Zwanzig Tage lang haben wir zuletzt wieder traditiionell die Bildschirmheldinnen und -helden des Jahres gekürt, doch bei einem DWDL-Jahresrückblick darf die Kritik nicht fehlen: Mit dem charmantesten Negativ-Preis der Branche ehrt die Redaktion des Medienmagazins DWDL.de seit 2008 die Peinlichkeiten des vergangenen Medienjahres. Eine Auszeichnung, die Personen, Marken und Unternehmen gebührt, deren Leistungen in den vergangenen zwölf Monaten "ziemlich ui-jui-jui" waren.

Ihren Ursprung hat diese Auszeichnung in einer Aussage des ehemaligen ARD-Programmdirektors Günter Struve, der einst einen gewagten Auftritt der Künstlerin Lady Bitch Ray in der Show "Schmidt & Pocher" rückblickend auf diplomatische Art als "ziemlich ui-jui-jui" kritisierte. In dieser Tradition verleiht das Medienmagazin DWDL.de dieses Jahr bereits zum 16. Mal den Goldenen Günter in bierernsten Kategorien. Ermittelt wurden die Preisträgerinnen und Preisträger wie jedes Jahr durch unterjährig zahlreich eingegangeen Vorschläge von Leserinnen und Lesern des Medienmagazins DWDL.de, aus denen die Redaktion die "schönsten" Fehltritte aussucht und heute mit einem Goldenen Günter ehrt.

Doch die ultimative Peinlichkeit des Jahres wählen jetzt Sie, die Leserinnen und Leser des Medienmagazins DWDL.de: Bis einschließlich 26. Dezember 23.59 Uhr haben Sie am Ende dieses Artikels die Chance zur Abstimmung und wählen unter unseren elf Goldenen Günter-Preisträgern auch in diesem Jahr den Super-Günter, die ultimative Peinlichkeit des Medienjahres. Sie haben es in der Hand! Entscheiden Sie weise. Und hier kommen die elf Lowlights der Redaktion des Medienmagazins DWDL.de, die zur Wahl stehen...

Michael Wendler © IMAGO / Future Image

Der Goldene Günter in der Kategorie „Verirrung des Jahres“ geht an

EndemolShine Germany und RTLzwei 

Es dauert nicht einmal 24 Stunden bis die Verantwortlichen bei EndemolShine wie auch RTLzwei einsehen mussten, was sie zuvor selbst nicht einsehen konnten: Die verrückte Idee mit jemandem Kasse machen zu wollen, der in der Pandemie bei Telegram wilde Verschwörungstheorien schwurbelte und dessen Postings auch als Holocaust-Verharmlosung gelesen wurden, war keine gute Idee. Die Verirrung des Jahres.

Die Öffentlichkeit war empört, die Geissens wurden zum moralischen Kompass und verhagelten zusammen mit der Ansage aus Köln, dass man dieses Programm auf keinen Fall beim Streamingdienst RTL+ zeigen werde, zum Rückzug bei RTLzwei in Grünwald. Man wolle klären, wie es dazu kommen konnte um sicherzustellen, dass es nicht nochmal passiert. Doch auf Nachfrage nach den Ergebnissen sind inzwischen alle schmallippig geworden. 

 

Sky Deutschland © IMAGO / Sven Simon

Der Goldene Günter in der Kategorie „Sommer-Schock des Jahres“ geht an

Sky Deutschland und das Fiction-Aus

Das Filmfest München läuft, die Branche trifft sich über zwei Wochen hinweg zu Networking, Premieren und Events. Heute hier, morgen da. Und dann das: Sky Deutschland sagt nur 24 Stunden vorher eine geplante Präsentation seiner neuen Projekte ab, ohne Begründung. Spekuliert wird umgehend, ein möglicher Kauf durch ProSiebenSat.1 geht per „Stille Post“-Prinzip in München als Gerücht um.

Doch zwei Tage später kommt es viel härter: Sky Deutschland steigt gänzlich aus der Auftragsproduktion fiktionaler Programme aus. Was für ein Timing, was für eine Ernüchterung für die Kreativen und Produzentinnen und Produzenten. Die Stimmung in München ist im Keller. Als Schlag ins Gesicht bezeichnet es Nico Hofmann, auch die Produzentenallianz ist schockiert. Es war der kurzfristigste Strategie-Schwenk des Jahres: Noch eine Woche zuvor gab es ein DWDL-Interview zur Strategie, von Sky selbst angeboten.

