Noch sind nicht einmal alle Vorwürfe gegen die frühere RBB-Intendantin Patricia Schlesinger aus der Welt, da wählt der Rundfunkrat des Unternehmens nun schon ihre Nach-Nachfolge. Die Augen sind gerichtet auf das, was am Freitag im RBB passiert. Nicht nur, weil im Zuge der Enthüllungen rund um Schlesinger zahlreiche Fragezeichen aufgetaucht waren rund um das Geschäftsgebaren im Sender. Sondern auch, weil die vergangenen Wochen und Tage rund um die bevorstehende Wahl ebenfalls nicht frei von Turbulenzen waren. Wir haben für Sie die wichtigsten Infos zusammengefasst.
Worum geht es?
Der 30-köpfige Rundfunkrat des RBB wählt am Freitag eine neue Intendantin. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Mit einem ersten Ergebnis ist am Nachmittag zu rechnen. Das Gremium kommt um 14 Uhr in Potsdam zusammen. Nach einer Zusammenfassung der Regularien sieht die Tagesordnung der Sitzung eine Begrüßung der Kandidatinnen vor, anschließend wird gewählt.
Bis auf die Durchführung der Wahl ist die Sitzung des Rundfunkrats öffentlich. Ein Livestream ist geplant, später soll es noch eine Pressekonferenz mit dem oder der Sieger/in geben.
Schon wieder eine Wahl?
Ja. Katrin Vernau ist zwar erst im vergangenen Jahr RBB-Intendantin geworden, sie sprang damals aber ein für die geschasste Patricia Schlesinger. Ihre Amtszeit war von Beginn an auf maximal ein Jahr angelegt - daher nun eine Wahl, um eine dauerhafte Lösung für die Unternehmensspitze zu finden.
Wer steht zur Wahl?
Hier haben Journalistinnen und Journalisten, die sich mit der Wahl beschäftigen, gelernt: Besser nicht zu früh einen Text schreiben und veröffentlichen, denn es hat in den vergangenen Tagen viel Bewegung gegeben. Auf der Wahlliste stehen nun zwei Personen: Ulrike Demmer (Journalistin, ehemalige Regierungssprecherin) und Heide Baumann (Ex-Managerin bei Vodafone und Microsoft).
Auch Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales bei ARD Aktuell, und Jan Weyrauch, Programmdirektor Radio Bremen, hatten zunächst ihren Hut in den Ring geworfen, ihre Bewerbungen dann aber wieder zurückgezogen - im Fall von Weyrauch erst am gestrigen Donnerstag. Zwischen Weyrauch und den RBB-Gremien herrschten unterschiedliche Vorstellungen über die künftige Vergütung, Juliane Leopold erklärte, im RBB würden aktuell andere Fragen im Vordergrund stehen als die, für die sie die richtige sei (DWDL.de berichtete). Interims-Intendantin Katrin Vernau betonte zwar, sie würde den Sender gerne weiter führen, beteiligte sich aber nicht an Bewerbungsprozess - das wurde ihr auch in der Belegschaft negativ ausgelegt. Eine Nachnominierung durch den Rundfunkrat fand in dem Gremium letztlich keine Mehrheit, Vernau kehrt im Herbst also voraussichtlich zurück zum WDR, wo sie als Verwaltungsdirektorin aktuell nur beurlaubt ist.
Reicht eine einfache Mehrheit?
Nein. Die Person, die künftig die Leitung des RBB übernehmen wird, muss zwei Drittel der Stimmen aus dem Rundfunkrat auf sich vereinen. Das sind also 20 Stimmen, die eine Person erhalten muss, um gewählt zu werden. Bei zwei Kandidatinnen im ersten Wahlgang ist es also eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass sich eine der Frauen direkt durchsetzt. Schafft diese Person es im ersten Wahlgang, wäre es ein umso deutlicheres Zeichen für das Vertrauen des Rundfunkrats.
Keine Vorgaben macht der RBB-Staatsvertrag über die Anzahl der möglichen Wahlgänge. Kommt es im ersten Wahlgang zu keinem Ergebnis, ist es also gut möglich, dass die Rundfunkrätinnen und Rundfunkräte am Freitag noch einmal zur Wahlurne schreiten. Bringt eine Kandidatin auch in der Folge keine zwei Drittel Mehrheit zustande, wäre es sogar möglich, dass heute vorerst niemand zur Nachfolgerin von Katrin Vernau gewählt würde. Wie es dann weitergeht, ist unklar.
Chaos?
Das kann man wohl sagen. Da wäre zunächst die Interims-Intendantin, die den Sender zwar gerne weitergeführt hätte, aber mit einer ziemlich seltsamen Begründung nicht am Bewerbungsverfahren teilnahm. Und auch das Hin und Her bei Jan Weyrauch wirft kein gutes Licht auf die Beteiligten - nicht auf Weyrauch selbst und auch nicht auf die zuständigen Vorsitzenden in den Gremien. Deren Anliegen, das Gehaltsgefüge im RBB zu senken, ist zwar nachvollziehbar - diese Details hätten aber zur Ausschreibung bekannt sein müssen.
