Es gibt eine goldene Regel für Sportjournalist Florian Plettenberg: "Aktuell haben wir eine Phase, in der man sich nicht erlauben kann, ohne Handy ins Restaurant zu gehen, den Grill anzumachen oder spazieren zu gehen. Man kann es sich nicht erlauben, keinen Router dabei zu haben oder den Akku nicht aufgeladen zu haben", erzählt Plettenberg, der sich spätestens mit seinem Wechsel von Sport1 zu Sky vor rund eineinhalb Jahren dem Transferjournalismus im Fußball-Business verschrieben hat. Ein Feld, das in anderen Ländern in anderen Ausprägungen schon seit Jahren boomt, in Deutschland aber erst mit Verspätung und maßgeblich von Sky angetrieben verstärkt wahrgenommen wurde, wie sich vor wenigen Tagen erneut zeigte, als Transferjournalisten beim Transfer von Harry Kane Schnappatmung hatten. "Es gibt nur zwei Monate, in denen Ruhe ist. Das ist der September, also nach dem Deadline Day im Sommer. Und der Februar. Ansonsten dreht sich das Karussell täglich", sagt Plettenberg über den Transfermarkt, der ihn also an mehr als 300 Tagen im Jahr in Atem hält.
Und nicht nur an Tagen. "Mein Job kennt keine Uhrzeit. Es gibt News, die habe ich um 2:30 Uhr umgesetzt, andere morgens um acht. Wenn man es so macht, wie ich es möchte, muss man omnipräsent und wach sein", sagt der Reporter, der an diesem Tag vor seinem Laptop in seinem Wohnzimmer sitzt. Ein Ort, den er noch gut in Erinnerung hat. Der Transfer-Deal von Sadio Mane, einst gefeierter Liverpool-Spieler, hin zum FC Bayern München, machte Plettenberg weltweit bekannt. Über seinen X-Account @plettigoal und natürlich auch im Sky-Programm war er der erste Journalist, der von dem Transfer sprach. Rückblickend sagt er, Mane sei seine "größte und emotionalste News" gewesen. Sie habe ihm persönlich in Sachen Außendarstellung geholfen, kam zur richtigen Zeit und habe auch die Sky-Sendung "Transfer Update" "auf ein anderes Level" gehoben.
Pionierarbeit aus Italien
Schon seit mehreren Jahren berichtet Sky nahezu das ganze Jahr über in dem Format über alles, was mit dem Transfermarkt zu tun hat. Und reagiert somit auf die auch hierzulande gestiegene Nachfrage nach Storys rund um Vereinswechsel prominenter Fußballer. Entsprechend hat Sky dem Thema auch mehr und mehr Platz eingeräumt, nicht nur am von der Sendergruppe marketingwirksam etablierten "Deadline Day". Vorreiter in Sachen Transferjournalismus ist dabei unter anderem Italien. "Wild" sei das Land in diesem Punkt, bringt es Plettenberg auf einen solchen. "In Deutschland prüfen wir jede News, ehe wir sie rausgeben, doppelt und dreifach." Er sei in seiner Show jedoch "keine Gerüchteschleuder", sondern "News-Übermittler". Man wolle keine Gerüchte einordnen, sondern "News in Eigenrecherche generieren." Das sei, so sagt es der Transfer-Experte, in Italien anders. "Da wird rausgehauen. Aber in Italien wird auch den ganzen Tag nur über Transfers gesprochen". Insofern hätten die Italiener "gute Pionierarbeit" geleistet.
Einer, auf den das zutrifft, ist Fabrizio Romano. Kein Wunder, dass er sein Handwerk in Sachen Transferjournalismus einst bei Sky Italia lernte – inzwischen ist er auf eigene Faust unterwegs und hat auf der bisherigen Twitter-Plattform X mittlerweile über 16 Millionen Follower. "Ich schätze ihn, sehe ihn aber als Konkurrenten an", sagt Plettenberg klar. "Romano ist mit seiner Reichweite inzwischen eine eigene Marke – Plettigoal mag mittlerweile auch eine bekannte Marke sein, ich bin aber Angestellter von Sky und agiere nicht mit eigenem Namen. Generiere ich eine Exklusiv-Nachricht, dann wird Sky zitiert. Nicht Florian Plettenberg. Das ist ein Unterschied."
"Innerhalb von fünf Minuten kann ein Spieler, den keiner kannte, mit zwei relevanten Tweets von zwei Transferjournalisten weltweit bekannt werden."
