Als James Townley, Chief Content Officer der Banijay Group, Anfang dieser Woche auf dem Filmmarkt MIA in Rom auftrat, konnte der Brite seine Begeisterung für das Gastgeberland kaum im Zaun halten. Mehrfach lobte er überschwänglich die "enorme Kreativität und Reputation", die im italienischen Markt zu finden sei, und bekräftigte die Absicht seines Unternehmens, diese zu nutzen, "wo immer wir können".

Das war mehr als bloße Höflichkeit. Wie schon bei der RTL-Group-Tochter Fremantle geschehen, schickt Italien sich auch bei Banijay an, einer der stärksten regionalen Wachstumstreiber mit beachtlichem Exportpotenzial zu werden. Ende Juli stieg der französische Produktionsriese mehrheitlich bei GreenBoo Production in Rom ein, der frisch gegründeten Firma von Star-Produzent Marco Belardi. Auf dessen Konto gehen einige der größten italienischen Kino- und TV-Erfolge der letzten Dekade.

Was an Belardis Track-Record so spannend und für einen internationalen Konzern höchst attraktiv erscheint, ist die Fähigkeit, lokale Hits zu produzieren, die weltweiten Appeal beweisen. Das Meisterstück in dieser Hinsicht war "Perfect Strangers" von Filmemacher Paolo Genovese – der meistadaptierte Film Italiens mit Remakes in 24 Ländern, darunter "Das perfekte Geheimnis" von Bora Dagtekin. Aus der Kino-Dramedy "There's No Place Like Home" von Regisseur Gabriele Muccino wurde ein erfolgreiches Spin-off als Sky-Serie mit bislang zwei Staffeln, die von Beta Film international vertrieben werden.

Die Beteiligung an GreenBoo werde das kreative Potenzial der Banijay-Labels in aller Welt und den Rechtestock der Gruppe bereichern, gab Banijay-CEO Marco Bassetti, seines Zeichens selbst Italiener, zu Protokoll. Die letzten Projekte, die Belardi seinem alten Arbeitgeber Lotus Production hinterlassen hat, sind die historische Familiensaga "The Lions of Sicily", die Ende Oktober auf Disney+ startet, und ein Multi-Filmdeal mit Netflix. Bei GreenBoo hat er derweil schon mehrere Spielfilme sowie die True-Crime-Serie "La Mala" für Sky Italia in Vorbereitung.

Marco Bassetti © Banijay Heimat-Shopping: Banijay-CEO Marco Bassetti kauft in Italien zu
Voriges Jahr hatte Banijay bereits doppelt in Italien zugeschlagen. Zum einen mit der Übernahme der Groenlandia Group, hinter der die renommierten Regisseure Matteo Rovere und Sidney Sibilia stehen. Abgesehen von mehreren Kinoprojekten sind dort momentan fünf Serien in Produktion: "Antonia" und "No Activity" für Amazon Studios, "This is Not Hollywood" für Disney+, "They Killed Spider-Man – The True Story of 883" für Sky Studios sowie "Supersex" über das Leben des italienischen Pornostars Rocco Siffredi für Netflix. Banijay Kids & Family langte beim Mailänder Animationsstudio Movimenti Production zu, das mit Serien wie "Tear Along the Dotted Line" und "This World Can't Wear Me Down" zu den Stützen des Netflix-Kinderprogramms gehört.

Investitionsmittel stehen reichlich zur Verfügung, seit die Banijay-Mutter FL Entertainment vor anderthalb Jahren einen erfolgreichen Börsengang hinlegte und in diesem Zuge eine massive Umschuldung jener Verbindlichkeiten vornahm, die seit der milliardenschweren Übernahme der Endemol Shine Group auf ihr lasteten. 2022 wuchs der FL-Umsatz um 16 Prozent auf 4,05 Milliarden Euro, wovon der Löwenanteil – 3,2 Milliarden – aus dem Geschäftsfeld Content Production & Distribution, also der Banijay Group, stammt. Das Geschäftsfeld Sportwetten & Online-Gaming mit der Betclic Everest Group steuerte 835 Millionen Euro bei. Banijay erwirtschaftete ein EBITDA von 472 Millionen Euro und damit eine Marge von 14,7 Prozent. Betclic war mit 203 Millionen und 24,3 Prozent noch ein ganzes Stück profitabler.

FL Entertainment auf einen Blick

  • Vorjahresumsatz: 4,05 Milliarden Euro

  • Marktkapitalisierung: 3,75 Milliarden Euro (Stand: 12. Oktober)

  • Vorstand: Stéphane Courbit (Chairman), François Riahi (CEO), Sophie Kurinckx (CFO), Marco Bassetti (Banijay Group), Nicolas Beraud (Betclic)

  • Gesellschafter: Financière LOV (45,4%), Vivendi (19,2%), SBM (10%), Streubesitz (9%), Fimalac (7,4%), De Agostini (4,8%), Financière Agache / Tikehau Capital (2,5%)

Im ersten Halbjahr 2023 stieg der Konzernumsatz um acht Prozent auf 1,9 Milliarden Euro, das EBITDA um zehn Prozent auf 327 Millionen Euro. Die Wachstumsdynamik resultierte im Wesentlichen aus dem Wett- und Spielgeschäft, das seinen Umsatz um 23 Prozent, sein Ergebnis um 26 Prozent steigern konnte. In bekanntermaßen angespannten Zeiten für den Produktionsmarkt legte Banijay nur sachte zu: um 2,1 Prozent beim Umsatz (1,4 Milliarden Euro) und um 1,2 Prozent beim EBITDA (201 Millionen Euro).

Immerhin war wieder einmal Verlass auf die guten, alten Formatmarken, die schon lange funktionieren: "Deal or No Deal" etwa kam in Spanien nach zwölf Jahren Pause zurück auf den Schirm, "Survivor" in Argentinien gar nach 22 Jahren. "Big Brother" feierte derweil Premiere in Chile und damit seine 67. Adaption, während "Lego Masters" mit der 20. und 21. Version in Ungarn und Japan startete. Zudem profitiert man von dem Trend, dass auch Streaming-Plattformen zunehmend auf bewährte Unterhaltungsformate setzen: In Frankreich und Italien produziert Banijay "LOL" für Amazon Prime Video, in Frankreich zusätzlich "Popstars", das dort seit über 20 Jahren nicht mehr gelaufen war.

Um jenseits des klassischen Produktionsgeschäfts noch weiter zu diversifizieren, baut FL Entertainment seit einigen Monaten eine neue Säule auf, die es zumindest bei der deutschen Tochter Brainpool schon ewig gibt: Live-Entertainment. Der bisherige Banijay-France-Chef François de Brugada hat die Leitung von Banijay Events übernommen und soll dort "signifikantes Wachstumspotenzial" heben, wenn es nach FL-CEO François Riahi geht. Man habe in diesem Geschäftsfeld "große Ambitionen" und wolle passende Firmen aufkaufen. Ende September wurde die mehrheitliche Akquisition des italienischen Live-Event-Spezialisten Balich Wonder Studio abgeschlossen. Dessen Produktionsportfolio umfasst die Eröffnungszeremonien zahlreicher Olympischer Spiele sowie der Fußball-WM in Katar, aber auch große Fashion-Shows für Louis Vuitton und Dolce & Gabbana.

Europas Studios im Umbruch – bisher erschienen