 

Volles Haus! © Sat.1/Willi Weber

Der Goldene Günter in der Kategorie „Schleichendes Scheitern“ geht an

"Volles Haus" (Sat.1)

Man kann den erstaunlich langen Atem loben, den der Ex-Sat.1-Chef Daniel Rosemann mit dem Format bewiesen hat, denn nach handwerklich katastrophalem Anfang und überschaubaren Quoten hätte kaum jemand gedacht, dass man das Ende Februar gestartete Projekt bis in den Oktober zieht. Im Nachhinein darf man fragen, wie klug die Idee war, für ein solches Mammutprojekt eine neue Firma zu gründen, die nicht nur sprichwörtlich von Null anfangen musste und schon vor dem Sendestart einen Geschäftsführer verschliss, der lieber wieder von Bord ging.

Eine krude Mischung aus viel zu langen Elementen, die noch dazu oft absurd integriert waren („Britt“), ließ vom Start weg wenig Raum für die eigentlich angedachte Live-Fläche im Programm zur direkten Publikumsansprache - und er wurde zeitlich immer enger. Es gab immer weniger zu moderieren, aber immer mehr Moderationskonstellationen. Das große Set wirkte zunehmend absurd. Es folgte: Eine Pause, ein Produzentenwechsel und eine Kürzung um eine Stunde. Es war ein Tod auf Raten. 

 

RTL Super © RTL

Der Goldene Günter in der Kategorie „Markenführung deluxe“ geht an

Super RTL Super Toggo Plus

Was für ein Durcheinander, aber wir versuchen es mal: Im Zuge der vollständigen Übernahme durch RTL Deutschland wurde das Unternehmen hinter dem Kindersender Super RTL umbenannt: Von der RTL Disney Fernsehen GmbH und Co. KG in die Super RTL Fernsehen GmbH. In der Zielgruppe wiederum benutzt der Sender aber ohnehin seit vielen Jahren die Marke Toggo, auch der flankierende zeitversetzte Kanal hört dementsprechend schon auf den Namen Toggo Plus. 

Im Juli dieses Jahres dann die Meldung, die wie ein Aprilscherz wirkte: Aus Super RTL wird RTL Super. War aber kein Gag, ist wirklich so. Allerdings nur von 20.15 Uhr bis zum Beginn des Kinderprogramms am Morgen. Dann firmiert das Programm wieder unter Toggo. Und das Unternehmen heißt weiterhin Super RTL Fernsehen GmbH. Da kann man schon mal durcheinander kommen - auch intern bei einem „Business Update Spezial“: Da präsentierte man gerade erst Oliver Schablitzki als neuen Geschäftsführer von Super RTL - nutzte aber das RTL Super-Logo für die Primetime-Programmstrecke, nicht den Schriftzug des Unternehmens. Gut, das hat auch gar kein Logo mehr. 

 

Lanz & Precht © ZDF/Christian Bruch

Der Goldene Günter in der Kategorie „Unangenehme Schwurbelei“ geht an

Markus Lanz und Richard David Precht

Im ZDF-Podcast „Lanz & Precht“ hat sich das gerne selbst vergewissernde Duo gehörig vergaloppiert. Precht sagte in einer Folge im Oktober, ihre Religion verbiete es orthodoxen Juden zu arbeiten – "ein paar Sachen wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen". Lanz widersprach nicht. Es folgte scharfe Kritik an der Verbreitung falscher Vorurteile. Und das ZDF reagierte, aber wie.

"Wir bedauern, dass eine Passage in der aktuellen Ausgabe von 'Lanz & Precht' Kritik ausgelöst hat. An einer Stelle wurden komplexe Zusammenhänge verkürzt dargestellt, was missverständlich interpretiert werden konnte. Deshalb haben wir diesen Satz entfernt“, heißt es. Was für eine Nonpology, die abermals für Kritik sorgte. Precht erklärte in der nächste Podcast-Folge die strittige Behauptung sei „salopp dahergesagt“ gewesen. Der Fall wirft auch die spannende Frage auf: Hört sich jemand Podcasts vor Veröffentlichung an? Oder ist das für die redaktionell Verantwortliche mitunter genauso anstrengend wie fürs Publikum?

 

Screenforce Days © Screenforce

Der Goldene Günter in der Kategorie „Schlechte Werbung“ geht an

die Screenforce Days 2023

Einmal im Jahr wollen die Screenforce Days die ganze Kraft des Bewegtbilds vermitteln, was man zum wiederholten Male und trotz überstandener Pandemie nur als Webstream realisierte. Das macht es schon schwer genug, in Browser-Fenstern von Agenturen und Werbekunden so etwas wie die erwünschte „Magic of Total Video“ zu entfalten. Doch in diesem Jahr war die Vorstellung desolat. Es fehlte an Wertschätzung und Prorität in den Häusern. 

