Wenn Produzentinnen und Produzenten Filme und Serien herstellen, wollen sie oft den ganz normalen Alltagswahnsinn abbilden. Dazu gehören ziemlich oft Kinder, also gibt es bei vielen Produktionen Rollen auch für sie. In anderen Formaten dreht sich die Geschichte im weitesten Sinne um die Kinder, etwa bei der ausgezeichneten Serie "MaPa". Und dann gibt es auch noch Produktionen speziell für die ganz junge Zielgruppe, in denen Kinder auch die meisten Hauptrollen übernehmen. Hierzulande sind das etwa die beiden Kika-Serien "Schloss Einstein" und "Die Pfefferkörner".
Was alle Produktionen eint, wenn sie mit Kinder arbeiten: Die Macherinnen und Macher müssen sich an einige grundlegende Regeln halten. Eigentlich ist eine Beschäftigung von Kindern nämlich verboten. Unter bestimmten Voraussetzungen können Kinder und Jugendliche aber im Hörfunk, beim Fernsehen, Film, Theater oder Werbeveranstaltungen beschäftigt werden. Sind die Kinder zwischen 3 und 6 Jahre alt, dürfen sie pro Tag nur zwei Stunden arbeiten. Bei den etwas älteren Kindern sind es 3 Stunden und noch mehr, wenn Schulferien sind und die Personen 15 bis 17 Jahre alt sind.
Außerdem ist im Jugendarbeitsschutzgesetz geregelt, dass für die Kinder "Betreuung und Beaufsichtigung" geregelt sein muss. Bei den meisten TV-Produktionen gibt es daher sogenannte Kinderbetreuer, die sich um die angehenden Schauspielerinnen und Schauspieler kümmern. Im Fall von der von Saxonia Media produzierten Serie "Schloss Einstein" übernimmt diesen Job schon seit Jahren Steffen Stibbe. Der Quereinsteiger, Stibbe ist ausgebildeter Medienpädagoge und Kinderbetreuer, ist für die Kinder der erste Ansprechpartner am Set und auch verantwortlich für die Kleinen, bis sie das Set wieder verlassen haben. Neben "Schloss Einstein" hat er auch die Kinderbetreuung beim Kinofilm "Invisible Sue" oder der MDR-Dramedy "24 Stunden" übernommen.
Dabei variiert die Arbeit von Stibbe sehr: Am Set von "Schloss Einstein" protokolliert er die Arbeitszeiten der Kinder, damit es keine Probleme mit den Behörden gibt. Nach der Ankunft am Drehort geht er mit ihnen den Tagesablauf durch, nicht selten ist Stibbe auch die letzte Instanz für die Kinder in Sachen Text, bevor sie ans Set kommen. Das heißt: Wenn sie sich noch nicht ganz sicher sind, können sie mit dem Kinderbetreuer noch einmal ihre Text-Passagen üben. "Ich helfe den Kindern, dem Druck standzuhalten", sagt er im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Und auch wenn niemand am Set Kindern bewusst Druck machen will: Der kommt natürlich von ganz alleine, weil den Kleinen oft noch die Routine fehlt.
Stibbe ist für die Kinder aber nicht nur am Set da. "Mein Job hört nach dem Ende des Drehs nicht auf", sagt er. Auch wenn es persönliche Probleme gebe, sei er für seine Schützlinge da. "Die Kinder sollen sich aufgehoben fühlen, da soll es keinen Unterschied zu ihrem zu Hause geben. Es muss immer jemand für sie da sein, egal um was es geht." Im Fall von "Schloss Einstein" ist es so, dass die Kinder oft auch aus anderen Bundesländern kommen und für die Zeit des Drehs, oft mehrere Monate, in Gastfamilien untergebracht sind. Während dieser Zeit besuchen sie auch neue Schulen und sind weit weg von ihrer Familie - oftmals ist das eine große Umstellung. Dass sich die Kinder Stibbe anvertrauen, funktioniert nach dessen Angaben auch deshalb so gut, weil er von Beginn an in den Prozess eingebunden ist. Die Kinder kennen Stibbe meist schon vom Casting, auch die Eltern führen das erste Gespräch mit ihm. "Ich bin für sie die Bezugsperson", sagt Stibbe über seine Rolle bei den Kindern.
Keine Ausnahmen beim Jugendarbeitsschutz
Wer schon einmal an TV- oder Filmsets war, weiß, dass sich hier Abläufe gerne mal verzögern. Auch darauf hat Stibbe ein Auge - und muss im Zweifel den Spielverderber spielen. "Dort wo ich arbeite, setze ich das Jugendarbeitsschutzgesetz um. Da lasse ich mich auch von nichts und niemandem beeinflussen. Das wissen die Produktionsfirmen und dafür bin ich ja auch gebucht. Wenn die Drehzeit für die Kinder abgelaufen ist, gibt es keine Ausnahmen. Da bin ich streng", sagt er. Produktion und Regie würden oft gerne die maximale Zeit ausnutzen, aber das sei okay - es würde ihnen schließlich zustehen. "Nur darüber hinaus geht es eben nicht."
Wenn die Drehzeit für die Kinder abgelaufen ist, gibt es keine Ausnahmen. Da bin ich streng.
