Im kommenden Jahr feiert der BR großen Geburtstag: Anfang 2024 wird die Anstalt 75 Jahre alt. Und im Geburtstagsjahr stehen zahlreiche Veränderungen an, über die Intendantin Katja Wildermuth und ihre beiden Programmdirektoren Björn Wilhelm (Kultur) und Thomas Hinrichs (Information) am Dienstag in München gesprochen haben. Der Geburtstag wird derweil nicht nur im Programm stattfinden, sondern auch vor Ort in verschiedenen Regionen in Form einer Jubiläumstour.
Doch zurück zu den Veränderungen: "Digital und Dahoam" soll das Motto des BR im kommenden Jahr sein. So wirklich dahoam fühlen sich zahlreiche Kulturschaffende im BR derzeit allerdings nicht, wie die anhaltende Kritik an den anstehenden Veränderungen bei der Kultur- und Infowelle Bayern 2 zeigt - zuletzt in Form einer ganzseitigen Anzeige in der "Süddeutschen Zeitung" (DWDL.de berichtete). Wildermuth und Wilhelm gaben sich am Dienstag Mühe zu betonen, dass die Kulturreform im Hörfunk nicht von oben herab verordnet worden sei, sondern von der Belegschaft mitentwickelt wurde.
Es gehe darum, die Kultur und Bayern 2 zu stärken, indem man Inhalte von Randzeiten verlege in solche Timeslots, in denen die Nutzung höher sei, so Wildermuth und Wilhelm. "Der BR ist die Kultur-Institution seit 75 Jahren. Uns ist es wichtig, diese starke Position nicht nur zu halten, sondern auszubauen und weiterzuentwickeln", so BR-Programmdirektor Björn Wilhelm. Auch die Reform bei Bayern 2 diene dem Ziel, die Kultur zu stärken. Man wolle Raum für Vertiefung, Debatte und Diskurs schaffen. Im Mittelpunkt der Reform steht eine neue Kultursendung, die künftig werktags zwischen 14 und 16 Uhr zu hören sein soll. Hier will man Kulturinhalten künftig eine große Bühne bieten. Das neue Programmschema von Bayern 2 soll am 2. April 2024 starten. Der Ablauf der Sendungen steht aktuell schon, derzeit arbeitet das Kultur-Team unter anderem an den künftigen Titeln der Sendungen und der Formatierung der verschiedenen Strecken.
Alle Beteiligten machten am Dienstag klar, dass man auch künftig ein starker Player in Sachen Kultur bleiben wolle. "An der Qualität von Bayern 2 wird nicht gerüttelt", erklärte Wilhelm. Es werde nicht nur die gleiche Tiefe und Ausführlichkeit bei den verschiedenen Themen geben, sondern auch nicht weniger Etat als bislang. Und BR-Intendantin Katja Wildermuth ergänzte, dass es bei der ARD-Reform auch darum gehe, dass nicht mehr alle Anstalten die gleichen Inhalte produzieren - und dass das auch ein Weg für mehr Vielfalt sei.
Als USP stellte Wildermuth unter anderem den Journalismus des BR und die regionale Verankerung ins Schaufenster. Beides will man im kommenden Jahr noch enger miteinander verzahnen und hat dafür auch ganz konkret ein neues Projekt angekündigt. "BR24 RegioLive" soll im kommenden Jahr ein tägliches Live-Format werden, das zunächst über die BR24-App und im Netz zu sehen sein wird. Programmdirektor Thomas Hinrichs bezeichnete das als ein "Kernprojekt" für 2024. Man wolle damit die Vielfalt in Bayern abbilden und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen, so Hinrichs.
Tägliche Live-Sendung aus den Regionen
Angekündigt ist "BR24 RegioLive" als Projekt, das "Journalismus mit Tiefgang" biete. Täglich will man sich aus einer anderen bayerischen Region melden und dann über dort bestimmende Themen berichten, die auch in anderen Teilen von Bayern interessant sein könnten. Im Hintergrund sind die 30 Korrespondenten-Büros in ganz Bayern für die Umsetzung zuständig. Intendantin Katja Wildermuth sprach am Dienstag in München von einer Mischung aus Breaking News und Hintergrund-Stücken. Die gute Nachricht für die Verlage: Der BR wird damit künftig auf weniger Texte und mehr Videos setzen. Technisch gehe man dafür neue Wege, sonst sei das nicht finanzierbar, erklärte Thomas Hinrichs. Statt eines großen Übertragungswagens wird man also eher auf smarte und kostengünstigere Technik setzen. Am genauen Konzept arbeitet man noch, denn eine Übertragung via 5G wird noch nicht möglich sein, weil dieser Mobilfunkstandard noch nicht flächendeckend im Land verfügbar ist. Perspektivisch sollen die Sendungen dann auch im linearen TV-Programm zu sehen sein - schon aus finanziellen Gründen macht das Sinn.
In der Fiktion hat der BR die Fortsetzung von "Oktoberfest 1900", den Zweiteiler "Oktoberfest 1905" für das kommende Jahr angekündigt. Das Ergebnis soll es im Herbst zu sehen geben. Bereits in diesem November startet "Schnee", ein Mystery-Thriller in Zeiten der Klimakrise (DWDL.de berichtete). Außerdem zeigt man ab kommenden Februar "School of Champions", für die Serie arbeitet man mit ORF und SRF zusammen. Ganz neu ist außerdem eine Animationsserie mit dem Titel "Friedefeld". Die Vorabendserie "Dahoam is dahoam" ist gerade erst verlängert worden.
