Als Ernährungsminister Cem Özdemir Ende Februar ein geplantes Verbot von Werbung ungesunder Lebensmittel, die sich speziell an Kinder richtet, vorgestellt hat, schlugen die Wogen hoch - vor allem bei den Unternehmen und Vermarktern spricht, die davon direkt betroffen wären. Moniert wird etwa, dass ein generelles Werbeverbot zu nichts führe und es sich zudem überhaupt nicht erschließe, wieso Produkte, die ganz legal ohne Altersbeschränkung gekauft werden können, mit einem Werbeverbot belegt werden sollten. In einem Interview vom Wochendne schwächte Özdemir seinen Vorschlag dann ab und will das Verbot nur noch in Zeiten mit besonders hoher Nutzung durch Kinder - doch glücklich wären die Vermarkter, die mit einem ohnehin angespannten Werbemarkt zu kämpfen haben, auch damit nicht.

Treffen würde ein Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel - auch mit den nun vorgeschlagenen zeitlichen Einschränkungen - auch die deutschen Kindersender im Fernsehen, alleine schon wegen ihrer Zielgruppen. Mithilfe der Daten von AdScanner hat sich das Medienmagazin DWDL.de nun genauer angesehen, welche Branchen und Unternehmen besonders stark auf den Kindersendern Super RTL, Disney Channel und Nick werben. Wir betrachten hierzu die gesamte Zeit zwischen 6 und 20 Uhr, die dann nur teils von einem Verbot erfasst wäre.

Dabei zeigt sich, dass Food-Werbung trotz der großen Aufregung ganz allgemein nicht die größte Rolle für die Kindersender spielt. Zwischen Januar 2022 und Mai 2023 entfielen auf Werbung für Food-Produkte inklusive Fast Food nur rund 6,8 Prozent der Brutto-Werbeeinnahmen der Sender. Den ganz großen Run auf die jungen Zielgruppen scheint es von Herstellern ungesunder Lebensmittel also gar nicht zu geben. 

Deutlich mehr Geld fließt für die Kindersender an anderer Stelle, nämlich bei den Spielzeugen. Alleine auf die Kategorie klassischer Spielzeuge (inklusive Werbung für Spielzeugläden) entfallen 62,6 Prozent der gesamten Bruttowerbeerlöse in dem genannten Zeitraum. Hinzu kommen noch einmal 9,4 Prozent für Konsolenspiele. Durch Werbung von verschiedenen Medien erwirtschaften die Kindersender rund 9,5 Prozent ihrer Bruttowerbeeinnahmen, davon entfällt ein Großteil auf verschiedene Magazine und Werbung für Kinofilme. Beworben werden in Sachen Magazine diverse Lego-Titel, aber auch Zeitschriften wie "Das Lustige Taschenbuch", "Wendy", "Das Micky Maus Magazin" oder "Paw Patrol" und "Die drei ???". 

Werbung bei Kindersendern © AdScanner Für Spielzeuge aller Art wurde in den vergangenen eineinhalb Jahren auf den Kindersendern mit Abstand am meisten geworben.

Extrem dominierend sind in den Werbeunterbrechungen von Super RTL, Disney Channel und Nick also Spots für Spielzeuge aller Art. Das zeigt sich auch, wenn man auf die größten Einzelwerber blickt. Spielzeughersteller Mattel ist für die drei Sender zusammengenommen der wichtigste Werber, zwischen Januar 2022 und Mai 2023 war das Unternehmen für 11,5 Prozent aller Werbeeinnahmen verantwortlich. Auf Platz zwei folgt Nintendo mit 9,2 Prozent, wobei sich das Verhältnis zuletzt schon merklich verschoben hat. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres entfielen auf Nintendo schon 10,8 Prozent der Bruttowerbeeinnahmen. Nintendo ist gleichzeitig auch der Grund, weshalb die übergeordnete Rubrik der Konsolenspiele so stark bei den Sendern ist: Hier entfallen rund 97 Prozent der Spendings auf das Unternehmen, das Mario & Co. beheimatet. 