Die Arbeit aber mag ähnlich sein - und verlangt viel ab. "Ich habe eine Exklusiv-News mit Badehose am Strand von Mallorca umgesetzt, zum Beispiel den Transfer von Matthijs de Ligt zu den Bayern. Ich habe mit dem Handy am Ohr unter meinem Helm im Skiurlaub mit Vereinsbossen telefoniert", erinnert sich Plettenberg. Auch zu Spielern unterhält er gute Kontakte. "Was für Spieler reizvoll ist", sagt er, "ist die unglaubliche Reichweite von Transferjournalisten. Innerhalb von fünf Minuten kann ein Spieler, den keiner kannte, mit zwei relevanten Tweets von zwei Transferjournalisten weltweit bekannt werden. Der Spieler sieht, dass das seine Relevanz und somit seinen Marktwert steigert", erklärt der Sportjournalist. In der Regel kämen die Informationen von woanders her.
Reichweite ist sein Antrieb
Allein im Juni sollen Plettenbergs Tweets auf über 91 Millionen Impressionen gekommen sein, 2,64 Millionen Profil-Besuche wurden registriert. "Reichweite ist mein Antrieb. Je größer das 'Transfer Update' wird, desto größer werde ich auch. Es ist eine Win-Win-Situation. Inzwischen sind wir mit einer 'Transfer Update'-Sendung über alle Plattformen hinweg gerechnet bei siebenstelligen Reichweiten", rechnet Plettenberg im Gespräch mit DWDL.de vor, "auch weil im Hintergrund ein funktionierendes Team arbeitet, das den Transfer-Content auf allen Kanälen verteilt". Doch der Erfolg hat auch andere Seiten. "Ich kann auf dem Oktoberfest nicht mehr so feiern wie früher. Ich werde auf Mallorca oder in Restaurants in München erkannt. Das ist cool, aber es hat mein Leben verändert."
Und auch Urlaub ist schwierig geworden, wie er Ende März feststellen musste. Die Bundesliga ging damals in eine Länderspielpause. Zu deren Beginn ahnte noch kaum jemand, dass Rekordmeister Bayern München seinen Trainer Julian Nagelsmann entlassen wird. "Die Geschichte des Abends, als Nagelsmann bei Bayern freigestellt wurde, werde ich irgendwann mal in einem Buch niederschreiben," sagt er. Die Geschichte, sie geht so: Schon vor Bekanntwerden der Trennung habe Plettenberg gewusst, dass Nagelsmann 23/24 kein Bayern-Trainer mehr sein werde. "Es waren zu viele Dinge passiert."
Das Schnitzel blieb auf dem Teller
Er würde aber lügen, sagt er, wenn er nun behaupte gewusst zu haben, dass in besagter Woche etwas passieren würde. "Ich bin daher mit meinem Vater und Bruder in einen dreitägigen Skiurlaub gefahren, denn es war unser Geschenk zu seinem 60. Geburtstag." In dieser unruhigen Phase beim FC Bayern hatte Plettenberg an jenem Abend also ein Schnitzel vor sich, "aber weder Handyempfang noch WLAN". Fabrizio Romano war es demnach, der die News über das Trainer-Beben an der Säbener Straße als erster brachte. "Ich wusste: Scheiße", erinnert sich Plettenberg, dessen Account auch in den folgenden Minuten still blieb. Das Schnitzel sei auf dem Teller geblieben, Plettenberg hingegen sei "in dem Gasthaus auf der Hütte runter auf die Toiletten, habe mich vor die Toilette gesetzt, weil ich dort Netz hatte". Binnen rund 15 Minuten habe er die Nagelsmann-Geschichte "rund bekommen."
Er sagt aber auch: "Ich war zu spät dran. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich mir einen Vorwurf machen soll. Aber Schwachsinn." Der Abend war in Folge gelaufen. Zurück im Zimmer, habe er abends noch zwei Stunden lang mit Informanten telefoniert – das bescherte ihm neue "Details der Entlassung". Auch das ist Transferjournalismus, ein Geschäft, das gnadenlos auch dann zuschlägt, wenn es gerade gar nicht passt. Transferjournalismus beschäftige den eigenen Körper, wie Plettenberg es formuliert. Vor dem Schlafgehen Twitter zu checken, um dann, im schlechtesten Fall festzustellen, dass jemand anderes eine News habe, die er vorher nicht habe einholen können. "In solch einem Moment folgt eine kurze Nacht. Dann schlafe ich maximal drei bis vier Stunden. Komme kaum in den Tiefschlaf. Der innere Wecker brodelt, weil ich es nicht erwarten kann, aufzustehen und meine eigene Recherche voranzutreiben."
