Für Film- und Fernsehproduzenten sind es herausfordernde Zeiten, wenn die Konjunktur abrauscht, während Kosten und Zinsen nach oben knallen. Die Finanzierung des nächsten ambitionierten Projekts steht plötzlich in den Sternen; das Unternehmen profitabel zu halten, wird zum Kampf. Wenn Krisenzeiten überhaupt etwas Gutes haben, dann wohl das: Man ist gezwungen, Kapital aus neuen, zuvor ungeahnten Quellen zu suchen – und wird mitunter fündig. Denn zur wirtschaftlichen Wahrheit gehört auch, dass nach wie vor enorme Mengen von Private Equity zirkulieren.
Es entspricht also durchaus einer gewissen Logik, wenn amerikanische Investoren angesichts der gegenwärtigen Schwäche traditioneller Auftraggeber und angesichts der hohen Marktsättigung in den USA ihre Geldströme in Richtung europäischer Indie-Produzenten leiten. Über 50 Millionen Dollar Startkapital sind auf diese Weise bei der frisch formierten, fondsfinanzierten Vuelta Group mit Sitz in Irland gelandet, die von US-Branchenblättern schon "the new European Super-Indie" genannt wird.
Das scheint gar nicht mal so übertrieben, wenn man sieht, was Vuelta in den letzten Monaten alles zusammengekauft hat: In Deutschland wurde das Münchner Produktions- und Vertriebshaus SquareOne ("Euer Ehren", "Trautmann") übernommen, in Frankreich die Filmfirmen Pan Cinema ("Largo Winch") und Playtime ("Mein fabelhaftes Verbrechen"), in Dänemark Scanbox Entertainment ("Bronson") und in Italien Indiana Production ("Made in Italy"). Weitere Akquisitionen in Spanien, Benelux und Irland stehen nach Angaben des Unternehmens kurz bevor.
Anders als ebenfalls auf Private Equity gestützte Produktionsgruppen wie Banijay, Leonine oder Mediawan will Vuelta keine große Holding und auch keinen zentralen Vertrieb aufbauen, sondern die vorhandenen operativen Strukturen der Töchter nutzen. Neben Levy als Chairman sitzen der französische Filmproduzent David Atlan-Jackson als Chief Content Officer und der frühere Fremantle-Finanzchef Allen Duffy als CFO im Vorstand. Dem Beirat der Gruppe gehören Munteanu, Playtime-Geschäftsführer Sébastien Beffa und Scanbox-CEO Thor Sigurjonsson an.
Als Ende September bekannt wurde, dass die italienischen Produzenten Fabrizio Donvito und Marco Cohen ihre 2005 gegründete Firma Indiana an Vuelta verkaufen, zeigte sich einmal mehr, wie hart es gerade in Italien für unabhängige Produktionshäuser geworden ist. Der dortige Markt hat in den letzten Jahren eine massive Konsolidierung durch Investitionen großer internationaler Gruppen wie Fremantle, ITV Studios oder NBC Universal erfahren. Indiana wiederum, das mit SquareOne als Koproduzent bereits bei der italienischen Version von "Your Honor" und der Sky-Serie "L'Ora – Worte gegen Waffen" zusammengearbeitet hat, schließt sich der Gruppe in seinem wohl produktivsten Jahr an. Im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig fand die Romanverfilmung "Lubo" mit Franz Rogowski in der Hauptrolle große Beachtung. Am 3. November startet bei Sky das mit Pantaleon Films koproduzierte Flüchtlingsdrama "Unwanted", bei dem Oliver Hirschbiegel Regie führte und Marco Bocci und Jessica Schwarz die Hauptrollen spielen. Für Netflix wurde gerade die opulente Historienserie "The Leopard" abgedreht.
Mit der Vuelta Group, so Donvito, habe Indiana sein "langfristiges Ziel" erreicht, ein europäisches Produktions- und Vertriebsnetzwerk aufzubauen, dessen Wachstum man nun "gemeinschaftlich an der Seite jener Partner" pflege, die "von Beginn an ein Teil von Indiana waren". Benedetto Habib, weiterer Partner und Geschäftsführer von Indiana, erläuterte gegenüber "Variety" die Besonderheit des Deals: "Es handelt sich nicht um eine klassische Übernahme, weil jeder von uns einen beträchtlichen Teil dessen, was wir erhalten haben, ins heimische Unternehmen investiert. Andererseits geben wir die Gesamtheit unserer Anteile ab. In gewisser Weise sind wir also weiterhin Unternehmer, allerdings in einem größeren Rahmen." Das klingt nach einem spannenden Modell für herausfordernde Zeiten.