Bert Habets © Seven.One / Benedikt Müller Bert Habets
Die ehrlichste Einschätzung des deutschen TV-Werbemarktes kam in den zurückliegenden Tagen von ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets. "Ich bin gedanklich inzwischen schon in 2024", erklärte Habets im großen DWDL.de-Interview angesichts der nach wie vor spürbaren Zurückhaltung der werbungtreibenden Wirtschaft im Fernsehen. Und trotzdem ist der Konzernlenker, der ProSiebenSat.1 aktuell stark umbaut, optimistisch. Habets’ Motto: Jede Talfahrt ist irgendwann mal beendet. Man sehe schon heute deutlich sinkende Inflationsraten und steigende Reallöhne. Das treibe 2024 hoffentlich den Konsum an und damit auch den Werbemarkt.

DWDL.de hat alle großen TV-Vermarkter um eine Einschätzung der aktuellen Lage gebeten und sie auch gefragt, wie ihre Prognosen für das kommende Jahr lauten. Kurz zusammengefasst: Wie alle sind Habets optimistisch, aber das liegt in der Natur der Sache. Kurzfristig wollen die von DWDL.de befragten Unternehmen das Jahr 2023 aber noch nicht abschreiben, auch wenn sie keine konkreten Anzeichen zu einer merklichen Erholung der Situation sehen. Sie hoffen auf einen Jahresendspurt, der die entstandenen Schäden zumindest ein Stück weit schmälern soll. 

Lennart Harendza © Seven.One/Benedikt Müller Lennart Harendza
Lennart Harendza, Geschäftsführer bei Seven.One Media, sagt, man habe für das vierte Quartal nach wie vor "zu wenig Visibilität". Optimistisch stimme ihn, dass man auf die richtigen Themen setze. "Die Werbekunden lieben Joyn", sagt Harendza, der das auch mit Zahlen untermauert. Die Umsätze der Streamingplattform würden aktuell 40 Prozent über dem Vorjahr liegen. Das sind auch gute Nachrichten für Bert Habets, der Joyn trotz allem breiter aufstellen will als bislang - und zuletzt auch nicht mit Kritik an der bisherigen Joyn-Führung sparte. 

Frank Vogel © RTL Frank Vogel
Frank Vogel, Geschäftsführer der Ad Alliance, erklärt gegenüber DWDL.de, dass viele Werbekundinnen und Werbekunden vor großen Herausforderungen stehen würden und daher bislang auf Sicht gefahren seien. "Aber auch sie haben Businessziele zu erfüllen und dafür braucht es gute Kampagnen und Kommunikation. Das stimmt mich optimistisch für die Auslastung im 4. Quartal", sagt Vogel. Ob es aber tatsächlich so kommt wie erhofft? Unklar. Eines eint Harendza und Vogel: Die Geschäftsführer der beiden größten TV-Vermarkter halten sich mit Prognosen für 2024 zurück. "Einen Ausblick ins kommende Jahr kann ich aber aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht geben", sagt Vogel. In den Gesprächen mit Werbekunden spüre man ungeachtet dessen weiter einen "hohen Bedarf nach Bewegtbildwerbung auf dem Big Screen", so der Ad Alliance-Chef. Harendza sagt, für eine Prognose für 2024 sei es aktuell noch zu früh. "Klar ist, dass auch 2024 die Kombination aus hohen plattformunabhängigen, gattungsübergreifenden Reichweiten mit innovativen Werbeprodukten bei den Advertisern an Relevanz gewinnen wird." Hier sieht man sich naturgemäß gut aufgestellt. 

Kai Ladwig © Visoon Kai Ladwig
Visoon-CMO Kai Ladwig sagt, man sehe im vierten Quartal einen positiven Trend. Dieser gleiche allerdings nicht den Verlust aus, der in den Monaten zuvor entstanden sei. "In einigen Branchen wie den Fast Moving Consumer Goods und der Unterhaltungselektronik sehen wir zum Jahresende hin sehr positive Entwicklungen, die zeigen, wie wichtig die Nettoreichweite von TV weiterhin ist", so Ladwig. Der Visoon-Manager verweist auch noch einmal auf das geplante Gesetz zum Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet - und der damit einhergehenden Situation für alle Marktteilnehmer. Davon wäre der TV-Bereich "überproportional" negativ betroffen, sagt Ladwig, der dennoch von einem "deutlich optimistischen Bild" für das kommende Jahr spricht. 