News waren Mangelware, weil sie schon gezielt im Vorfeld geleakt wurden und keine 24 Stunden vor einer Veranstaltung, bei der die Gattung überzeugen will, trennt sich ProSiebenSat.1 von Vorstand Wolfgang Link sowie Sport1 Medien von Vorstandschef Olaf Schröder, der in einem voraufgezeichneten Talk über Sport1 referiert als wäre nichts gewesen. So lieblos braucht es die Screenforce Days nicht noch einmal, da wären einzelne Häuser mit ihren guten Ideen bei eigenen Events besser gefahren. Eine gute Werbung für das Fernsehen war das nicht.

 

Bertelsmann © Bertelsmann

Der Goldene Günter in der Kategorie „Schlanker Fuß“ geht an

Bertelsmann für die stille Rolle bei G+J-Zerschlagung

Das böse RTL übernimmt das ehrbare Gruner + Jahr - eine schon länger andauernde Erzählung, die Anfang dieses Jahres dann in der Zerschlagung des Verlages in lukrative Einzelteile einerseits und eingestellte oder zu veräußernde Titel andererseits, ihren Höhepunkt fand. „’Salon' bei RTL zu machen – das ist so, wie die 'Vogue' in der DDR zu machen“, erklärte kürzlich erst Anne Petersen, die das Kultur-Magazin gekauft hat, im Interview mit „Horizont“.

Immer und immer wieder stand war das bunte laute RTL im Fokus. Allenfalls weil in diesem Jahr der Chef von RTL Deutschland eben auch Bertelsmann-CEO war, war dann auch mal vom Unternehmen in Gütersloh die Rede. Dort kommt man ganz schön gut weg mit dem Kahlschlag, dabei diktiert bei Bertelsmann nicht der Finanzmarkt die oft nervösen Regeln. Wir sprechen von einer globalen Unternehmung in Familienbesitz, die trotzdem agierte wie man es sonst von der Quartalshörigkeit des Aktienmarktes kennt. Schon kurios: Man zwang seiner börsennotierten TV-Tochter den Kauf eines Printverlags auf - und das Kerngeschäft in den Niederlanden wird verkauft.

 

Die Aktuelle, Schumacher © Die Aktuelle

Der Goldene Günter in der Kategorie „Fake-Journalismus des Jahres“ geht an

das „Schumacher-Interview“ in „Die Aktuelle“

Die Einsatzmöglichkeiten von Künstlichen Intelligenzen (KI) waren in diesem Jahr in verschiedenen Bereichen der Branche ein großes Trendthema. Den Vogel im negativen Sinne abgeschossen hat das Funke-Klatschblatt “Die Aktuelle”, wo man es offensichtlich für eine gute Idee hielt, das Thema KI mit Michael Schumacher zu verbinden. Und so führte man ein “Interview” mit einer KI, die sich als Michael Schumacher ausgab. Dass man das mit den Worten “Michael Schumacher - Das erste Interview” auf den Titel hob, kann eigentlich schon niemanden mehr überraschen.

Überrascht war man beim Magazin dann aber wohl von der harschen Kritik, die es nach der Veröffentlichung gab. Dass auch Funke kurz darauf reagierte und Chefredakteurin Anne Hoffmann nach mehr als 10 Jahren vor die Tür setzte, war angesichts der vielen Grenzüberschreitungen bei den Yellows nicht unbedingt zu erwarten. Funke sprach von einem "geschmacklosen und irreführenden Artikel”, der nie hätte erscheinen dürfen, außerdem entschuldigte man sich bei der Familie Schumacher. Wenige Tage später hob ein anderer Funke-Titel Schumacher aufs Cover. “Das Goldene Blatt” titelte: “Glücks-Jubel - Damit hat keiner gerechnet”.

 

Rundfunkbeitrag © imago images / Future Image

Der Goldene Günter in der Kategorie „Angekündigter Rechtsbruch“ geht an

Bundesländer, die das Bundesverfassungsgericht ignorieren

Im kommenden Jahr muss die Politik entscheiden, ob der Rundfunkbeitrag erhöht wird, dabei wird es ganz entscheidend auf die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ankommen. Einige Politiker haben sich aber schon deutlich vor dieser Empfehlung festgelegt: Bereits im Frühjahr erklärten sieben Bundesländer, eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags sei mit ihnen nicht zu machen. Brandenburg, Sachsen-Anhalt, NRW, Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sprachen sich dagegen aus.