Auch in der durch den Rundfunkrat eingesetzten Findungskommission hakte es gewaltig. Zunächst wurden durch Oliver Bürgel, Vorsitzender des RBB-Rundfunkrates und der Wahl- und Findungskommission, mit Ulrike Demmer, Heide Baumann und Juliane Leopold drei Bewerberinnen um das Amt der RBB-Intendantin vorgestellt. Nicht auf der Liste tauchte damals Jan Weyrauch auf - der aber bei mindestens drei Mitgliedern der Findungskommission hoch im Kurs stand. Die Personalvertreterinnen in der Findungskommission gingen daraufhin auf die Barrikaden und machten öffentlich, dass Weyrauch seine Bewerbung zurückgezogen hatte, weil der Vorsitzende des Verwaltungsrats plötzlich eine Gehaltsobergrenze als Ausschlusskriterium eingeführt hatte. Nach diesem Aufschrei kehrte Weyrauch in das Bewerberfeld zurück, die Beteiligten schlugen versöhnliche Töne an. Einen Tag vor der Wahl dann doch noch der Rückzieher, weil Weyrauch offenbar klar wurde, dass der Verwaltungsrat in Sachen Vergütung nicht nachgeben wird.
Der Verwaltungsrat unter dem Vorsitz von Benjamin Ehlers will durch die Gehaltsobergrenze Nägel mit Köpfen machen. Dass man die nun mitten im Bewerbungsprozess einbringt und nicht schon zur Ausschreibung des Postens, ist mindestens unglücklich. Ehlers kommt damit aber möglicherweise auch einer politisch erzwungenen Obergrenze zuvor, von der zumindest Dietmar Woidke, Ministerpräsident in Brandenburg, behauptet, sie würde kommen. Woidke stand zuletzt wegen möglicher Einflussnahme auf den RBB in genau dieser Fragestellung in der Kritik (DWDL.de berichtete).
Und dann war da auch noch der vergangene Montag, als sich die Bewerberinnen und der Bewerber der Belegschaft des RBB gestellt haben. In der Online-Veranstaltung starteten Mitarbeiter plötzlich eine Abstimmung über die Kandidaten, was wiederum anderen sauer aufstieß, weil offenbar Mehrfachabstimmungen möglich waren und die Betroffenen auch noch zusehen konnten. "Im Programm würden wir eine Umfrage auf so einer Basis nicht verwenden", lautete eine der kritischen Stimmen.
Was sagen die Kandidaten?
Heide Baumann hat unter anderem als COO bei Vodafone Deutschland sowie als Chief Transformation Officer bei Microsoft Deutschland gearbeitet. Medien-Erfahrung hat sie unter anderem durch ihre Zeit bei der britischen BT Group und bei Liberty Global, bei letzterem war sie Vice President Customer Experience. "Ich bin mir sicher, dass die Zeit reif ist für einen wirklichen Neustart, frische Ansätze, neue Perspektiven und profunde Krisenmanagementerfahrung von außen. Das motiviert mich auch persönlich", sagt Baumann gegenüber DWDL.de. Der RBB biete die Chance neue Wege zu gehen und zu zeigen, "wie Zukunft geht und dabei effizient zu sein".
Sie beschäftige sich schon seit Jahren damit, wie Geschichten, Bilder und Medien in der Gesellschaft wirken, so Baumann. "Gerade in diesen schwierigen gesellschaftlichen Umbruchszeiten der grundlegenden Veränderungen und Verunsicherungen von Krieg, Künstlicher Intelligenz und Klimakrise usw. sollte eine öffentliche Rundfunkanstalt, wie der RBB, zum einen verlässliche, regionale Berichterstattung mit vielfältigen Informationen und zum anderen auch relevante Themen in Dokumentationen aufgreifen und zusätzlich eine gute und generationsübergreifende Unterhaltung mit Bildungsanspruch ermöglichen." Sich selbst beschreibt Baumann als "krisenerfahren" und "emphatisch". Baumann: "Ich habe immer wieder beobachtet, was es für einen Unterschied für die Menschen in einer Organisation macht, wenn sie Orientierung, Struktur und Perspektive bekommen und wertgeschätzt werden in ihrem Engagement und ihrer Arbeit für die gemeinsame Sache."
Den RBB voranbringen will Heide Baumann nach eigenen Angaben mit Qualität, ausgewogener Regionalität und einem starken Digitalangebot - dabei müssten neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die Kosten ständig fest im Blick behalten werden. "Wir sollten zukünftig noch eine größere Klammer bilden zwischen dem ländlichen Leben und dem internationalen Großstadtleben im Senderaum, mit allen Gemeinsamkeiten und auch Unterschieden", sagt Baumann.
Ulrike Demmer ist Journalistin und hat unter anderem schon für das ZDF, das Nachrichtenmagazin "Spiegel", das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) aber auch für RadioEins des RBB gearbeitet. Sie absolvierte die Berliner-Journalisten-Schule und machte danach noch ein Volontariat beim ZDF. Später war sie stellvertretende Leiterin des Hauptstadt-Studios des "Focus" und Leiterin eben dieses Büros beim RND. Wenn es in den vergangenen Tagen um Demmer als mögliche RBB-Intendantin ging, wurde aber einer ihrer letzten Jobs immer besonders hervorgehoben: Sie war von 2016 bis 2021 stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung.
Das hat Vor- und Nachteile. Im politischen und medialen Berlin ist Demmer wohl so gut vernetzt wie kein anderer Kandidat aus dem ursprünglichen Bewerbungsfeld der vier Personen. Dass sie allerdings als Regierungssprecherin gearbeitet hat, könnte sich noch als Hindernis erweisen. Natürlich: Ulrich Wilhelm schaffte es auch von der Bank der Regierungssprecher an die Spitze des BR, dafür wurde er 2010/2011 aber auch viel kritisiert. Jetzt, mehr als zehn Jahre später, wäre ein solcher Wechsel nicht minder schlagzeilenträchtig. Auf eine Anfrage von DWDL.de zu ihrer Motivation und ihren Plänen für den RBB hat Ulrike Demmer nicht reagiert.