In der Unterhaltung wird es im kommenden Jahr ein Comeback mit "Ringlstetter" geben, dann übrigens in etwas veränderter Form. Der BR kündigte im Sommer bereits an, dass die Pause der Sendung 2024 enden wird (DWDL.de berichtete). Die Volkssängerrevue "Brettl-Spitzen" wird ausgebaut, hier gibt es künftig gleich acht statt vier Ausgaben jährlich (Lesen Sie dazu auch unseren Text: "Wer sollte denn die 'Brettl-Spitzen' übertragen, wenn nicht wir?"). Bayern-1-Moderator Marcus Fahn soll zudem in einem neuen TV-Format auf Expedition gehen und Menschen kennenlernen und mit ihnen ins Gespräch kommen.
Hinrichs sieht Dokus auf gutem Weg
BR-Programmdirektor Thomas Hinrichs, der ganz nebenbei auch noch Doku-Koordinator der ARD ist, zeigte sich beim Pressegespräch auch zufrieden mit dem Doku-Line-Up im Ersten - vor allem im September. Das war der Monat, in dem beim Sender einige Presenter-Dokus zu sehen waren, unter anderem mit Jessy Wellmer und Ingo Zamperoni. Das sorgte nicht nur für viele Schlagzeilen, sondern auch für gute Quoten. In diese Richtung soll es auch künftig gehen. Felix Neureuther steht aktuell für diverse Dokus für der Kamera, die ebenfalls montags zur besten Sendezeit im Ersten laufen sollen. Dabei geht es überraschenderweise nicht nur um das Skifahren, sondern unter anderem auch um: China.
Und auch beim Thema der Stunde, Künstliche Intelligenz (KI), mischt der BR mit. Hinrichs erklärt, dass man bereits vor drei Jahren eine eigene KI-Einheit aufgebaut habe. Dem Sender komme es vor allem auf zwei Dinge an: Einerseits will man zu einer kritischen Debatte über die neuen Möglichkeiten beitragen. Und andererseits will man KI für den Journalismus besser nutzbar machen. Hinrichs sag, er könne sich auch KI-Moderatoren in Fernsehen oder Radio vorstellen und nennt als Beispiele die möglichen Einsatzbereiche Wetter, Verkehr und Ergebnisberichterstattung. Wenn, dann müsse ein Einsatz von KI aber immer auf ethischen Grundsätzen passieren. "Der Mensch als Journalist wird niemals überflüssig sein", so Hinrichs.
In Sachen Nachwuchs und Talentförderung stehe man vor den Herausforderungen, die auch alle anderen Unternehmen haben, sagt Intendantin Katja Wildermuth. Etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Babyboomer-Jahrgängen werden demnächst in Rente gehen. Alle Unternehmen würden darum kämpfen, die besten Leute zu bekommen. Der BR hat nun die Anzahl der Volontariatsstellen verdoppelt und verlangt hier nun auch nicht mehr einen Hochschulabschluss als Voraussetzung. Gleichzeitig will man nachwachsende Künstlerinnen und Künstler stärker fördern, dazu soll die BR/Puls-"Startrampe" neu konzipiert werden. Damit verschafft man bayerischen Musiktalenten Platz im Programm, auf der Bühne und den digitalen Plattformen des Senders. Gefördert werden sollen auch junge Moderatorinnen und Moderatoren. "Das macht kein ProSieben und auch kein Netflix", sagt Wildermuth über die Nachwuchsförderung des BR.
Wird ARD Alpha eingestellt?
Und dann wäre da ja auch noch die Frage nach dem ARD-Spartensender, der künftig wegfallen soll. Eine entsprechende Ankündigung ist bereits sehr alt, ARD-Vorsitzender Kai Gniffke wollte sich zuletzt aber noch nicht in die Karten schauen lassen, von welchem linearen Kanal man sich verabschiedet. Auf der Abschussliste steht One als Abspielkanal vor allem von Fiction-Ware. Nach dem BR-Pressegespräch erschien es aber zunächst so, dass bei ARD Alpha (früher: BR Alpha) ebenfalls die Lichter ausgehen könnten.
Wildermuth vermied am Dienstag vor Journalistinnen und Journalisten ein klares Bekenntnis zum linearen ARD Alpha und sprach bereits davon, welche Inhalte man definitiv online fortführen würde, sollte der Kanal eingestellt werden. Grundsätzlich müsse man sich gut überlegen, welche Inhalte man bei einem solchen Schritt überführe - und welche nicht. Auf Nachfrage im Anschluss an das Pressegespräch erklärte Wildermuth gegenüber DWDL.de jedoch, dass man an ARD Alpha und seinen Inhalten festhalten wolle. "ARD Alpha steht nicht zur Disposition", so Wildermuth.
Noch im November wollen sich alle ARD-Anstalten noch einmal zusammensetzen und über das Thema Spartenkanal sprechen - vielleicht steht dann ja auch bald offiziell fest, welcher lineare ARD-Nischensender demnächst der Vergangenheit angehört. So oder so: Auf den BR kommen 2024 zahlreiche Veränderungen zu.
Update (17:10 Uhr): Wir haben das Bekenntnis von Katja Wildermuth zu ARD Alpha nachträglich eingefügt. Die BR-Intendantin stellte im Nachgang an das Pressegespräch gegenüber DWDL.de klar, dass der Sender nicht zur Disposition steht. Beim Pressegespräch selbst äußerte sich Wildermuth nicht so eindeutig.