Digital wächst stark, kann Verluste aber nicht ausgleichen

Stephan Karrer © RTLzwei/Magdalena Possert Stephan Karrer
Spannend ist die Situation beim RTLzwei-Vermarkter El Cartel Media, der seinen dritten Platz unter den deutschen Vermarktern nicht nur an WarnerBros. Discovery abgegeben hat, sondern demnächst auch in der Ad Alliance aufgehen soll. Vorerst gibt es an dieser Front aber keine Neuigkeiten, weil das Bundeskartellamt noch grünes Licht geben muss (DWDL.de berichtete). Geschäftsführer Stephan Karrer sagt, die schwache Konjunktur in Deutschland spiegele sich selbstverständlich auch im Buchungsverhalten der Kundinnen und Kunden wider. "Trotzdem oder gerade deshalb wird Weihnachten gefeiert und die Menschen suchen Freude im Privaten. Das wissen auch die Werbekunden und werden es für sich nutzen", so Karrer. Das Medium TV sei in seiner Wirkung und Messbarkeit so "relevant wie eh und je", zeigt sich der El Cartel-Chef überzeugt. Wenn die Wirtschaft wieder wachse, kämen auch die Werbegelder zurück. "Wir glauben zuerst im TV wegen der direkten Impacts auf den ROI der Kundenkampagnen." Und auch Karrer verweist auf ein starkes Online-Geschäft: Die digitalen Erlöse hätten bereits im September die Jahresprognosen übertroffen. 

Ralf Hape © Sky Ralf Hape
Sky, also ein Unternehmen, das aufgrund seiner Struktur nicht ganz so sehr von Werbegeldern abhängig ist als andere, hat die Krise in der Branche in den zurückliegenden Monaten gespürt. "Genauso wie alle anderen Marktteilnehmer haben auch wir bei Sky Media auf einen Aufschwung gehofft, dafür gab es zwischenzeitlich ja immer wieder Anzeichen. Die ursprünglich erhoffte Kompletterholung ist bis jetzt jedoch nicht eingetreten und, um realistisch zu sein, wird sich dieses Bild in den nächsten Wochen wohl kaum ändern", sagt Ralf Hape, Geschäftsführer Sky Media. Man habe sich aber frühzeitig flexibel aufgestellt, so Hape, der auch sagt, die Anzahl der Werbekunden steige seit September wieder. Im digitalen Bereich habe man "starkes Wachstum", so Hape. "Kurzum: Auch wenn der Markt insgesamt zum Ende des Jahres nicht dort stehen wird, wo wir uns alle das gewünscht hätten, so habe ich durchaus Grund für Optimismus." Von Werbekunden höre er vor allem, dass für 2024 noch keine klaren Aussagen zu Budgets möglich seien. Viele Kundinnen und Kunden würden sich aber mehr Flexibilität wünschen - dafür sieht Hape Sky Media gut aufgestellt. 

Auch ARD und ZDF spüren die Werbekrise

Hans-Joachim Strauch © ZDF/Ulrike Lenz Hans-Joachim Strauch
Und dann wären da ja noch die Öffentlich-Rechtlichen, die zwar nicht wie die Privatsender angewiesen sind auf die TV-Werbeeinnahmen. Wenn die Erlöse bei ARD Media und dem ZDF Werbefernsehen einbrechen, merken das aber auch die Programmverantwortlichen bei ARD und ZDF. Und auch an ihnen geht die Werbekrise nicht spurlos vorbei. "In diesem Jahr werden wir unser Erlösziel wohl nicht mehr erreichen", sagt etwa Hans-Joachim Strauch, Chef des ZDF Werbefernsehens, gegenüber DWDL.de. "Wir hoffen noch auf ein Weihnachtswunder." Für das kommende Jahr hat Strauch verschiedene Gründe, um optimistisch zu sein. 2024 stehen nämlich gleich mehrere sportliche Großereignisse an - das ließ den ZDF-Chefvermarkter schon vor Wochen frohlocken. Egal ob die Handball-EM, die Fußball-EM oder die Olympischen Sommerspiele: Das wird wohl nicht nur viele Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern auch Unternehmen und ihre Kampagnen zu den Öffentlich-Rechtlichen treiben. "Gleich zwei Europameisterschaften im eigenen Land und die Sommerolympiade in Paris werden uns mit Sicherheit Bestleistungen bescheren", sagt Strauch im Hinblick auf das eigene Geschäft. 

Uwe Esser © AS&S Uwe Esser
Uwe Esser, Geschäftsleiter TV bei ARD Media, schaut angesichts der bevorstehenden Sport-Ereignisse ebenfalls positiv in die Zukunft. "Vor dem Krieg in Nahost hätte ich die Hoffnung auf einen langsamen, aber stetigen Aufschwung ins kommende Jahr durchaus geteilt. Stand heute hoffen wir, dass der kleine Aufschwung substantiell genug ist, um im kommenden Jahr mit der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Sommerspielen auch umfassend und nachhaltiges Wachstum zu generieren", sagt Esser. Im Oktober erlebe man aktuell jedenfalls eine deutlich anziehende Nachfrage. Grundsätzlich sei das Buchungsverhalten kurzfristiger denn je, was auf eine Verunsicherung der Werbemärkte schließen lasse - hier sei der Ukraine-Krieg nach wie vor ein bestimmender Faktor. Esser glaubt, dass Werbungtreibende künftig noch stärker als bislang dort ihre Spots schalten, in denen es ein Maximum an Brand Safety gibt. Hier sieht man sich, wie alle anderen Vermarkter auch, als eine Art Vorreiter, vor allem im Vergleich mit digitalen Werbeträgern.