen wird, wenn synthetische Schauspieler bestimmte Merkmale von realen Personen aufweisen und diese sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen.
Heute ist ein allumfassender KI-Einsatz oft noch zu teuer und nicht sinnvoll genug. Ändern wird sich das wohl schon bald, wenn es um Komparsen geht oder solche Szenen, in denen besonders viele Menschen zu sehen sind. Deutlich eher dürfte die Synchro-Branche von der Disruption getroffen werden: Zuletzt tauchten in sozialen Netzwerken bereits kurze Videos auf, in denen Menschen präsentierten, wie sie mit Hilfe von KI-Tools zwischen verschiedenen Sprachen switchen können. Kommt dieser Trend auch in der Synchro an, steht die Branche vor gewaltigen Umbrüchen. Denkbar wäre es, dass Filme und Serien künftig auf Knopfdruck in verschiedenen Sprachen synchronisiert werden - und das mit der Stimme des Original-Schauspielers, der oder die dafür vergütet wird.
Produzenten und Verwerter könnten ihre Inhalte damit einfacher und kostengünstiger auch in solche Teile der Welt bringen, in denen sich eine Synchronisation finanziell bislang nicht lohnte. Wohl den Sprecherinnen und Sprechern, die schon heute auch ein zweites Standbein, vielleicht als Schauspieler haben. Für reine Synchronsprecher würde dadurch mittel- und langfristig aber wohl die Arbeitsgrundlage wegfallen.