Steffen Stibbe
Bei "Schloss Einstein" ist Stibbe nicht die einzige Person, die sich um Kinder kümmert. Die Produktionsfirma hat mit Heike Thiem-Schneider auch eine Schauspiel-Coachin für die Kinder engagiert. Sie ist speziell dafür da, um mit den Kindern das künstlerische, die Schauspielerei zu verbessern. Dadurch ist sie vor allem am Set anwesend, wenn auch tatsächlich gedreht wird. So sind die Aufgaben relativ klar getrennt - auch wenn Heike Thiem-Schneider natürlich ebenfalls mal ein Ohr für die Kinder hat, wenn es mal wieder eine lange Drehpause gibt.
Eine Coachin für die jungen Schauspielenden
Eine solche Schauspiel-Coachin ist auch Svetlana Kanevski. Sie hat selbst die Schule für Schauspiel Hamburg mit dem Schwerpunkt Film besucht und hat bereits bei mehreren Serien, darunter "Großstadtrevier", "Nord bei Nordwest" und "Mordsschwestern" gearbeitet und dort das Kinder-Casting übernommen. Als ausgebildete Schauspielerin hat sie ein Auge dafür, welche Kinder besonders geeignet sein könnten für Rollen in Serien- oder Filmproduktionen. Neben den bereits genannten Produktionen ist sie seit einiger Zeit auch stark bei "Die Pfefferkörner" eingebunden, hier nicht nur beim Casting, sondern auch während des Drehs als Coach.
Auch bei den "Pfefferkörner" gibt es neben Kanevski, die sich am Set vor allem um das Schauspiel der Kids kümmert, eine Person, die die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler darüber hinaus betreut. Und auch hier gibt es eine enge Zusammenarbeit. "Das ist eine Gemeinschaftsleistung", sagt Kanevski. "Wenn die Kamera am Set läuft, bin ich dabei und die Kollegen nicht. Da merke ich natürlich zuerst, wenn die Leistungskurve bei einem Kind abfällt. Grundsätzlich tauschen wir uns immer aus über das, was die Kinder gerade beschäftigt." Und ab und zu geht es auch hoch her. "Kinder sind manchmal außer Rand und Band. Da sprechen wir uns dann ab und entscheiden gemeinsam, was für das Kind am besten ist", sagt die Kinder-Coachin.
Absagen im Schauspiel-Business zu schreiben, ist eine delikate Angelegenheit. Vor allem Kinder sollen immer mit einem guten Gefühl aus dem ganzen Prozess gehen.
Svetlana Kanevski
Dass Kinder und Jugendliche manchmal vielleicht nicht ganz so konzentriert sind wie Erwachsene, kann verschiedene Gründe haben: Private Probleme, Schule oder Heimweh können da unter anderem eine Rolle spielen. "Heimweh ist eine ganz andere Ebene, da müssen wir alle einen Gang runter schalten", sagt Svetlana Kanevski. Da nehme man sich Zeit für das Kind und da seien die Szenen, die auf dem Plan stünden, egal. "Sowas kommt auch immer mal wieder vor in der Arbeit mit Kindern, das ist ganz normal." Die größte Herausforderung bei der Arbeit mit Kindern sei die Geduld, sagt Kanevski. Außerdem müsse man bei den Kindern immer wieder die richtige Balance finden aus Disziplin und Spaß an der Sache. Wenn sie nach einem harten Tag ans Set kommen und hätten den Text nicht gelernt, müsse man sie auf die Wichtigkeit dieses Themas aufmerksam machen - aber nie zu streng sein, warnt Kanevski.
Geduld haben und Ruhe bewahren
Und auch in ihrer zweiten Rolle beim Casting muss Svetlana Kanevski Fingerspitzengefühl beweisen - und das nicht nur bei den Kindern, die es später vor die Kameras schaffen. "Absagen im Schauspiel-Business zu schreiben, ist eine delikate Angelegenheit. Vor allem Kinder sollen immer mit einem guten Gefühl aus dem ganzen Prozess gehen", sagt sie.
Wichtig für einen gelungenen Dreh mit Kindern ist ein homogenes Team. "Es gibt zwar Personen, die sich speziell um die Kinder kümmern. Wenn man aber ein ganzes Team hat, das positiv eingestellt ist gegenüber Kindern, viel Geduld hat und nicht zu schnell genervt ist, werden die Dreharbeiten besser laufen", so Kanevski. Bei Produktionen, in denen hauptsächlich Kinder mitspielen, kann man das wohl als gegeben betrachten. Aber es gibt eben auch viele Produktionen, in denen Kinder nur eine Nebenrolle spielen. Da müssen im Umgang mit Kindern nicht so erfahrene Regisseure oder Produzenten Ruhe bewahren - das bedeutet meist auch mehr Arbeit für die Kinderbetreuer oder Kindercoaches. Häufiger als ihre erwachsenen Counterparts haben Kinder zum Beispiel Lachanfälle, durch die sie dann für eine gewisse Zeit nicht mehr drehen können. Damit müssen alle am Set leben ohne direkt aus der Haut zu fahren. Und so ist das ja auch irgendwie, wenn man den ganz normalen Alltagswahnsinn in Serien oder Filmen abbilden will.