Weitere Einzelunternehmen, die stark bei den Sendern mit ihrer Werbung vertreten sind, heißen Lego (8,7 Prozent der Bruttowerbeeinnahmen), Geobra Brandstätter bzw. Playmobil (8,0 Prozent), Spin Master (5,8 Prozent, u.a. Paw Patrol), VTech (3,9 Prozent) und Zapf Creation (3,7 Prozent).

Anteil von McDonalds ist zuletzt gestiegen

Die beiden größten Werber aus dem Food-Bereich, sie machen hier auch insgesamt den Löwenanteil der Spendings aus, sind McDonalds (2,8 Prozent der gesamten Brutto-Werbespendings) und die Westfälische Fleischwarenfabrik Stockmeyer mit ihrer Kinder-Marke "Ferdi Fuchs" (1,5 Prozent). Beide Unternehmen haben ihre Ausgaben für Werbung bei den drei Kindersendern zuletzt merklich hochgefahren, zwischen Januar und Mai 2023 lag McDonalds schon bei einem Anteil von 4,9 Prozent, "Ferdi Fuchs" bei 3,6 Prozent. In beiden Fällen bedeutet das nicht, dass die Unternehmen im Vergleich zu früher inzwischen mehr als doppelt so viel werben. Sie haben ihre Brutto-Werbespendings hochgefahren, während andere Branchen und Unternehmen sich zurückhielten, so ist die deutliche Verschiebung in den Anteilen zu erklären. Ob die beiden Unternehmen unter ein mögliches Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel fallen würden, ist unklar - aber nicht ausgeschlossen. 

Werbung bei Kindersendern © AdScanner Die größten Einzelwerber bei den Kindersendern heißen Mattel, Nintendo und Lego.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass Werbung für vermeintlich ungesunde Lebensmittel auf den Kindersendern eher ein Nischenphänomen ist - eine Nische allerdings, die auch nach den aktualisierten Plänen des Ernährungsministeriums zum Teil trockengelegt würde. Ob und in welcher Ausprägung das Gesetz nun genau kommt, ist allerdings nach wie vor unklar.

Auf Nachfrage von DWDL.de heißt es aus dem zuständigen Bundesministerium, man befinde sich in der regierungsinternen Abstimmung und sei optimistisch, das Verfahren bald voranzubringen. Hat sich die Regierung geeinigt, müssen erst einmal die Länder und Verbände konsultiert und deren Stellungnahmen ausgewertet werden. Der dann überarbeitete Entwurf wird der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt und schließlich muss der Bundestag den Entwurf beschließen, damit das Gesetz in Kraft treten kann. Es ist also noch ein weiter Weg. Unklar bleibt einstweilen auch noch, wer bei Streitfällen entscheidet.

Medien erhalten unerwartet Unterstützung

Bei der Frage, welche Lebensmittel künftig eigentlich als "ungesund" eingestuft werden sollen, will sich das Ministerium an dem Nährwertprofilmodell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Auch daran gibt es von Seiten der Wirtschaft viel Kritik (DWDL.de berichtete). Ganz grob umrissen sind es solche Lebensmittel, die zu viel Salz, Zucker oder Fett enthalten. Ausnehmen will man von dieser Regelung Milch hinsichtlich des Fettgehalts und Säfte, sofern sie ohne zusätzlichen Zucker oder andere Süßungsmittel auskommen, ebenso Joghurt ohne zugesetzten Zucker.

Medienverbände lobbyieren aktuell weiter kräftig gegen das geplante Werbeverbot - zuletzt bekamen sie dabei auch Unterstützung von unerwarteter Seite. Die Medienanstalten appellierten an die Politik, das angedachte Verbot noch einmal zu überdenken. Die Pläne würden zu "ganz erheblichen Werbeeinbußen in einem schon jetzt herausfordernden Markt führen und damit eine Gefährdung der Medienvielfalt im Rundfunk befürchten lassen", erklärte Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten. "Ich appelliere daher an die Politik, gemeinsam an zielgerichteten und ausgewogenen Lösungen zu arbeiten."

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