"TV Total", "Wer stiehlt mir die Show?", "Germany's Next Topmodel", "Schlag den Star" , "The Masked Singer", "Joko & Klaas gegen ProSieben", das mit Sat.1 geteilte "The Voice of Germany", die "Wok-WM", mit Abschlägen auch "Das Duell um die Welt": ProSieben hat ein mehr als beachtliches Arsenal an herausragenden Quotenhits im non-fiktionalen Bereich, die für sich genommen allesamt das Zeug dazu haben, jeden Konkurrenten in die Schranken zu weisen und den Abend in der "klassischen Zielgruppe" zu dominieren.
Viele andere Sender dürften also mit einigem Neid auf das Inventar von ProSieben blicken - vor allem, weil es mit den genannten Formaten auch gelingt, das fürs klassische Fernsehen immer schwerer zu gewinnende jüngere Publikum zu erreichen. Dazu schafft ProSieben es immer wieder, mit Thilo Mischke oder Jenke von Wilmsdorff ernstere Themen so aufzubereiten, dass auch hiermit Jüngere in größerer Zahl angesprochen werden. Das ist ebenfalls ein Verdienst von Senderchef Daniel Rosemann, der darauf beharrt, mit dem Sender neben Unterhaltung immer wieder auch auf Relevanz zur besten Sendezeit zu setzen, selbst wenn längst nicht alles davon verfängt.
Wäre ProSieben ein Streamingdienst...
Vor allem zeigen diese zahlreichen Highlights, welche Kraft auch 2023 weiter in der Marke ProSieben steckt. Und wäre ProSieben ein Streaming-Anbieter, der fortwährend punktuelle Highlights benötigt, um ein Abo zu rechtfertigen, wäre alles in bester Ordnung. Allerdings ist ProSieben eben zuvorderst ein linearer Sender - und da bleibt eben auch festzuhalten, dass ProSieben trotzdem als größter Marktanteils-Verlierer aus dieser Saison heraus geht: Im Schnitt sank der Marktanteil in den letzten Monaten um 0,7 Prozentpunkte. Den Marktanteil des Vorjahresmonats zu übertreffen, gelang ProSieben einzig im September. Im Mai fiel man wie schon im Dezember und Januar unter die 8-Prozent-Marke.
Wenn die eigentlichen Highlights also unverändert weiter glänzen, dann bleibt - neben der Tatsache, dass ProSieben als jüngstes der Vollprogramme besonders stark unter der rückläufigen linearen TV-Nutzung leidet - nur die Erklärung, dass es am Drumherum bröckelt. Wenig hilfreich ist, dass schon der Nachmittag schwächer läuft als zuletzt. "taff" etwa liegt in diesem Jahr erstmals seit Ewigkeiten bei einstelligen Marktanteilen in der Zielgruppe - auch weil "The Big Bang Theory" einen etwas schwächeren Vorlauf anliefert. Trotzdem wird man bei ProSieben heilfroh sein, dass die Formate ähnlich wie "Galileo" am Vorabend weiter ordentliche Werte liefern und sich hüten, hier eine neue Baustelle aufzumachen, wenn sie nicht unbedingt sein muss.
Der Fokus liegt also auf der Primetime, wo es genug zu tun gibt. Es ist zwar aller Ehren wert, an einem Magazin wie "Zervakis & Opdenhövel" festzuhalten und tatsächlich zeigte die Quotenentwicklung der inzwischen auf 45 Minuten verkürzten Sendung zuletzt nach oben - doch der Audience Flow nach dem starken "TV Total" ist mittwochs auch über "ZOL" hinaus alles andere als gut.
Mit US-Serien, mit der man lange Zeit ohne großen Aufwand ordentliche Quoten holen konnte, ist montags schon längst kaum noch etwas zu gewinnen, auch "Grey's Anatomy" dümpelte zuletzt bei weniger als sechseinhalb Prozent Marktanteil vor sich hin, Serien wie "9-1-1" ergeht es kaum besser. Und im Sitcom-Bereich ist einzig noch auf "Young Sheldon" Verlass, "How I Met Your Father" erfüllte die Hoffnung nicht, an die Erfolge der Mutterserie anzuknüpfen.
Drängender denn je wäre es also, weitere Flächen mit erfolgreichen Eigenproduktionen zu bespielen - doch neue Erfolge taten sich hier in den vergangenen Monaten nicht auf. Nicht zuletzt auch, weil sich ProSieben nicht sonderlich experimentierfreudig gab. Neben dem völlig gefloppten Datingformat "Love is King" beschränkten sich die neuen Programmvorhaben für die vergangene Saison vor allem auf die Neuaufstellung des Sonntagabends - notwendig geworden, weil man als Stützungsmaßnahme für Sat.1 den Blockbuster-Sendeplatz an den Schwestersender abgeben sollte.
Ein stummer Schrei nach Liebe
Vier neue Formate wurden hier angekündigt - doch nachdem "Local Hero" dort im Herbst mit wenig mehr als drei Prozent in der Zielgruppe startete, zog man nach einer Folge sofort die Notbremse und griff zur - durchaus charmanten - Notlösung, die NFL für eine Saison in die ProSieben-Primetime zu hieven. Haken an der Sache: Weil man die Rechte kurz zuvor an RTL verloren hatte, wird das eine einmalige Sache bleiben. Wie man den Sonntag dauerhaft erfolgreich aufstellen will, ohne sich mit Filmen bei Sat.1 und ProSieben gegenseitig das gleiche Publikum streitig zu machen, ist hingegen noch weitgehend ungelöst.
Ohne Frage hervorragend funktioniert hat die Umsiedlung von "Wer stiehlt mir die Show?" vom Dienstag auf den härter umkämpften Sonntagabend, womit man nicht zuletzt auch Tim Mälzer bei Vox einige Zuschauerinnen und Zuschauer abjagen konnte. Auch die Verlegung vom (werbetechnisch schwierigen) Januar ins Frühjahr, hat geklappt, die bisherige Sommerstaffel dürfte dementsprechend in den Herbst wandern. Doch über die zwölf Wochen "WSMDS" hinaus steht ProSieben noch ziemlich blank da.
Von den ursprünglich vier geplanten Formaten durften "Die Unschlagbaren" noch ihr Glück am Sonntagabend versuchen, trotz Joachim Llambi als prominentem Frontmann bewegten sich die Quoten aber Woche für Woche tiefer in den roten Bereich. "Mission: Job Unknown" wurde stattdessen dienstags gezeigt, wo es die "WSMDS"-Lücke nicht ansatzweise füllen konnte. Und dass "Wer stiehlt mir die Show?" als Vorlauf fehlte, bescherte auch "Late Night Berlin" mehr Probleme, das ohnehin mit stetig schwankenden Startzeiten zu kämpfen hat.
Grundsätzlich fiel an allen drei neuen Formaten auf, wie ähnlich sie sich letztlich doch waren. Dass ProSieben als Ersatz für die Sonntags-Blockbuster ursprünglich kaum mehr als eine nicht ganz neue Idee in dreifacher Ausführung aufbot, war in jedem Fall zu wenig - und könnte auch als Mahnung dienen, der Formatentwicklung für ProSieben wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen, auch wenn das Team um Doppel-Senderchef Daniel Rosemann mit Sat.1 noch eine weitere, sicher nicht kleinere Baustelle zu bearbeiten hat. Denn sicher ist beim Blick auf die sinkenden Marktanteile: Trotz der stabilen Erfolgsformate kann der Sender nicht auf Autopilot betrieben werden.