Die vorzeitige Festlegung überraschte vor allem deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit ziemlich deutlich gemacht hat, dass eine Abweichung von der KEF-Empfehlung nur in absoluten Ausnahmefällen - und auch dann nur geschlossen - gestattet ist. Die Politiker kündigten damit ganz unumwunden einen Bruch der Verfassung an, zu dem es 2024 sehr wahrscheinlich kommen wird. Bei kritischen Fragen zu dem Thema duckten sich die Länder zuletzt weg, sie setzen lieber auf plumpen Populismus auf Kosten der Öffentlich-Rechtlichen. Das schadet auch ihrer eigenen Glaubwürdigkeit.

 

RBB © RBB/Gundula Krause

Der Goldene Günter in der Kategorie „Theater des Jahres“ geht an

Intendant*innen-Wahl beim RBB

Nach den zahlreichen Negativ-Schlagzeilen rund um die inzwischen ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger wollte der RBB eigentlich zur Ruhe kommen. Nachdem es mit Katrin Vernau eine Interims-Intendantin für ein Jahr gab, musste 2023 eine Nachfolge gewählt werden - und das ganze Drama nahm seinen Lauf. Das fing schon bei Vernau an, die zwar weitermachen wollte, sich aber nie bewarb und damit auch nicht zur Wahl stand. Stattdessen wollten die ehemalige Regierungssprecherin Ulrike Demmer, Radio-Bremen-Manager Jan Weyrauch, Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell, und Heide Baumann, Ex-Managerin unter anderem bei Vodafone und Microsoft, den RBB führen.

Im Hintergrund aber brodelte es in der Findungskommission, vor allem die Vorsitzenden von Rundfunk- und Verwaltungsrat standen in der Kritik. Leopold sprang schnell ab, um Weyrauch, Favorit der Personalvertreter, gab es ein Hin und Her wegen einer kurzfristig eingezogenen Gehaltsobergrenze - letztlich zog er auch zurück. Wenige Stunden vor der Wahl forderten die Personalvertreterinnen den Abbruch der Wahl, stießen damit aber auf taube Ohren. Demmer setzte sich schließlich erst im vierten Durchgang mit Biegen und Brechen durch. Die Wahl sorgte für großen Unmut im Sender und beschäftigt Teile des Unternehmens bis heute. Ganz davon abgesehen hat der RBB damit nicht unter Beweis gestellt, die Chaos-Zeit von Patricia Schlesinger hinter sich gelassen zu haben.

 

Warner Bros. Discovery © Warner Bros. Discovery

Der Goldene Günter in der Kategorie „SchleFaZ“ geht an

Warner Bros Discovery

Für „SchleFaZ“-Fans ist es eines „SchleFaZ“: Dass Warner Bros. Discovery das einzige Format einstellt, dass den ehemals innovativen und mehrfach preisgekrönten Sender Tele 5 von einer Abspielstation für Konzernware unterschied, wurde nicht nur von der großen Fan-Community als schlechtestes Fehlentscheidung aller Zeiten bewertet. Auch die Macher selbst waren empört, Oliver Kalkofe polterte im DWDL-Interview sehr emotional: „Es wird so lange umstrukturiert, bis nichts mehr übrig ist. Am Ende hatte auch niemand mehr einen Plan. Null Mitarbeiter, null Programm, null Plan, null Ausrichtung.“

Während das ein bisschen übers Ziel hinausschießt, wunderten sich aber selbst Wettbewerber über diese Programmentscheidung von Warner Bros. Discovery bei Tele 5. Denn in Sachen Community Building und Interaktion hatte „SchleFaZ“ eine erstaunliche Fangemeinde aufgebaut, die umgehend im Netz nach einer neuen Heimat für die TV-Idee suchte. Bislang noch ohne Erfolg.

 

Goldener Günter 2023 © DWDL.de

Und jetzt sind Sie dran! Stimmen Sie ab!

Die ultimative Peinlichkeit des Jahres wählen jetzt Sie, die Leserinnen und Leser des Medienmagazins DWDL.de: Bis einschließlich 26. Dezember 23.59 Uhr haben Sie die Chance zur Abstimmung und wählen unter unseren elf Goldenen Günter-Preisträgern den Super-Günter, die ultimative Peinlichkeit des Medienjahres. Wer gewonnen hat, lösen wir dann am 27. Dezember auf.

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