Es war eine unschöne Bescherung, die den Norddeutschen Rundfunk vor mehr als vier Jahren kurz vor Weihnachten ereilte. Damals musste der Sender ein Büro-Hochhaus in Hamburg-Lokstedt kurzfristig schließen und 300 Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter umquartieren, nachdem bei Raumluftmessungen in zunächst nur zwei Räumen im 14. Obergeschoss Asbestfasern nachgewiesen worden waren, später auch in weiteren Räumen. Der Asbest sei dort in den 70er Jahren "ohne bautechnische Notwendigkeit" verwendet worden, erklärte der Sender damals. 

Altes NDR-Gebäude in Hamburg-Lokstedt © NDR/Gita Mundry Asbestbelastetes NDR-Gebäude in Hamburg-Lokstedt
Eine eingehende Prüfung ergab nur wenige Wochen später, dass ein Neubau unausweichlich ist. Die Kosten für die Kernsanierung hätten nach Schätzung des NDR bei 50 Millionen Euro gelegen, für den Neubau wurden nun hingegen 46 Millionen Euro veranschlagt, wozu aber noch zehn Millionen zusätzliche Kosten für den fachgerechten Abbruch sowie eine Abschreibung in Höhe von zwei Millionen Euro auf den Restbuchwert des alten Gebäudes hinzu kommen - insgesamt geht man also von 58 Millionen Euro aus. Diesen Mehraufwand in Höhe von acht Millionen Euro rechtfertigte der NDR unter anderem durch die deutlich längere künftige Nutzungsdauer, Erleichterungen beim Brandschutz und flexiblere Nutzungsmöglichkeiten, die der schmale Altbau nicht geboten hätte.

Für Planung, Genehmigung und Bau wurden damals vier Jahre veranschlagt, während der man weiterhin in der bestehenden Zwischenlösungen verbleiben musste - so wurden unter anderem weitere Büroflächen und Containern in der Umgebung angemietet oder Konferenzräume umfunktioniert. Doch eine Sanierung wäre nach Auffassung der Verantwortlichen nicht wesentlich schneller vonstatten gegangen, weil zunächst eine komplette Entkernung bis auf den Rohzustand notwendig gewesen wäre, so er NDR. Beim WDR weiß man mit Blick auf das inzwischen fast 50 Jahre alte Filmhaus in Köln, dass eine solche Grundsanierung keineswegs einfach ist. 

Tatsächlich dürfte der NDR-Neubau, der vom Hamburger Architekturbüro gmp entworfen wurde, zu einem ähnlichen Zeitpunkt bezogen werden können wie das runderneuerte WDR-Filmhaus - obwohl für Letzteres die Planungen deutlich früher begannen, auch wenn der Ende 2020 genannte Termin der Fertigstellung auch im Norden nicht eingehalten werden kann. Damals war von Herbst 2023 die Rede. "Derzeit ist eine Fertigstellung Mitte 2024 geplant", erklärte eine NDR-Sprecherin jetzt auf DWDL.de-Nachfrage mit Blick auf den Neubau in Hamburg-Lokstedt. Immerhin: Das Projekt liege das Projekt "im Kostenplan", was man vom Filmhaus bekanntlich nicht sagen kann.

"Derzeit laufen Fassadenarbeiten", heißt es aus Hamburg zum Stand der Arbeiten. In deren oberen Geschossen habe der Innenausbau zudem bereits begonnen. Die Belegschaft dürfte sich schon jetzt freuen, denn in dem Haus wird zum ersten Mal das gesamte Landesfunkhaus Hamburg einen gemeinsamen, crossmedialen Platz finden. Dort wird nach Angaben des NDR auch das Programm des Radiosenders NDR 90,3 produziert. Zudem sollen die gemeinsame Programmdirektion, der Programmbereich Programm- und Portfoliomanagement und Teile des Programmbereichs Gesellschaft einziehen.

Insgesamt wird nach Fertigstellung auf 11.500 Quadratmetern Raum sein für mehr als 550 Arbeitsplätze. Dass das Projekt zu Corona-Zeiten geplant wurde, dürfte dem NDR nun zugute kommen. "Das Gebäude ist von Anfang so geplant, dass es Kommunikation und Zusammenarbeit fördert", sagte eine Sendersprecherin zu DWDL.de. "Beide Themen spielen auch nach der Pandemie eine große Rolle für das Arbeiten im NDR." Und künftig sogar ganz ohne Asbest.

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