Transferjournalismus ist immer mit Druck verbunden, nicht nur zeitlicher Natur. So war das auch im vergangenen Sommer mit der Mane-Geschichte. "Ich habe in den ersten fünf Tagen viel Kritik einstecken müssen. Niemand hat mir geglaubt. Andere Medienkollegen haben gesagt, das sei eine Ente", erinnert sich Plettenberg. Als der Mane-Wechsel offiziell wurde, habe er, obwohl er längst wusste, dass es stimmt, "in meinem Wohnzimmer sehr, sehr laut geschrien. Vor Freude."
Und trotz dieses Drucks sei der Transferjournalismus für den Reporter "keine Arbeit" sondern die "größte Leidenschaft" und ein "Privileg". Morgens habe er nie das Gefühl, aufzustehen und arbeiten zu müssen. "Ich weiß, es ist ein Job, den Millionen Menschen gerne machen würden. Natürlich ist dieser Job sehr vereinnahmend. Die Arbeit hat einen großen Impact auf mein Gemüt. Wer angelt und sich vornimmt, drei große Fische zu fangen, fährt frustriert nach Hause, wenn er die Fische nicht fängt. Es gibt Tage, an denen fängst du einfach keinen Fisch. Dann kann der Köder, das Wetter und das Zubehör noch so gut sein. Es gibt Fische, die vom Haken gehen, ganz kurz bevor man sie an Land ziehen will." Es gebe aber auch Tage, an denen zappelt ein Fisch nach dem anderem in Netz. "Dann ist jeder Wurf ein Treffer. Mit diesem Bild lässt sich mein Alltag im Transferjournalismus gut beschreiben", sagt Florian Plettenberg.
Vom Journalismus ins Beratergeschäft
Die deutschen Urväter des Transferjournalismus, Marc Behrenbeck und Max Bielefeld, haben Sky übrigens längst verlassen. Beide arbeiten jetzt selbst als Spielerberater, also in einer Branche, in der mehr Geld zu verdienen ist als im Journalismus. Das Jobprofil sei ähnlich. "Ich mache den ganzen Tag nichts anderes als ein Sportdirektor oder Spielerberater. Ich bin den ganzen Tag mit Spielern, Bossen und Beratern in Kontakt. Ich evaluiere Preise und ich ermittle Bedarf von Vereinen. Ich kann nur Exklusivität generieren, wenn ich mir vorher Gedanken mache, was passieren kann. Das unterscheidet den guten vom weniger guten Transferjournalisten. So intensiv wie wir Transferjournalismus betreiben, gibt es vielleicht zehn Leute weltweit", behauptet Plettenberg, der angibt, selbst auch schon Anfragen gehabt zu haben von Berateragenturen. "Ich habe das bisher abgelehnt, das kann ich mir aktuell nicht vorstellen. Ob ich jemals auf die Beraterseite wechseln werde, kann ich nicht sagen. Wenn mich was reizen würde, dann vielleicht mit meinem Wissen in einen Verein zu gehen, um dort in die Kaderplanung involviert zu sein. Das ist aber Zukunftsmusik."
Die Aktualität ist der sich in diesen Tagen und bis zum "Deadline Day" am 1. September wieder aufheizende Spielermarkt. Tag für Tag gilt es zu filtern. Es gelte zu evaluieren, welcher Informant nur "Mist“ verkaufen will. "Denn ich komme ja auch mit neuen Quellen in Kontakt und erweitere mein Netzwerk im In- und Ausland. Wem kann ich trauen? Dieses Gefühl muss ich beherrschen." Ein Transferjournalist müsse, sagt der Sky-Reporter zu DWDL.de, den "Staubsaugerverkäufer" vom News-Lieferanten unterscheiden. Davon profitiert man dann auch im Privaten…" Beruflich habe er den Kreis derer, mit denen er spreche, in den vergangenen Jahren stark reduziert. "Ich investiere nicht mehr in Anrufe mit Quellen, die letztlich nichts bringen." Denn Zeit ist wertvoll, Schnelligkeit zählt. Der Transfermarkt, er schläft eben nie.